Grindhouse-Nachlese Oktober 2025: Schwarze Plantagenschlange, Zombie-Großangriff und Hurenkiller im Massagesalon
Grindhouse Triple Feature, 25. Oktober 2025, Cinema Quadrat Mannheim:
„Black Snake“, USA 1973, Regie: Russ Meyer
„Großangriff der Zombies“ / „Incubo sulla città contaminata“, Italien/Spanien/Mexiko 1980, Regie: Umberto Lenzi
„Massage Parlor Hookers“ / „Massage Parlor Murders!“, USA 1973, Regie: Chester Fox, Alex Stevens
Russ Meyer, Busenfetischist. Oder: Russ Meyer, Politaktivist? „Black Snake“ von 1973 ist nicht, was man erwarten würde: Russ Meyer begibt sich in antikolonialistische, antirassistische, in humanitäre und freiheitliche Gefilde – gut, das kann man vielleicht sogar von einigen bis vielen seiner Filme sagen, nur: in „Black Snake“ fehlt die ausgewiesene Erotomanie.
In St. Christopher, abgelegene Karibikinsel und britische Kolonie, herrschen nach wie vor Unterdrückerei und Sklaventum, obwohl das britische Königreich die Sklaverei abgeschafft hat. Grund dafür ist das böse Regime von Ms. Susan, die in der Synchro fleißig „Sjusn“ ausgesprochen wird. Sie hat eine Privatarmee, angeführt von Captain Daladier, und sie hält massig Leibeigene für ihre Zuckerrohrernte, beaufsichtigt von Verwalter Joxer. Die beiden sind sich spinnefeind. Und das nicht nur, weil Daladier schwarz ist. Sondern auch, weil sie auf verschiedene Art pervers sind, und weil Sjusn sie fröhlich gegeneinander ausspielt. Mit Joxer verbindet sie die Lust am Auspeitschen, mit Daladier die Lust am Kastrieren.
Meyer zeigt die Welt des 19. Jahrhunderts als gewaltvoll und brutal; Menschenleben gelten nichts, wenn die Menschen Schwarze sind, außer natürlich, sie haben noch ein bisschen Wert zum Arbeiten, dann isses schade, wenn sie sterben müssen. Die Sklaven wiederum sind derart gedemütigt und kleingemacht, dass sie kaum daran denken, dass Macheten schärfer sind als Peitschen (die liebevoll Black Snake genannt werden, von denen, die sie anwenden). Immerhin: Auf Jamaika gibt es Aufstände, und die Sklaven dort wurden befreit! Das gibt den versklavten Massen auf St. Christopher ein bisschen Hoffnung; allerdings widersetzt sich sich Sjusn der britischen Krone, mit inoffizieller Rückendeckung tja, sie bringt ja auch gut Gewinn ein für England.Der Plot: Ein britischer Adliger macht sich auf, um seinen Bruder zu rächen, der einstens Sjusns Ehemann war und nun wohl tot ist. Unter falschem Namen heuert er als Buchhalter an und muss die grausamen Spielchen von Joxer mitansehen, der wahllos auspeitscht, und bekommt auch gleich mit, wie Daladier mit Aufsässigen umgeht, indem der Entflohene vor die Wahl gestellt wird: In der Dünung des Meeres erschossen werden oder zwischen die Kiefer eines Hais zu geraten.
Das Besondere an dem Film ist, dass Meyer wenig Interesse am Reißerischen zeigt – anders als beispielsweise Adrian Hovens „Hexen bis aufsBlut gequält“, der sich an seinen Sadobildern von ausgepeitschten Frauenkörpern weidet. „Black Snake“ zeigt das Auspeitschen – wohlweislich nur von Männerkörpern, auch dies nicht üblich in unserer Grindhouse-Filmsparte – als Folter, als Unmenschlichkeit, als Grausamkeit, aber nicht als etwas, an dem sich der Zuschauer irgendwie aufgeilen könnte. Vielmehr setzt Meyer darauf, die kaputten Sexualkomplexe seiner Sklavenhalter*innen als das zu zeigen, was sie sind. Und zwar so, dass sie auch auf die Zuschauer (und *innen) als, sagen wir, unschön wirken.Joxer, der Sadist, Daladier, der Impotente, Susan, die dauergeile Polyperverse, der es vor allem um ihre Macht geht. Wobei Joxer verknallt ist in Susan, unglücklich, und Daladier ein Intellektueller, der in Paris studiert hat und sein schöngeistiges Privatleben vom brutalen Berufsalltag als Vollstrecker strikt trennt. Und dann ist da noch der alte Sklave, der in religiöser Verzückung die Feindesliebe predigt und so seine Mitleidenden vom Aufstand abhält. Nicht, weil er ein Scherge der Unterdrücker ist, sondern weil er voll auf Gottesgnade und Erfüllung im Paradies steht.
