Grindhouse-Nachlese – Slasher zu Halloween

Samstag, 29.10.2011, Cinema Quadrat, Mannheim:

„Friday the 13th“, USA 1980, Regie: Sean S. Cunningham.

„Madman“, USA 1982, Regie: Joe Giannone.



Da sitzen sie alle am Lagerfeuer, die Betreuer eines Camps und ein paar Kids, und einer singt eine Horrormoritat vom Killer im Dunkeln. Dann erzählt der Chef des Camps, passend zur Atmosphäre, die Geschichte des alten Bauern Marz, hässlich, fies, brutal, ein Säufer und Schläger, der eines Tages durchdreht und Frau und Kinder mit der Axt zerhackt. Ein Mob lyncht ihn, erhenkt entkommt er der Schlinge und streunt seither durch die Wälder. Und wer seinen Namen ausspricht, den holt er: Madman Marz.

Wie sich herausstellt: eine lebende Legende. Degeneriert und mehr Tier als Mensch, mit klobigen nackten Füßen, behaarten Klauen mit langen Krallen, einem fellähnlich behaarten Gesicht, gebücktem Gang tötet er die, die allein im Wald unterwegs sind. Mal mit einer Axt zugeschlagen, mal eine Schlinge flugs seinem Opfer von hinten um den Hals geschlungen; gefährlich auch, nachts den Pickuptruck reparieren zu wollen, den Kopf unter die Motorhaube zu stecken, wenn Madman Marz auf dem Autodach steht, bereit zum Sprung… Ein Kühlschrank bietet Sicherheit, nicht nur – siehe Indiana Jones – vor einer Atombombe, auch vor dem Wahnsinnigen; sofern man nicht zu früh die Türe aufmacht…

Da sitzt sie, die verängstigte Frau, wie ein kleines Zicklein im Versteck: Dieser Moment offenbart, was die Grundlage für diesen Film „Madman“ von Joe Giannone aus dem Jahr 1982 ist, was die Grundlage eines jeden Slasherfilms sein sollte: Der böse Wolf kommt, die Geißlein versuchen, ihr Heim zu verrammeln; vergeblich: sie verstecken sich voll tödlicher Angst, und sie werden doch eins ums andere gepackt und gekillt. Ein Muster, das im Horrorfilm lediglich um die Komponente eines weitläufigeren Geländes ergänzt wird, und um eine größere Eigenständigkeit der Geißlein, die im Slasherfilm dummerweise ihren eigenen Kopf haben und deshalb immer wieder alleine in den Wald gehen. Mit den besten Vorsätzen zwar – die Vermissten zu suchen –, aber mit fatalem Ergebnis. (Was nebenbei ein kleines Rotkäppchenmoment mit hineinbringt: Ich will mein Lebtag nicht wieder allein vom Wege ab in den Wald laufen, wenn mir's die Mutter verboten hat... Im Übrigen ist das Bäucheaufschlitzen – wie es in beiden Märchen vorkommt – das konstituierende (und titelgebende) Motiv des Genres, wenn’s auch vornehmlich nicht beim Bösen Wolf geschieht, sondern bei den bemitleidenswerten Opfern.)

Ein grandioser Slasherfilm ist „Madman“, von Ideenreichtum und Wirkung wie „The Burning“, aber dann doch nochmal interessanter – sind die Opfer doch nicht die Teenies, sondern die Betreuer, die sich wie Teenies verhalten, mit ihren kleinen Kabbeleien, mit ihren Sehnsüchten, mit ihren Beziehungskisten und Sexaffären. Dunkel ist der gefährliche Wald, unheimlich das halbverfallene Farmhaus, in dessen Keller Marz seinen Vorrat an selbstgefertigten Leichen anlegt, unmenschlich-grauenhaft ist der Killer; Regisseur Giannone spielt nach den Regeln, er weiß um die Regeln, er variiert sie und ironisiert sie mitunter, wobei der tongue-in-cheek-Ansatz dem Grusel nicht im Weg steht. Vor allem aber: Die Opfer wissen um ihr Schicksal, und der Zuschauer tut es auch. Denn zu Anfang, bei den Lagerfeuer-Horrorstories – das ist der Clou des Films – blendet Giannone sekundenkurze Flashforwards auf das spätere Schicksal derer ein, die sich da am Feuer so schön gruseln – und die später stolpern, schreien, fliehen und sterben werden.

