FILMZ 2011 - Elfte Eröffnung
Ging es wirklich so drunter und drüber hinter den Kulissen von FILMZ, wie die beiden Moderatorinnen des Eröffnungsabend, Tiziana Calò und Linda Kujawski, andeuteten? Immerhin sind die beiden die Hälfte der Festivalleitung und müssen es wissen; und immerhin wurden wir zwar im Foyer des Residenz&Prinzess-Kinos in Mainz von einer freundlichen Dame mit "Akkreditierung"-Schild empfangen, die uns aber erst an die falsche Kasse schickte, und die Dame an der richtigen Kasse wiederum wusste nichts mit einem anzufangen, der so mit so einem orangeroten Badge eine Karte haben wollte... Immerhin, und eine solche Freundlichkeit findet man auf keinem anderen Festival: Mit der Pressemappe wurde den Akkreditierten auch eine Ritter Sport-Mini-Schokolade mit auf den Weg gegeben. Danke dafür!
FILMZ ist ehrenamtlich organisiert, FILMZ hat eine große Fluktuation der Organisatoren: Es sind ja alles Studenten, die das machen, und wer im einen Jahr kann, ist im nächsten vielleicht nicht mehr verfügbar. Davon hat man aber gar nichts bemerkt am Eröffnungsabend - außer bei den gar nicht kokett gemeinten Bemerkungen der Moderationsrede (die sich also für etwas entschuldigten, was keiner Entschuldigung bedurfte). Dass in diesem Jahr zwei Drittel des 600-Plätze-Kinosaals für geladene Gäste reserviert waren, kann FILMZ als neuen Rekord buchen - dass davon gut ein Drittel frei blieb, ist den Veranstaltern nicht anzulasten, eher den doofen Promigästen, die zusagen und dann doch nicht kommen.
Verpasst haben sie eine schöne Komödie von Ingo Haeb: "Sohnemänner" erzählt vom Sohn im Mann. Dreh- und Angelpunkt ist Edgar, auch schon über sechzig, ein Hamburger Kiez-Original mit zwanghafter Vitalitätsaura. Er hat einen Sohn, Uwe, und eine Mutter, Hilde. Und unter Umgehung der Edgar-Generation schnappt Uwe seine Oma Hilde und fährt sie schnurstracks in den Schwarzwald. Dort wohnt er in einem urigen Bauernhof, zusammen mit Johann. Edgar folgt ihm nach, nistet sich dort ebenfalls ein. Später kommen noch Edgars viel jüngere Freundin und deren einigermaßen hyperaktiver Sohn dazu. Natürlich gibt es Reibereien.
Denn Uwe hegt tief verwurzelte Animositäten gegen den Vater, der seine Oma so schnöde in ein schäbiges Altenheim abgeschoben hat; sie wäre doch in der Seniorenresidenz Sonnenhof hier am Ort viel besser aufgehoben. Schließlich ist sie wie eine Mutter für ihn! Der Vater hatte ihn ja als Kind bei ihr abgegeben... Edgar wiederum will auch das Beste für die Mutter, nur soll's ihn auch nicht allzusehr belasten in seinem Leben, das er mit aller Kraft führen will. Edgar gegen Uwe, dazwischen Oma Hilde als Zankapfel und zugleich Waffe, die beide wechselseitig gegen den anderen führen. Und dabei weiß keiner viel über den anderen; und Edgar heißt ja eigentlich wohl doch Johnny, ein Name, der viel besser zu ihm passt.
Dass Uwe schwul ist, dass sein Liebhaber an Parkinson erkrankt ist und wegen seiner Pillen gerne mal durchgeistigt lächelt: Das sind kleine Nebendetails, die den Film so reich machen. Haeb hat ein Gespür für die Charakterisierung seiner Figuren - auch der kleinsten Rollen - aus kleinen Gesten, aus Blicken, aus Bemerkungen, die en passant fallen; er hat ein Gefühl für die eingestreuten Gags, die ganz beiläufig eingeflochten sind. Was dem Film ein bisschen fehlt: Man kann die Figuren nicht wirklich sympathisch finden, zunächst zumindest, sie sind nicht skurril genug, um schrullig zu wirken, aber innerlich, emotional zu verdreht, um für normal zu gelten. Immerhin, wenn wir tiefer in die Geschichte, in diese irgendwie beleidigten und doch aufeinander angewiesenen Wesen eindringen, dann bietet der Film sehr schöne Einblicke in Generationenproblematik, Sohn-Dasein, Männlichkeitsvarianten.
Harald Mühlbeyer