Ein ganzes Leben in einem Haus - Pixars „Oben“ jetzt auf DVD

von Elisabeth Maurer

„Oben“ / „Up“
Regie: Pete Docter
Drehbuch: Bob Peterson, Pete Docter
Musik: Michael Giacchino
Produzent: Jonas Rivera
Sprecher: Ed Asner, Christopher Plummer, Jordan Nagai, Bob Peterson
Verleih: Walt Disney
Laufzeit: 93 min
DVD-Veröffentlichung: 21.1.2010


Der Film beginnt mit dem Tag im Leben von Carl Fredricksen, der sein ganzes Leben bestimmen wird. In einem baufälligen Haus trifft der schüchterne Junge auf das Mädchen Ellie, ein Wildfang, vorlaut, frech und genauso von Abenteuern fasziniert wie Carl. Fortan gehören sie zusammen.
Nun folgt die bewegenste und schönste Sequenz des Films, die „Oben“ von anderen Animationsfilmen abhebt, technisch und dramaturgisch fast so überzeugend wie die Anfangsszenen aus „Wall-E“. In stummen Bildern wird in wenigen Minuten das gemeinsame Leben von Carl und Ellie gezeigt. Ihre Kinderfreundschaft entwickelt sich zu Liebe, sie heiraten, ziehen in das alte Haus. Der Film findet ganz einfache aber sehr eindrückliche Motive, um ihre Träume und Sehnsüchte darzustellen. Auch die traurigen Momente des Lebens werden gezeigt, das junge Ehepaar kann keine Kinder bekommen und ihre geplante Abenteuerreise müssen sie wegen kleiner Vorfälle im Alltag, für die sie ihr Geld ausgeben müssen, immer wieder verschieben. Als Carl dann endlich die Flugtickets kaufen kann, wird die gebrechliche Ellie ernsthaft krank und stirbt.

Carl zieht sich in seiner Trauer in sein Haus zurück, in dem sich alles befindet, was Ellies und sein Leben ausmacht. Seine Abschottung von der restlichen Welt wird verbildlicht, da um das alte Haus nun neue Wolkenkratzer entstehen. Als auch sein Haus abgerissen werden soll und er selbst ins Altersheim umsiedeln muss, startet Carl einen verrückten Ausbruchsversuch aus der ihm unerträglich gewordenen Welt. Mit vielen heliumgefüllten Ballons lässt er sein Haus einfach vom Boden abheben und steuert nun in Richtung Südamerika, um Ellies Lebenstraum doch noch zu erfüllen. Leider wird er in seinem Vorhaben davon gestört, dass der Pfadfinder Russel auf der Veranda ebenfalls mit in die Luft gegangen ist. Schon glaubt Carl sein Vorhaben wegen dem nervigen und anstrengenden Jungen aufgeben zu müssen. Erstaunlicherweise schafft es der sonst eher tollpatschige Russel aber das Haus ganz in die Nähe der Paradieswasserfälle zu bringen, wo Ellie immer wohnen wollte. Carl muss sein Haus an einer Leine nur noch von einer Seite des Bergplateaus auf die andere ziehen, dann hat er es wirklich geschafft.

Doch der Weg dorthin wird viel abenteuerlicher als die bisherige Reise. Dort im Urwald lebt nämlich der Abenteurer Charles Muntz, den Carl und Ellie seit ihrer Kindheit bewunderten und ihm nacheiferten. Jahrzehntelang sucht Muntz schon nach einem besonderen Riesenvogel, um endlich beweisen zu können, dass es dieses Tier wirklich gibt, und um damit seinen Ruf vor der wissenschaftlichen Gemeinschaft wiederherzustellen. Ein riesiges Rudel Hunde, denen er Halsbänder gebaut hat, mit denen sie sprechen können, hilft ihm bei seiner Suche. Der treudoofste aber liebenswerteste von ihnen, Dug, freundet sich mit Carl und Russel an. Die Hunde bringen den meisten Humor in die Geschichte, vor allem weil sie zwar sprechen können und sich meistens wie eine gut trainierte Spezialeinheit benehmen, aber zugleich ihren Hundecharakter nicht ablegen können, wenn sie zum Beispiel einen Ball sehen.

Als dann Russel auch noch den Riesenvogel zu seinem Freund macht, kommt es zum Kampf zwischen Carl, Dug, Russel und Muntz und seinen Hunden. Der Abenteurer und Carl stehen dabei für zwei Arten, wie mit dem bevorstehendem Lebensende und den verpassten Chancen umgegangen werden kann. Während Muntz völlig besessen davon ist, seinen Lebenstraum ohne Rücksicht auf andere umzusetzen, begreift Carl, dass es wichtigeres gibt als Erinnerungen nachzuhängen. Er erkennt, dass er und Ellie ein wunderschönes Leben hatten und auch Abenteuer erlebten, auf ganz alltägliche Weise. Metapher für die Traurigkeit, die er mit sich herumträgt, war natürlich das Haus. An der Leine wird es immer mehr zur Last und so muss er es am Ende loslassen. Es geht nicht um die materiellen Erinnerungsstücke, Carl hatte Ellie ein ganzes Leben lang, aber egal wie sehr er sich an die Vergangenheit klammert, sie kommt nicht zurück. Auch in ihrem Gedenken darf er sich nun nicht in seine Welt vergraben, sondern muss sein Leben weiterleben, zusammen mit seinen neuen Freunden.

Manchmal wünscht sich der erwachsene Zuschauer einen etwas weniger kitschigen und kindischen Animationsstil, wie er viele Animationsfilme beherrscht. Vielleicht hofft er daher während des Schauens auch schon auf „9“ von Shane Acker, der ihm diesen Wunsch womöglich erfüllen wird. Auf der anderen Seite träumt sich die Kinderseele der Erwachsenen in altmodische Zeichentrickfilme zurück, die weniger Albernheiten und Action beinhalteten, dafür aber mehr zu Herzen gingen. Trotzdem bietet „Oben“ Erwachsenen und Kindern gute Unterhaltung, einige herausragende Einfälle und eine weniger platte oder vorhersehbare Geschichte als viele andere Filme der Animationsfilmwelle der letzten Jahre.

Die DVD bietet neben dem einfach nur als entzückend zu bezeichnendem Kurzfilm „Teilweise wolkig“, der als Vorfilm im Kino gezeigt wurde, noch eine kurze, amüsante Ergänzung zu Dugs Geschichte. Außerdem enthält sie eine nicht sehr aufschlussreiche Dokumentation über die Entstehung des Films, frühe Überlegungen zum Ende des Charakters Muntz sowie den Audiokommentar des Regisseurs.


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