Das ist der Unterschied zu „Freitag, der 13.“: Dieser gilt als einer der allerersten Slasherfilme, als der, der mit seinem immensen Erfolg dieses Subgenre so richtig angeschubst hat, der deshalb filmgeschichtlich legendär ist – und dem die Zeit nicht gut getan hat. Ein Eindruck, der durch die billige deutsche Synchro nicht gerade gemildert wird; der sich aber vor allem aus dem Film selbst ableitet. Denn: Die Teenager, die Crystal Camp wiederaufbauen wollen, werden vom Killer – den wir wegen subjektiver Kamera (die nie so schön glatt gleitet wie am Beginn von „Halloween“) nie sehen können – voneinander isoliert und dann aus heiterem Himmel gemordet. Ohne dass sie es selbst merken würden. Ohne dass irgendjemand im Film Angst hat. Sprich: Nicht sieben Geißlein, sondern zehn kleine Negerlein werden hier zum Opfer, die nichts wissen von ihrem Schicksal, die nichts ahnen, die einfach rumlaufen und plötzlich tot sind. Bis zu den letzten fünfzehn Minuten weiß keiner, dass da überhaupt irgendwo ein Killer ist!

Der Zuschauer weiß es. Das würde ja auch genügen, wenn der Film denn die Whodunnit-Formel erfüllen würde. Aber darum geht es eben auch nicht, denn der Killer ist keiner, den wir kennen, und kann auch keiner sein. Dafür taucht am Ende eine ältere Dame auf, die direkt aus einem Edgar Wallace-Film von 15 Jahre zuvor stammen könnte. Und am Ende ist alles eine Art umgekehrtes „Psycho“, mit einer Kinderstimme „Töte sie, Mami, töte sie“, die, so stellt sich heraus, die diversen (scheinbar mit sexueller Bedeutung aufgeladenen, weil phallisch ausgeführten) Morde generiert hat.

Man kann dem Film natürlich nicht vorwerfen, dass er zu formelhörig dem Genremuster folgt – er hat die Regeln ja erst aufgestellt. Aber wie es eben ist am Anfang einer Kette, wenn man sie im Nachhinein betrachtet: zu offensichtlich, zu plakativ werden die Motive und Elemente des Genres angeordnet, und das wird weder durch Witz oder Ironie noch durch übermäßige Gewalt aufgelockert. Klar: es gibt Momente von heftigem Blutvergießen, bei denen Special Make-Up Effects-Mann Tom Savini ganze Arbeit leistet. Aber immer nur für ein paar Sekunden, und ohne wirklichen Effekt auf die Atmosphäre, weil ja im Film keiner außer dem Getöteten was gemerkt hat. Dafür ergehen sich die Teenies in diversen Erforschungen der Sexualität, und das wird dann zuverlässig vom Killer bestraft. Als Final Girl übrig bleibt die mit der hochgeschlossenen Rüschenbluse.

Das natürlich ist eine der Grundregeln des Slashergenres, dass die Teenies mit sexuellen Interessen gemeuchelt werden – muss aber nicht unbedingt als reaktionär-moralisierend gebrandmarkt werden. Die Zielgruppe des Films sind halt Teenies, die müssen gekitzelt werden mit ein bisschen Sex und viel Gewalt, die zur größeren Effektivität miteinander verknüpft werden, nichts weiter. Denn am Ende wird alles eben doch anders aufgelöst, die Motive des Mörders sind nicht sexuell konnotiert, sondern dem Wahnsinn entsprungen. Dass dieser Wahnsinn real sein könnte – das legte den Grundstein für eine langlebige Filmreihe um Jason Vorhees, der dann in späteren Filmen eine Hockeymaske aufgesetzt bekam. Zehn weitere Teile des Franchises plus einer modernen Neuinterpretation: Das zeigt, wie viel Potential nach oben im ersten „Freitag, der 13.“-Film steckt. Während der „Madman“ ein Unikat blieb, das nicht hätte verbessert werden können.

Harald Mühlbeyer