Nazis: I hate those guys – „Berlin 36“ von Kaspar Heidelbach
von Harald Mühlbeyer
Deutschland 2009. Regie: Kaspar Heidelbach. Buch: Lothar Kurzawa. Kamera: Achim Poulheim. Musik: Arno Steffen. Produktion: Gerhard Schmidt.
Mit: Karoline Herfurth (Gretel Bergmann), Sebastian Urzendowsky (Marie Ketteler), Axel Prahl (Hans Waldmann), August Zirner (Edwin Bergmann), Maria Happel (Paula Bergmann).
Verleih: X-Verleih.
Start: 10.09.2009
Trauriger Höhepunkt des Films ist ein lächerliches, völlig zusammenhangsloses „Dritter Mann“-Zitat mit einer Katze und dem ganz ganz bösen Nazi-Traiener in einem Hauseingang, der Gretel Bergmann ein letztes Mal bedroht, kurz vor dem Hochsprungwettbewerb der Olympischen Spiele 1936. Sie wurde aus dem deutschen Team ausgeschlossen, weil sie Jüdin ist; zuvor war sie zugelassen worden, weil die Amerikaner die Spiele sonst boykottiert hätten: immerhin war sie eine der weltbesten Hochspringerinnen. Und zwischendrin versuchten die Nazis sie im Trainingslager auszubooten, indem sie neben sie eine Konkurrentin stellten, Marie Ketteler. Eine Hochspringerin, so gut wie die Bergmann, mit einem Unterschied: Marie ist eigentlich ein Mann.
Diese wahre Geschichte von damals, aus der bösen Zeit, wurde von Kaspar Heidelbach verfilmt, seit „Das Wunder von Lengede“ und „Der Untergang der Pamir“ Spezialist darin, aus Geschichtlichem das Drama auszuholen, um daraus einen Fernsehfilm zu kitzeln. Mit der konventionellen Dramaturgie und den vielen Großaufnahmen wirkt auch „Berlin 36“, produziert vom Norddeutschen Rundfunk und der ARD-Produktionsfirma Degeto, trotz aufwändiger Ausstattung wie ein TV-Drama. Als Nazifunktionäre chargieren die üblichen Verdächtigen, die Wandlung der Konkurrenzsituation zwischen Gretel und Marie zu einer Freundschaft verläuft ohne Reibungen, nur über das Ausleihen eines Spionage-Abenteuerromans an die ewig Tagebuchschreibende Gretel (deren Aufzeichnungen freilich Verschlusssache bleiben). Und über dem Olympiastadion schwebt ein schlecht computergenerierter überdimensionaler Zeppelin.
Am Ende läuft alles auf nichts hinaus: Gretel schaut von der Tribüne aus den Sportwettkämpfen zu, wo Marie Ketteler, der Mann als Frau und inzwischen ihr(e) Freund(in), gegen drei Konkurrentinnen antritt. Mit diesem Finale, an dem die Hauptfigur gar nicht teilnehmen darf, gibt der Film implizit –und wohl eher unfreiwillig – zu, dass er eine ganz falsche erzählerische Haltung eingenommen hat. Viel interessanter als die Geschichte der Jüdin, die in Nazideutschland untergebuttert wird (welche Überraschung!), wäre die Perspektive auf Marie gewesen, der von einer psychotischen Mutter von Kindheit an als Mädchen aufgezogen wurde, dadurch immer ein Außenseiter war in einem falschen Leben – und dann eine Jüdin aus dem Frauen-Hochsprungteam drängen soll. Doch Heidelbach nahm den geraden Weg. Und riss die Latte.