Neu auf DVD, BD und als VoD: THE CANYONS

Diesem Werk und seinen Beteiligten – so den Schauspielern Lindsay Lohan und James Deen, einschlägig aus unanständigen Filmen bekannt – schlug bereits ungemein viel Häme entgegen, etwa ein Ausschluss vom Sundance-Filmfestival oder internationale Verachtung nach einer Vorführung beim venezianischen Filmfestival.
Nach der Sichtung von THE CANYONS kann nun endlich das konstatiert werden, was man ohnehin schon ahnte: All die fiesen Kommentare werden dieser filmischen Extravaganz mitnichten gerecht! Denn der Erotikthriller von Paul Schrader ist ein Ereignis, das sich höchst eindrucksvoll in der Balance zwischen Tief- und Unsinn hält, und das sich als fulminant-infernalische Low-Budget-Avantgarde bezeichnen lässt.

Die Dialoge sind herrlich prätentiös und filthy – und somit wohl jedem ein Fest, der den Schreibstil des AMERICAN PSYCHO-Autors Bret Easton Ellis liebt (tut das denn allen Ernstes irgendjemand nicht?). Die Ästhetik pendelt indes zwischen gnadenlos hässlich und glänzend schön, zwischen sexualisierter Seifenoper im Cheapo-Look und ambitioniertem Arthouse-Stück mit meisterhaften Bildideen. Und die Handlung? Ein wilder Mix aus nihilistischer Showbiz-Studie, trivialem Liebesgerangel, böser Rachegeschichte und drogenvernebeltem Krimireißer im Sündenbabel L.A., welches von eklatantem Kinosterben betroffen ist und von skrupellosen Machtmenschen sowie von (in vieler Hinsicht) Abhängigen, Verzweifelten und nicht zuletzt von unbedarften wannabes bevölkert wird.
Christian (James Deen) ist ein Sohn reicher Eltern, der – weniger aus Cinephilie denn aus Langeweile – Filme produziert. Er lebt mit dem gescheiterten Model Tara (Lindsay Lohan) in einer Villa und gibt sich der Dekadenz hin: Luxusgütern, Rauschmitteln und – vor allem – sexuellen Spielen. Als Christian herausfindet, dass Tara eine Affäre mit Ryan (Nolan Gerard Funk) – dem naiv-strebsamen Hauptdarsteller seiner neuen Produktion – hat, ergreift er überaus drastische Maßnahmen, um seinem Zorn Ausdruck zu verleihen…

Hinter den Kulissen mag Lindsay Lohan eine unzuverlässige Diva sein – vor der Kamera macht die junge Frau ihre Sache aber (wieder einmal) richtig gut. Augenscheinlich sind ihre Ausstrahlungskraft und ihr schauspielerisches Talent trotz all der Eskapaden, über die die Presse stets zu berichten weiß, ganz und gar unverwüstlich. Versehen mit einem Übermaß an Mascara und Lippenstift, neben dem selbst Liz Taylor in ihrer exzessivsten Phase wie ein Ausbund an Dezenz wirkt, sowie mit einer Camp-Garderobe, die unter anderem erstaunlich absurde High Heels und überdimensional-scheußliche Sonnenbrillen beinhaltet, mimt La Lohan eine Figur, die mal ungeheuer abgestumpft, mal kratzbürstig und biestig, gelegentlich jedoch auch hochgradig fragil anmutet – und die durch jene Fragilität zu einer vergleichsweise vielschichtigen Gestalt im zynisch-kalten Ellis-Kosmos wird.
Dem Pornodarsteller James Deen muss man zwar ein gewisses Ungeschick attestieren (denn wer sich durch die Wahl seines Künstlernamens in die Nähe der coolsten Person der Kulturhistorie rückt, muss damit rechnen, der herausgeforderten Gegenüberstellung nicht standhalten zu können) – gleichwohl agiert er hier als leading man recht souverän. Die Ellis-typische Kombination von ennui und Psychopathie beherrscht er fraglos ausgezeichnet. Die Nebendarstellerriege nimmt sich eher unauffällig aus; als weiteren Pluspunkt gilt es, die Mitwirkung von Gus Van Sant (als Christians Therapeut) zu nennen.

Andreas Köhnemann


THE CANYONS. USA 2013.
Regie: Paul Schrader
Buch: Bret Easton Ellis
Laufzeit: DVD ca. 93 Min. / BD ca. 99 Min.
Freigabe: FSK 16
Extras: Trailer, Bildergalerie, Clips: Creating The Canyons
Anbieter: NewKSM