Grindhouse-Nachlese April 2024: Nackt für den Killer und CIA-Klauen

 „Nackt für den Killer“ / Der geheimnisvolle Killer“ / „Die Nacht der blanken Messer“ / „Strip Nude for Your Killer“ / „Nuda per l’assassino“, Italien 1975, R: Andrea Bianchi

 

„In den Klauen des C.I.A.“ / „Die Todesfalle des C.I.A.“ / „Ninja in the Claws of the CIA“ / „

Natürlich ist der Film frauenfeindlich. Die meisten Grindhouse-Filme sind das. Das ist ja Teil des Vergnügens, aus heutiger Sicht: Dass man reintaucht in ein sleazy Zeitalter, dass man den ganzen misogynen Mist durchschaut, sich wundert, sich schlau vorkommt, dass man im Vergleich sieht, dass heutzutage doch alles viel besser ist. Aber andererseits auch: Weil heute sowas nicht mehr gemacht hat, freut man sich auf diese Zeitreise in eine vollkommen andere Ära, setzt sich hinein in ein merkwürdiges mindset: Aus diesem heraus wurden die Filme gedreht, und mit diesem wurden die Filme geguckt, von irgendwelchen Herren, die daran etwas Erregendes fanden, vielleicht nicht mal sexuell, sondern einfach nur einen Thrill, einen Kitzel, und vielleicht auch das Ausleben der eigenen frauenfeindlichen Triebe beim Kinobesuch.

Heute steht man drüber, man guckt meta, und man erfreut sich an der ersten Szene: Eine Frau, nackt im Gynäkologenstuhl, wenn die Kamera zwei Zentimeter weiter runter gerichtet wäre, hätte man tiefste Einblicke. Der Doktor schraubt an und in ihr rum, die Dame stöhnt, und es könnte durchaus lustvoll sein – ist aber ihr Todesröcheln. Verdammt, murmelt der Doc, im Sinne von: Nasowas, schon wieder. Die Frau ist hopsgegangen, und mit nem Kumpel schleppt er die Leiche heim in die Badewanne, damit sein Tun verborgen bleibt…

Zwei Szenen später: Ein Hallenbad, eine Menge Männer lümmeln rum und kommentieren eine „heiße Schnitte“, die mit wiegenden Hüften vorbeischreitet, und der kecke Carlo scharwenzelt ihr hinterher, den Fotoapparat im Anschlag, mit dem er den knapp bedeckten Hintern ablichtet. An der Bar macht er sie an, obwohl oder gerade weil sie sich das Fotografieren verbittet, weil sie sieht ja super aus, und er als Fotograf sucht Models, und sie ist perfekt, naja, etwas pummelig am Bauch, aber weißt du, was da hilft? Sauna! Sie weiß, wie sie auf Männer wirkt, und sie genießt es, und in der Sauna zieht sie blank. Und bemerkt, dass der Fotoapparat ja gar nicht klickt – alles nur fake? Egal. Sie bumsen. Und Carlo lässt sich auch nicht stören, als seine Freundin reinkommt und sauer ist.

Er ist aber doch tatsächlich Fotograf, beim Studio Albatros, und um dieses Fotoatelier wird sich nun alles kreisen. Und zwar hat der Film zwei Impulse: Einmal das Hin und Her und Drumherum um Fotoshootings, Casting Couches und Rumvögeln, wie es ja bei jedem Fotostudio gang und gäbe ist – dieser Aspekt des Films behandelt den Voyerismus, und zwar total affirmativ: Frauen sind zum Ausziehen und Ansehen da, zum Ablichten, und dafür, dass der Film das Ablichten en detail bebildert. Der zweite Impuls sind die Morde, die sich rund um die Atelierbelegschaft abspielen, heftige Killings durch einen Täter in Leder-Motorradkluft, behelmt und mit langem Messer bewaffnet, der nach und nach alle abmurkst. Dies ist der vorwärtstreibende Strang des Films, bei dem ein paar originelle Mordideen zu erkennen sind, der das typischen Giallo-Rätsel aufbaut, das sich dann am Schluss genregerecht ins Uninteressante hin auflöst. Das Schöne an dem Film ist, dass er doch recht Unvorhersehbar ist, weil ständig jemand wegen Tod wegfällt, und es ziemlich lange unklar bleibt, wer denn nun Final Girl sein wird – also zusammen mit Carlo überleben wird. Weil dass der durchkommt, ist bald klar, er ist der Held des Films, wenn man so will.

Das ist die weniger schöne Seite des Films: Dass dieser Carlo als Held gehandelt wird. Wo er doch so ein Arschloch ist, wie wir es in der ganzen langen Geschichte der Cinema-Quadrat-Grindhouse-Double-Features bisher kaum je gesehen haben!

Sexistisches Schwein, aufbrausender Idiot, schmieriger Drecksack, Frauenvernascher und -missbraucher. Wie er beim Fotografieren mit den Models umgeht, sie anpflaumt und so weiter! Wie er die Weiber nimmt und fallen lässt, wie’s ihm seine Triebe einflüstern! Wie er Magda, die Assistentin, dominiert nach Gutdünken! Spät im Film, da ist sie im Atelier, und der Killer ist unterwegs, und das Licht geht aus, und er, aus dem Bett im Krankenhaus, mansplaint, was sie machen soll! Ach, das ist sicher nur die Sicherung. Der Kasten ist beim Eingang, mach dir keine Sorgen! Aber mach das jetzt halt so, wie ich sage, und nimm die Pistole mit, aber keine Angst, mach dir keine Sorgen! Wie man halt mit kleinen Mädchen spricht, wenn man Mann ist.