Bis sein eigener Sohn, halbwegs rebellisch, von Susan gekreuzigt wird. Ans Andreaskreuz genagelt, und, weil er auch drei Tage später nicht sterben will, von Joxer vollends totgepeitscht wird. Dann holt der alte Prediger die andere Seite der Bibel raus, den Rachegott, und es geht Schlag auf Schlag; dahin ist die Machtherrlichkeit von Susans Regime.
Und dann ist da noch die Inszenierung, insbesondere die Filmmontage: Die scheint erstmal recht dilettantisch zu sein, das fällt besonders auf in der Sexszene zwischen Susan und dem feschen Engländer Sopwith. Sie verführt ihn, er lässt es sich gefallen, und dann mischt Joxer mit, boxt Sopwith von Susan runter und besteigt sie selbst, die Liebe mit dem einen wird zur Vergewaltigung durch den anderen, der aber wieder runtergeboxt wird, und nicht nur die Handlung wird unübersichtlich, auch die Körper-Bilder, die der Film zeigt, in schnellen Schnitten häufen sich die Kameraeinstellungen übereinander, wie die Leiber umeinander wälzen, und an der Tür steht nun Bottoms, der Onkel-Tom-artige Sklavendiener, der immer lacht, und hier besonders herzlich, und dann taucht ein halbnackter Wilder auf und stürzt sich mit ins Gerangel, wo keiner mehr weiß was oben und unten… Russ Meyer weiß es. Und er weiß, warum er’s das Publikum nicht wissen lassen will. Aus künstlerischen Gründen nämlich. Wo sonst im Exploitationfilm das Unvermögen vorherrscht, da setzt Meyer seine Schnitte sehr genau, speziell in ihrer Wirrheit. Das zeigt sich später, wenn urplötzlich Erinnerungsfetzen auftauchen, in entscheidenden Szenen, die das vorher Gesehene nochmal zeigen, fragmentarisch. (Und im Übrigen musste Meyer in der Sexszene auch noch ein paar Brüste reinschneiden, die nicht der Susan-Darstellerin Anouska Hempel gehörten, bodydoublemäßig. Denn vollends der großen Oberweiten will er sich in diesem Film natürlich auch nicht enthalten.)
Die Filmmontage bezieht sich auf die Traumata der Sklaven, auf die kaputte Welt, in der sie dahinsiechen müssen, auf die Gewalt, die auf sie einprasselt. Die lehnen sich schließlich auf, und es wird grausam von der anderen Seite her. Und Meyer gelingt es, die beiden Seiten zu zeigen: die Unterdrückung als antimenschlichen Akt, und der Widerstand gegen die Unterdrücker als ähnlich brutal, auch wenn’s von den Guten herkommt. Das Ende schließlich ist wieder typisch, da kehren wir in die Gegenwart zurück und zeigen Meyers Utopie: junge Liebende (die Frauen mit großen Brüsten und ohne BH) springen übers Feld, gemischtrassig und fröhlich, und schließlich auch nackt.
Dean Miller ist Nachrichtenreporter und hält viel davon, im Fernsehen immer genau die Wahrheit zu sagen und sich nicht vom Staat oder vom Militär oder vom Sendeleiter vorschreiben zu lassen, was denn nun opportun wäre. Dieser Aspekt des Meinungsfreiheitswilligen geht bald im Film völlig verloren, weil die Zombies kommen. Wobei, „Zombies“: eigentlich nicht. Und im italienischen Originaltitel „Incubo sulla città contaminata“ geht es auch um den Alptraum einer kontaminierten Stadt – tatsächlich hat’s im Kernkraftwerk Probleme gegeben, ein Flugzeug landet, darin massenhaft die Atomifizierten, die mit Messern und Maschinenpistolen die Polizei und das Militär massakrieren – man erkennt sie daran, dass ihnen dunkle Spachtelmasse ins Gesicht geschmiert wurde. Im Lagezentrum hat der Doktor bald herausgefunden, dass die Zellregenerierung drastisch erhöht wurde, die Verstrahlten also zu Supermännern wurden, die nicht sterben können durch Beschuss, außer, wenn das Gehirn zerstört wird. Soweit haben wir es also zwar nicht mit Untoten zu tun, aber mit Unsterblichen, die auch zombiemäßig gekillt werden können mit Parole Kopfschuss. Wegen der Kontaminierung aber zerfallen die roten Blutkörperchen ganz schnell, weshalb die Unholde das Blut ihrer Opfer trinken müssen. So dass Lenzi, und das ist ja eigentlich ganz geschickt, die damals hochschwappende Zombiewelle mit dem ewigen Vampirismus kreuzt; allein, es fruchtet nicht, und hat auch keinerlei weitere Auswirkung. Ebensowenig die genetische Komponente bei der hochwissenschaftlichen Erklärung, dass nämlich die Supermannisierung durch Zellregenerierung übertragbar ist auf die Opfer. Ansteckung der Zombieseuche, klar – nur zeigt Lenzi das nie, wenn er Leichen zeigt. Die sind blutig und haben Bisse im Hals, aber sie regen sich nicht mehr und erstehen auch nicht mehr auf.
