Brüggemann vs. Berliner Schule

Am 11. Februar hat Dietrich Brüggemann, Regisseur von RENN, WENN DU KANNST und 3 ZIMMER / KÜCHE / BAD, sich, nachdem er sich Thomas Arslans GOLD (hier bei uns besprochen) angesehen hat, auf seinem Blog d-trick.de den Frust von der Seele geschrieben. Titel der Tirade, die mittlerweile mit einem Nachtrag nach dem Wirbel, den Brüggemann verursachte, versehen ist: "Fahr zur Hölle, Berliner Schule".

Zitat:

Was sind das für Regisseure, die die ganze Filmgeschichte gefressen haben, sich einen prätentiösen Titel nach dem anderen ausdenken, aber nicht in der Lage sind, eine einziges echtes Gefühl auszulösen? Geschweige denn irgendwie glaubhaft von der Liebe zu erzählen? Wo genau liegt eigentlich die künstlerische Individualität, wenn hundert Filme alle gleich aussehen? Und was ist das überhaupt für eine dämliche Kultur, in der man diese Simulation von Kino gut finden muß, weil es ansonsten ja nur noch den gräßlichen Mainstream gibt? Die Leute, die kluge Unterhaltung konnten, die haben wir ja vor 80 Jahren alle rausgeschmissen, und aus ihren Arbeiten besteht die interessanteste Sektion dieser Berlinale. Aber sind inzwischen keine nachgewachsen? Oder konnten sie sich nicht entfalten und haben irgendwann frustriert aufgehört, weil in Deutschland ja alles entweder todernst und tonnenschwer sein muß oder halt vor lauter Dämlichkeit stinken?

Ob jetzt ausgerechnet GOLD als Anlass für den Brandbrief taugt, insbesondere, wenn Brüggemann zumindest Innovation fordert (und, hey, immerhin ist GOLD Berliner Schule im Wilden Westen, und schöne Landschaft zeigt der Film auch schön her!) - darüber mag man anderer Meinung sein.   


Darüber hinaus aber hat Brüggemann in der Sache Recht, wenn er - wie übrigens auch wir in unserem Buch (irgendwo, mal kurz) - einen vernünftigen middle ground fordert. Wie und auf welche Weise der zustande kommen kann und sollte...

Brüggemann:

Jedes europäische Land produziert einerseits fürchterlich spaßbefreite Kunstfilme und andererseits wahnsinnig plattes Unterhaltungskino. Dazwischen gibt es dann noch so wohlmeinendes Wellness-Arthouse für Brigitte-Leserinnen, denen man öfter mal mitteilen muß, daß das Leben bezaubernd ist. Und das ist alles gleichermaßen beschissen.

Umso mehr tut es mir persönlich leid, dass Christian Petzolds BARBARA vom Verband der deutschen Filmkritik (VdFK) gestern Abend zum besten Film des Jahres 2012 gekürt wurde - und nicht der ebenfalls nominierte 3 ZIMMER / KÜCHE / BAD. Nicht weil es BARBARA nicht wert wäre. Nicht, weil Deutscher-Filmpreis-Anwärter BARBARA auch sonst so viele Preise und Nominierungen erhalten hat (kann ja kein Kriterium sein, wenn es um die Qualität eines Films per se gehen soll). Sondern weil Dietrich Brüggemann zusammen mit seiner Schwester (und Co-Drehbuchautorin) Anna nicht zuletzt dank 3 ZIMMER / KÜCHE / BAD als einem Film, der Generationen und Niveaus zusammengebracht hat, zwei der Hoffnungsträger für die Zukunft des deutschen Kino sind.

Übrigens: GOLD-Hauptdarstellerin Nina Hoss, die laut Brüggemann "fünf Filme lang herumlaufen muß wie ein abgeschalteter Roboter" bekam auf der letzten Berlinale den Silbernen Bären für ihre BARBARA.
Und nichts gegen Lars Eidinger und Alina Levshin (die wir - kleine Werbeschalte - ja auch in unserem Buch kurzporträtieren). Aber die als Beste Darstellerin" und "Bester Darsteller" hätte der VdFK-Jury gerne und mit gutem Recht eigentlich auch mal pauschal das Ensemble von 3 ZIMMER / KÜCHE / BAD prämieren können...

zyw