Im Kino: „Groupies bleiben nicht zum Frühstück“ – Mädchen-Märchen
„Groupies bleiben nicht zum Frühstück“
Deutschland 2010. Regie: Marc Rothemund. Kinostart: 16.09.2010
Ende Juli 1969 war es, da wohnten die Led Zeppelin-Mitglieder im Edgewater Inn in Seattle, direkt am Pazifik gelegen, so dass man aus dem Hotelfenster heraus Fische angeln konnte. Hier trug sich der Zwischenfall zu, der Led Zeppelin berüchtigt machte; die Einzelheiten sind ungeklärt, es spielen mindestens mit: Richard Cole, Roadmanager; John Bonham, Schlagzeuger; Mark Stein, Keyboarder bei Vanilla Fudge; ein rothaariges, ziemlich nacktes Mädel; und ein Fisch. Ein Hai, so heißt es, vielleicht aber auch „nur“ ein Roter Schnapper (a red snapper for her red snapper, wie es Cole formuliert). Genaueres weiß man nicht, die Wahrheit der Legende bleibt der Fantasie überlassen – obwohl Mark Stein eine 8mm-Kamera dabeigehabt haben soll, deren Filmmaterial freilich nie aufgetaucht ist. Schade eigentlich.
Ein solcher Film ist Marc Rothemunds „Groupies bleiben nicht zum Frühstück“ natürlich nicht; Groupies kommen keine vor, nur Kreischteenie-Fans. Fische auch nicht, nur eine texanische Sarracenia alata, eine seltene fleischfressende Pflanze, die Lila und Chris, Leadsanger der angesagten Popband Berlin Mitte zusammenbringt. Statt Hotelzimmerzerstörung gibt es eine Kissenschlacht. Es hätte also auch etwas schief gehen im sensiblen Bereich Star – Fan, Musik, Celebrity-Dasein, Liebe und Pflicht. Doch nein: es hat alles geklappt in dieser romantischen Liebesgeschichte zwischen Schülerin und Popstar.
Anna Fischer spielt die gerade nach einem Jahr USA heimgekehrte Lila zauberhaft süß, wirkt weder eindimensional billig noch oberflächlich funktional; dass das Mädel in einer romantic comedy bei allem Verliebtsein doch eigenständig und selbstbewusst sein kann, ohne das Zickenklischee zu erfüllen, ist auch im internationalen Maßstab nicht gerade häufig. Kostja Ullmann spielt glaubwürdig die beiden Seiten von Christopher, dem ganz normalen Jungen, und Chriz, dem umjubelten, vielgeliebten Teenieschwarm, der mit professioneller Freundlichkeit die Huldigungen seiner weiblichen, jungen Fans entgegennimmt.
Und Marc Rothemund? Immerhin hat der Mann „Sophie Scholl“ verbrochenen, diesen unbeholfenen Beitrag zur deutschen Selbstvergewisserung! Aber tatsächlich kann er mit großer Leichtigkeit seine schöne, kleine, märchenhafte Geschichte erzählen. Klar gibt es da Klischees: die Klassenzicke, die burschikose Berliner-Schnauze-Freundin, den Vertrag des Sängers, der ihm eine Beziehung verbietet; und in der zweiten Hälfte eiert der Film ein bisschen zwischen himmelhochjauchzender Liebe und zutodebetrübter Enttäuschung hin und her. Aber stets geht Rothemund ironisch mit seinem Sujet um. Und gerade das verleiht dem Film seine Frische, seinen Charme: dass er einerseits durchaus für eine Zielgruppe gemacht ist, die auch genausogut Fan der Film-Band Berlin Mitte sein könnte – und dass er gleichzeitig den Fan- und Medienhype zeigt, von dem seine Zuschauer Teil sind. Kritische Aufklärung über böse Popindustrie ist das natürlich nicht; aber die beiläufige Betrachtung eines Phänomens, eine Art Selbstbeobachtung des Zielpublikums auf der Leinwand. Und auf jeden Fall ein einfallsreich inszeniertes, mit kleinen Gags garniertes, von funkelnden Dialogen sprühendes Liebesmärchen.
Harald Mühlbeyer
„Groupies bleiben nicht zum Frühstück“
Deutschland 2010. Regie: Marc Rothemund. Buch: Kristina Magdalena Henn, Lea Schmidbauer. Kamera: Martin Langer. Musik: Gerd Baumann. Songs: Roland Spremberg. Produktion: Ewa Karlström, Andreas Ulmke-Smeaton.
Mit: Anna Fischer (Lila), Kostja Ullman (Chriz), Inka Friedrich (Angelika), Amber Bongard (Luzy), Roman Knizka (Paul, Manager), Michael Keseroglu (Bodyguard).
Länge: 103 Minuten.
Verleih: Disney.
Kinostart: 16.09.2010