Hofer Filmtage 2015: Retrospektive Christopher Petit – "An Unsuitable Job for a Woman" (1982)
Christopher Petits zweiter Spielfilm "An Unsuitable
Job for a Woman" ist das ziemliche Gegenteil "Radio On". In
diesem Erstling ging es ihm um die Vermeidung von Handlung, um ein Ignorieren
von Kohärenz, es ging um Atmosphäre, um das Erzeugen einer Stimmung entlang der
Musik – und entlang der Charaktere, die voll ausgeformt, aber niemals
ausformuliert sind und damit stets geheimnisvoll bleiben. "Unsuitable Job"
– da war das Filmteam plötzlich nicht mehr nur zwölf Leute groß, sondern Petit
arbeitete mit einer kompletten Crew. Und es zogen nicht alle an einem Strang
für das große Ziel, sondern es wurden die, wie soll man sagen,
Partikularinteressen spürbar. Die Produktion – fünf Produzenten! – forderte,
trotz "professionellem" Budget kostengünstig zu drehen; der
eigentlich vorgesehene Drehort karger Moorebenen wurde zugunsten des Londoner
Umlands aufgegeben, damit keine Übernachtungskosten entstehen. Das Landhaus wurde
vom Ausstatter weitgehend nach dessen und nicht nach des Regisseurs
Vorstellungen dekoriert; überhaupt ist der Film nicht so geworden, wie ihn
Petit sich gewünscht und erhofft hätte: "Wie man so sagt: Der Regisseur
verlor das Interesse", schreibt Petit in seinem Text im Hofer
Programmheft.
von
Und nicht nur die Produktionsbedingungen waren
komplementär zu "Radio On" : "An Unsuitable Job for a
Woman" ist ein Krimi, plotgetrieben, mit Charaktere, die Funktionen zu
erfüllen haben, mit einer Handlung, die zu einem Ziel zu führen hat. Und:
"Unsuitable Job" ist in Farbe gedreht.
Und was für eine Farbe! Martin Schäfer – häufiger
Kameramann für Petit – setzt auf die Leuchtkraft von Licht und Schatten, setzt
Farben expressiv ein – Sonnenuntergang, oder graue Düsternis, oder
Blickführungen durch Buntheit. Vor allem aber setzt Schäfer eine Beleuchtung
wie im Film noir ein, harte Kontraste, Schatten auf Gesichtern, auch verkantete
Kameraeinstellungen – und das aber eben nicht in schwarz-weiß, und ja: Das
sieht ausgesprochen supersuper aus!
Die Handlung, entlang eines Romans von P. D. James: Eine
junge Frau übernimmt einen Privatdetektivjob, nachdem ihr Boss (oder Partner)
sich umgebracht hat. Für einen reichen Bonzen soll sie die Umstände am Suizid
von dessen Sohn erforschen, nein: keine Zweifel an der Todesursache selbst,
aber Wissbegierde an den Umständen, die zum Lebensüberdruss führten. Lange
Entfremdung zwischen Papa und Sohnemann, der nicht in die Fußstapfen des Vaters
mit seiner Baufirma und seinem Schloss und seinen Millionen treten wollte.
Welchen Umgang hatte er, wie lebte er, warum starb er? Mit dabei: eine strenge,
feindselige Haushälterin, und ein smarter Ersatzsohn, den sich der Papa schon
seit langem als rechte Hand anerzogen hat. Mittenmang drin: Elizabeth, die
Ermittlerin. Die freilich die Vorgehensweise aus dem Eff-Eff kennt, die aber
vor allem überrascht ist, wie jung und hübsch dieser tote Junge ist, den sie
nun stellvertretend für den Vater und posthum kennenlernen soll. Hach, sie
fühlt sich zu ihm hingezogen – einer der ziemlich albernen Pfade des Drehbuchs,
das an sich sehr straight seine Detektivgeschichte erzählt: Das Emotionale, das
der an sich so professionellen Ermittlerin im Wege steht, ist ziemlich
ausgelutscht als filmisches Klischee; rechtfertigt aber immerhin den Filmtitel.
In einem Cottage hat der Sohnemann gelebt, im Garten
lauter laute Kinder, die Vermieterin eine griesgrämige, bösartige Alte. Der
Haken an der Decke, wo sich Mark erhängt hat: Da baumelt irgendwann eine strohene
Puppe, ein böser Streich für die Ermittlerin. Ein Gebetsbuch spielt eine Rolle,
das die lange schon verstorbene Mutter ihrem Sohn zu dessen 21. Geburtstag hat
überreichen lassen; die Ex-Freundin hat die Leiche gefunden, und zwar in
Frauenkleidern; und im Garten gibt es einen tiefen, tiefen Brunnen…
Nicht ungeschickt spielt der Film mit den Kennzeichen des
Unheimlichen, lässt auch spielerisch Perversion und die spießige Reaktion
darauf einschleichen, es gibt eine Menge Geheimnisse, die mittels
Blutgruppenanalyse geklärt werden können. Und es gibt irgendwann viele
Verdächtige, weil der Tod denn doch nicht so geklärt ist, wie es schien. An
einem Gürtel des Verstorbenen prüft Elizabeth den Erhängungsvorgang, ein
Re-Enactment des Suizids, das natürlich schief gehen muss, bei so einem
wackligen Stuhl. Die Haushälterin verbirgt einiges, hinter ihrem harschen
Auftreten verbirgt sich so manches. Und der Ziehsohn: Der würde alles tun, um
den alten Herrn vor Schrecken oder Schlimmerem zu bewahren.
Irgendwann wird Elizabeth in den Brunnen gestürzt. Und in
einer großartigen Sequenz stemmt sie sich den Brunnenschacht entlang hoch,
verfolgt den Täter im Auto – hier wird es dann wieder recht läppisch, bei einem
Sturz von einer Brücke, der vollkommen holterdipolter vor sich geht, auch
filmschnittmäßig ziemlich vermasselt. Aber, und das macht das Werk Petits aus:
Genau in solchen "Fehlern" liegt seine auteur-Handschrift: Dann, wenn andere sich besonders anstrengen,
ist es seinen Filmen wurscht, weil es darauf eigentlich gar nicht ankommt.
Ebenso ist es bei der Auflösung des Ganzen: Wer warum welche Tat begangen hat –
das ist schon im Drehbuch so verworren, dass es in der Inszenierung am besten
nur noch gesteigert werden kann in ein vollkommenes Durcheinander. Am Ende
erschießt irgendeiner irgendwen – und: Das ist absichtlich unklar gedreht,
gerade weil die Konvention an dieser Stelle Klarheit verlangt. Aber das
natürlich wäre langweilig.
Harald Mühlbeyer