Filmfest München - Trash
Da wir gerade von Autos und Crashs reden, sollten wir auch Auto und Trash benennen. Kurz: "Die Satansweiber von Tittfield" würdigen, Russ Meyers Klassiker von 1966 mit dem auch sehr schönen O-Titel "Faster, Pussycat! Kill! Kill!"
Darum gehts: Satansweiber, die schnell sind im Autofahren und im Killen, und die wahrscheinlich tatsächlich aus Tittfield kommen. Drei Stripperinnen in der Wüste, sie kämpfen miteinander, wie es Frauen so an sich haben, wenn sie unter sich sind, sind kratzbürstig und zickig. Aggressiv werden sie, wenn ein Mann dazustößt mit einem Auto, der auch noch im Motorsportclub ist und ein junges, unschuldiges Mädel bei sich hat. Unausweichlich: Ein Autorennen. Auch unausweichlich: Dass das Alphamädchen es nicht abhaben kann, abgehängt zu werden. Also bricht sie dem Typen das Rückgrat, sein Mädel setzen sie unter Drogen und nehmen sie mit.
Weiter gehts am zweiten Schauplatz des Films: Eine Farm, von einem Tyrannovater Rex geführt, der alles langhaarige hasst und dort mit einem schwachsinnigen und einem schwächlichen Sohn lebt. "Sie dürfen rauchen, wählen, Hosen anziehen, und was haben wir davon? Ein Demokrat wird Präsident! Und man kann zwischen Bruder und Schwester keinen Unterschied mehr feststellen, wenn man nicht mit der Nase drauf gestoßen wird!" So sind sie, die Rednecks. Im Übrigen hat der behinderte Opa viel Geld versteckt, hinter dem sind die drei Amazonen her, es kommt zu diversen Verführungen und Ermordungen, und die Autos sind immer mit dabei.
Enorme Titten zeigt Meyer, aber niemals nackt. Kampflesben zeigt er, die Männer morden. Angeblich wurde der Film zu so etwas wie einem Kultfilm in feministischem Kontext, wegen der dominanten Weiber und den gekillten Männern. Das ist ein Problem im gesellschaftlichen Diskurs: Dass totaler Schund zu irgendeiner Aussage hochgeputscht wird, die nicht drinsteckt. Weils eigentlich um Autos, Möpse und Gewalt geht, um nichts sonst, und eigentlich auch egal ist, wer wen umbringt und wer wem sexuelle Avancen macht. Wenn man da mit angeblichen subtilen Aussagen herkommt, verdirbt's einem ja auch irgendwie den Spaß am niederen Vergnügen. Der ist groß, der Fun, vor allem, wenn der Film im Freien aufgeführt wird wie hier in München in der sehr lobenswerten Open-Air-Reihe, diesmal zum Thema "Katzen". Dankenswerterweise lief die deutsche Fassung mit schön flapsigen Dialogen; und dankenswerterweise in einer rekonstruierten, wahrscheinlich vollständigen Version mit ein paar zusätzlichen, nicht synchronisierten Szenen. Vor allem Kampf- und Sexszenen (was bisweilen dasselbe ist) waren in der deutschen Fassung rausgeschnitten; seltsam: denn genau deshalb will man den Film ja sehen.
Auf den Philippinen war in den 70ern und 80ern viel los, was Frauenbewegung angeht. Eine Menge weiblicher Stars haben dafür gekämpft, dass in der Filmwirtschaft mehr Frauen in Hauptrollen besetzt werden, nicht mehr nur als Stichwortgeber des Helden, sondern als Heldin selbst. Eine Botschaft des Feminismus war das, ein Kampf für die berufliche Gleichstellung im patriarchalischen Hollywoodsystem - dass die jungen, oft genug großbusigen Darstellerinnen sich dafür ausziehen mussten, gefoltert und vergewaltigt wurden, mit MPs, MGs, Macheten und mit der bloßen Hand töten und getötet werden mussten - das muss man hinnehmen, wenn es ums große Ganze geht.
So lautet zumindest der Tenor einiger Aussagen in "Machete Maidens Unleashed!", einer Dokumentation von Mark Hartley über das Exploitationkino made in Phillipines. Gräßliche Monster mit pappmachéartigen Masken, schlimme Söldnerbanden, die hart bekämpft werden, Dschungelcamps, in denen junge, unschuldige, willige und nackte Damen sadistisch gefoltert werden, Zwerge, die James Bond spielen: Alles abartig, geschmacklos, billig. Und sehr lustig: Weil die niedersten Instinkte angesprochen werden, ohne dass dies verheimlicht würde; weil Action, Gewalt und Sex in der richtigen Mischung und der richtigen Machart nichts mit realer Action, realer Gewalt, realem Sex zu tun hat; weil das Bizarre ausgereizt wird bis zum Gehtnichtmehr.
Dass die damaligen Darstellerinnen und Produzent Roger Corman - der auf den Phillipinen ein billiges Eldorado für seine Trashproduktionen gefunden hatte - im Nachhinein das alles (auch vor sich selbst) als Teil der kulturellen Befreiungsbewegung der 60er und 70er Jahre umdeuten, ist so komisch wie die Filme. Weil natürlich die Ausbeutung der Frau das Wichtigste ist in diesem Genre, und wenn die Frau eine Waffe in der Hand hat und Gegner abknallt, ist das auch nur eine bestimmte Form männlicher Phantasie. Der einzige, der in der Doku dies klar ausspricht, ist John Landis, der sehr klug diese Art von Film verstanden hat. Weils natürlich nur um Blut und Brüste und Billig geht, und weil die Filme, ich paraphrasiere mal aus dem Gedächtnis, nur Angebote für Masturbationsfantasien sein wollen. Und im Übrigen desto besser sind, je mehr sie versuchen, gut zu sein - und darin elend versagen.
Harald Mühlbeyer