Man könnte das ja eigentlich religiös lesen auf umgestülpte Art, wenn die Untoten wiederauferstehen; so ne Art Antijesus, wie in „Black Snake“ vorher sich die Gottesauslegung von liebend gnädig zu grausam rächend sich gewandelt hat. Aber das ist dem Film ganz egal, vielmehr pappt er ein paar Handlungen nebeneinander und erzählt sie parallel, nämlich Dean Miller, der seine Frau – Klinikärztin – sucht, dann Mel Ferrer als General, dem alle Handlungsoptionen gegen die Zombieinvasion in den Händen zerrinnen, und sein Major Warren, der im Hubschrauber rumfliegt und runterguckt und seiner Geliebten, einer Bildhauerin, die wild aussehende Kreaturen erschafft, streng vorgeschrieben hat, die Türen zu verschließen und niemanden reinzulassen. Dazu die Tochter des Generals, die mit ihrem frisch Angetrauten allen Warnungen zum Trotz mit dem Wohnmobil rausfährt, aber das ist schon wieder eine Geschichte, die schnell zuende geht, weil sich die Campingnachbarn als blutrünstige Zombies und so weiter.
Das wirklich Coole: Die Zombies – wenn man sie denn so nennen will – haben wenig von der dumpfen tödlichen Massen bei Romero oder von den kannibalistischen Monstern bei Fulci, nein: sie sind schnell, sie sind klug, sie sprechen sich ab, und sie benutzen Waffen. Bevorzugt Messer, Beile, Sicheln, Schießprügel, auch gerne Knüppel, und dann saugen sie den frisch Niedergemähten das Blut aus, tja.
Auch wenn wir die Wiederauferstehung nicht sehen, werden es immer mehr, und es geht fleißig hin und her, und man könnte auch was rausschneiden (nicht von den Gewalttaten, sondern gerade von den Nicht-Gewalttaten), aber vor allem interessiert uns Zuschauer, wie man eigentlich auf die Idee kommen kann, so einen miesen Volldepp als Hauptfigur zu wählen – Hugo Stiglitz spielt diesen Dean Miller. Ein egoistisches Arschloch, den das Sterben um ihn rum nicht juckt, und seine Frau passt zu ihm, auch ihr geht das Massaker in der Klinik am Arsch vorbei, Hauptsache, die beiden können fliehen. Später hat sie einen hysterischen Anfall, weil sie ja eine Frau ist, und jammert rum, dass keine Hoffnung mehr ist, und watsch!, knallt er ihr eine, und dann knutschen sie und is‘ wieder gut. Als sie Benzin brauchen, besetzen sie die Tankstelle, erstmal Käffchen und ne Kippe, dann merken sie, dass wohl doch nicht so viel Zeit ist für Gemütlichkeit, weil die Zombies dann doch da sind. Sie sind also nicht nur Macho und Machoanhängsel, sondern auch noch doof.
Das Ende hat es in sich, weil der Alptraum der kontaminierten Stadt sich potenziert fortsetzt; aber man merkt halt, dass Lenzi nicht groß Bock hatte auf den Film, und hey: gerade deshalb macht es Spaß, die Trottel auf der Leinwand anzugucken, die vor dem ernsten Hintergrund herumtolpatschern, und wir können drüber nachdenken, warum im italienischen Film gerne sexistische Arschlöcher als Helden gehandelt werden; das hatten wir ja schonmal, im 1975er „Nackt für den Killer".„Massage Parlor“ istgleich Puff, klar. Nur dass Bordelle wahrscheinlich offiziell verboten sind und man das gleiche anders benennen muss. Wobei jeder Bescheid weiß, auch die Polizei, vor allem Kommissar Rizotti, der nämlich gerne zu Gast ist, wenn auch privat. Weil daheim die dröge-trockene Ehefrau wartet, und wenn er da ist, dann nörgelt sie. Deshalb nimmt es Rizotti auch sehr persönlich, dass die Huren, Verzeihung, die Masseurinnen seriell abgeschlachtet werden.
