Hofer Filmtage: "Luks Glück" und "Brilliantlove" - Scheitern im Scheitern
Das Drehbuch zu Ayse Polats Komödie "Luks Glück" war Gegenstand der Drehbuchlesung des Mainzer Filmfestivals FILMZ im Jahr 2008; und schon damals war klar: es ist ein schlechtes Buch. Umso überraschender der flotte Beginn des von Polat inszenierten Films: da gehts temporeich und dynamisch zur Sache, sogar mit richtigem Witz, wenn Hauptfigur Haluk und seine Familie als Tippgemeinschaft im Lotto gewinnen und gleich zu streiten beginnen.
Die Eltern haben einen Traum: ein Hotel in der Türkei zu kaufen. Haluk (=Luk) dagegen will vor allem Gül beeindrucken, das Mädel, das er liebt, und nun ja: hier fangen seine Probleme an, und die des Films. Luk will für Gül, Freizeitsängerin, ein Musikalbum produzieren, fährt mit den Eltern in die Türkei, die sind glücklich über das Hotel, das sie kaufen wollen, er organisiert heimlich zusammen mit seinem halbseidenen Cousin Cem die Musikproduktion. Was natürlich nur scheitern kann. Auch, weil er das Pferd von hinten aufzäumt und erstmal ein Video aufnehmen will, ohne dafür noch Musik zu haben. Das nun ist der Höhepunkt seines Niedergangs, ein dilettantischer Dreh, für den zwar Bühne, Kostüme, Kunstschnee und Kran zur Verfügung stehen, die Tänzer aber aus Bauern der Umgebung rekrutiert sind, das Konzept völlig lachhaft ist, alles ist unorganisiert, unüberlegt, völlig illusorisch; so wie Luk eben ist.
Luk ist ein Tölpel, ein Trottel, der keinen Sinn hat für so etwas wie Logik oder Vernunft, seine Dummheit kulminiert in diesem Musikvideo. Gleichzeitig aber soll er als Held der Geschichte glaubhaft und sympathisch sein. Das geht halt nicht. Aber Ayse Polat will genau daraus ihren Witz ziehen: dass sie ihn in den Mittelpunkt stellt und sein Abenteuer um die Eroberung von Gül, um die Auseinandersetzung mit den Eltern, um die Querelen mit Cousin Cem als lustiges Geschehen präsentiert. Wobei sie missachtet: Die Hauptfigur muss auch plausibel sein; sie muss wenigstens den Anschein von Intelligenz zeigen; beides gehört nicht zu Luks Eigenschaften. Und Witz ist eben nicht nur aufgesetzter Slapstick, Herumgehampel und das Nachjagen illusorischer Träume; und Komödie ist nicht das Zeigen von Lächerlichkeit. Wenn also Polat das gescheiterte Musikvideo als lächerlichen Firlefanz zeigt: dann liegt genau darin auch das Scheitern des gesamten Filmes begründet.
Während Polats Film Luks Scheitern als Scheitern zeigt, daraus aber keinen Funken gutes Komödienkino zu schlagen versteht, merkt Ashley Horner nicht einmal das in seinen Film eingebettete Scheitern.
Horner hat einen ganz anderen Film gemacht, ein Arthouse-Erotikdrama um die Liebe von Manchester und Noon. Die beiden wohnen in einer Garage mit allerlei aufgefundenem Krimskrams, mehr brauchen sie nicht für ihre Liebe: nur sich selbst und das Liebemachen, das hier in aller Ausführlichkeit, aber nie pornografisch explizit gezeigt wird. Schon nach drei Minuten weiß man, wo es lang geht: aus der kindlich-unschuldigen Selbstgenügsamkeit, aus dem reinen, lust- und freudvollen Ausleben ihrer Sexualität werden sie entrissen werden. Die Vertreibung aus dem Lust- und Liebesparadies erfolgt durch Franny, einem Pornokunstsammler, der an Manchesters Fotos gelangt, darin Kunst erkennt und Manchester dazu überredet, die Fotos auszustellen. Was Noon, die liebend abfotografierte Liebende, natürlich nicht so gut findet.
Das eindeutige Problem des Films: Manchesters Fotos, über die die Kamera ab und an drüberfährt, sind total doof. Niemals können sie die Behauptung des Films, dass hier intuitiv auf künstlerische Weise die reine Liebe zweier Menschen idealtypisch abgebildet seien, bestätigen. Verwackelte, dunkle Körperteile einer Frau beim Liebesakt sind zu sehen, fotografiert von einem Mann beim Liebesakt: das ist halt nichts, was irgendwie künstlerisch ist. Womit dem Film in sich selbst das Rückgrat gebrochen ist; weil er nicht mal merkt, dass er um ein reines Nichts aufgebaut ist. Das immanente, wenn auch nie erkannte Scheitern, das in der behaupteten Verehrung von Manchesters Laienfotos liegt, überträgt sich auch auf den Film. Der zwar selbst ein paar immerhin schön beleuchtete, wenn auch sichtlich gefakete Geschlechtsakte zeigt, aber eben immer in der Banalität steckt. Da mag Horner noch so sehr Winterbottoms "9 Songs" im Sinn gehabt haben; er kommt nicht mal ansatzweise an den Versuch einer profunden Aussage, einer Bedeutung hin. Da helfen auch nicht die leitmotivische Tiermetaphorik mit toten Vögeln, die Noon als Tierpräparatorin ausstopft ("Taxidermy means rearranging the skin"), mit Katze und Frosch; und auch nicht die nun aber wirklich wunderbar ausgesuchten Namen der Hauptfiguren.
Harald Mühlbeyer