Der Film zeigt die Morde natürlich schön ausführlich, weil sie an nackigen Frauen begangen werden. Und Nackigkeit ist die raison d’être dieses Films. Aber auch Spaß! Damit beginnt es, wenn wir das Massagestudio sehen, und eine junge Frau, und ein verklemmter Herr, der rumstammelt, und sie versucht ihm Geld aus der Tasche zu ziehen, 20 Dollar für oben ohne, nochmal für Hose aus, Höschen kostet noch mehr, und wenn er’s schön haben will 45 Dollar, ach komm, ich mag dich, 30. Und ihm ist das schon lange zuviel. Das ist lustig, ein kleiner Sketch zur Einstimmung, bevor der Killer zuschlägt und Rizotti mit seinem Ko-Kommissar ermittelt. Naja, ermittelt halt, indem er am Tatort den Zeugen am Kragen packt und anschreit, und ansonsten aber nix fragt, so dass wir nicht wissen, wie der Mörder aussieht oder so. Damit alles Geheimnis bleibt. Dann ist einer verdächtig, das ist Mr. Creepy, den George Dzundza spielt, der zugleich Regieassistent war und späterhin gerne als Nebendarsteller in Hollywood genommen wurde. Er wird von Rizotti gleich mal zusammengeschlagen, bis rauskommt, dass gleichzeitig ein weiterer Mord passiert ist.So geht es weiter, es wird nicht ermittelt, und Rizotti verhält sich wie Kommissar Schneider in besten Zeiten, brutal und will gerne ficken, aber jetzt ist er ja beruflich in den Puffs unterwegs, und er lässt an allen seine Wut aus. Wenn er nicht im Bild ist, dann sehen wir schöne Damen schöne Dinge tun. Und wie sie dafür umgebracht werden.
Wobei die Mystery sich auch auf der Tonebene fortsetzt, weil ganz dilettantisch die Darstellerinnen und Darsteller vor sich hinmurmeln, und das Mikrophon ist wohl grade weggedreht, und dann plötzlich kommen die Stimmen ganz klar und deutlich, weil offensichtlich im Studio nachsynchronisiert wurde, aber das Gemurmel bleibt, und wir wissen auch gar nicht, ob das jetzt Voice Over sein soll oder ob die sich unterhalten, kurz, ob die ontologische Dialogebene intra- oder extradiegetisch - - - aber ich schweife ab.
Das ist alles unterste Schublade, und da unten findet man ja oft das, was das Leben interessant macht. Hier haben die beiden Regisseure Chester Fox und Alex Stevens alles getan, um den Krimi uns im Gedächtnis zu halten, während sie ausgelassen ihren Spaß haben mit dem Film, den sie in die wildesten Ecken treiben. Auftritt beispielsweise Brother Theodore, Gaststar, ein irrer Typ mit irrem Sermon, wirr religiöses Gefasel, wobei man nie weiß, ob er nicht Rizotti und Kollege Danny auf den Arm nimmt. Rizotti geht natürlich auf ihn los, sieht aber ein, dass er zu irre ist, um tatsächlich der irre Killer zu sein. (Beispiel für die Logik des Films)Aber das ist nicht das einzig Biblische, und so vollendet sich der Kreis dieses Abends, in dem die Religion größere oder kleinere Subtexte liefert: Beim Sonntagsgottesdienst kommt die Epiphanie, ganz klar: Der Killer geht nach den Sieben Todsünden vor! Und Fox und Stevens erweisen sich als lineare Vorläufer von David Fincher, wenn sie in schnellen Rückblenden zeigen, dass der Kopfstoß in den Spiegel die Eitelkeit bestraft und die Säureverätzungen den Neid, glaube ich, und die eine, die hatte gesagt, dass ihr letzter Freier, Verzeihung: Kunde doof war, und deshalb wird sie für ihren Zorn gerichtet. (Letzteres muss man sich als Zuschauer selbst zusammenreimen, kommt nur sehr rudimentär subtil im Film rüber, und vor allem kann der Killer ja nix wissen von ihrem Lästern über ihren Klienten, aber das ist die Logik des Films.)
Danny hatte sich in die WG-Genossin der ersten Freundin verliebt, und sie haben auch einen schönen Sonntag zu lyrischer Filmmusik verlebt, Picknick im Park, hach, und jetzt weiß er, dass sie im Lust-Massage-Parlor arbeitet, und schon ist sie wegen Wollust gerichtet, und er ist am Boden zerstört, aber aus irgendwelchen Gründen wissen die beiden Polizisten, weil sie ja gut sind, dass der Mörder jetzt diese eine andere drannehmen will, die sich aber wehrt, und er liegt brennend am Boden. Davon lässt sich Rizotti nicht abhalten, er jagt ein paar Kugeln hinterher, und so erweist auch er sich als linearer Vorläufer von Brad Pitt, auf der Jagd nach dem Siebener-Killer.
Harald Mühlbeyer
 