Bianchi verbindet seine beiden Sphären recht gut. Die Atelierchefin ist eine harte Lesbe, die ihre Models gegen Sex einstellt, das führt dazu, dass die Dame aus der Sauna bei ihr landet und nackig durch die Wohnung wandert, und der Wasserhahn in der Küche läuft, und sie macht ihn aus, und dann läuft der Wasserhahn im Bad, und sie will ihn ausmachen und wird vom Motorradfahrerkiller gekillt. Später läuft der Mann der Lesbe durchs Haus und die Wasserhähne laufen, und weil er offenbar im höheren Level ist, nimmt er aus Vorsicht ein Messer mit, wird aber trotzdem vom Motorradfahrerkiller gekillt. Der Mann ist ein notgeiles Würstchen zum comic relief, wir haben schon gesehen, wie er eines der Fotomodels vergewaltigt hat, weil sein Trieb so stark war, sie hat es dann über sich ergehen lassen, also alles gut.

Die ganze Anlage des Films federt die Arschlochigkeit des Carlo-Helden ab, weil alle so ähnlich drauf sind (Carlo freilich hat die Mittel dazu, seine arschige Neigung voll auszuleben). Und das Happy End, das Happy End! Da ist Carlo mit seiner Loverin im Bett, und der Killer ist überwunden, und was nun noch bleibt zum Glück ist Analsex.

 

Ja wirklich! Und mit diesem schrägen, aber ernstgemeinten Glück verbindet sich der erste Film des Abends mit dem Zweiten: „In den Klauen des C.I.A.“ aka „Die Todesfalle des C.I.A.“ endet mit zwei Männerndie sich schwören, fortan unverbrüchliche Freundschaft, eine wunderbare Beziehung zu führen. Also „Casablanca“, aber in einem plötzlichen und unvermuteten schwulen Kontext. Und ich glaube, der Film merkt das gar nicht. Naja, er merkt vieles nicht. Beispielsweise, dass der Bruder des Helden John, ein Vietnamveteran, plötzlich nicht mehr gelähmt ist, als er am Ende nochmal auftaucht – Regisseur John Liu spielt persönlich die beiden in einer Doppelrolle, John, den desillusionierten Superkämpfer, und James, den (zunächst) rollstuhlsitzenden Veteranen, der seinen Scheitel anders trägt und der John dazu bringt/zwingt, sich beim CIA zu verdingen. Das setzt den ganzen Film in Gang, der sich nun von Kampfszene zu Kampfszene weiterhangelt, vieles davon ist Ausbildung, manches auch ernst, aber alles auf jeden Fall gut gemacht! Die Martial Artists sind Künstler ihres Faches, Artisten der Kampfkunst, Liu macht hohe Kicks, dass es ein Lust ist!

Es ist nicht so ganz einfach, die Handlung nachzuvollziehen. Es geht, kurz gesagt, darum, dass die Russen eine neue Kampfmethode entwickelt haben, nämlich Hypnose bzw. Selbsthypnose der Soldaten, die damit alles vergessen und den reinen Tötungstrieb ausleben Ja, auch der Geschlechtstrieb ist ausgeschaltet, das fragt Col. Sanders explizit nach! Sanders wird gespielt von Christian Anders, der Schlagersänger, der sichder Kampfkunst ergeben hat und hier einen Gastauftritt hat – Gastauftritt auf merkwürdige Art: Er bringt John ins CIA-Ausbildungscamp und verschwindet dann aus dem Film. Einfach weg! Dafür kommt eine schöne laszive Dame ist Spiel, die so ein bisschen kämpfen tut, aber es nicht wirklich kann, und John hält ihr Bein gerade, ums zu zeigen, und tätschelt ihren Popo, aber eigentlich widersteht er ihren Verführungskünsten. Dafür wird er in die Intrigen von Pasco verwickelt, den Offizier, der ihn hasst und was weiß ich warum.

Jedenfalls interessant ist, dass alles Szenen mit hypnotisierten CIA-Soldaten nur in der spanischen Fassung vorkommen, nicht in der internationalen, und dass diese Szenen daher auf spanisch mit engl. Untertiteln zu sehen sind. In diesen Szenen gibt Pasco per Funkgerät Anweisungen, wie John angegriffen werden soll, oder wie die Soldaten ein süßes weißes Kaninchen packen und zerreißen sollen (das funktioniert dadurch, dass die Schauspieler rote Farbe auf den Karnickel schmieren und so tun als wär er tot). Im Wald sehen wir John bei seiner Kampfmeditation, und sein hypnotisierter Kumpel greift ihn an, und die hypnotisierte Frau schmiegt sich lasziv an einen Baum und dann lasziv an John, und dann kniet sie vor ihm, aber wir sehen nicht, was sie macht, nur, dass John sich total beherrschen muss, um nicht… Naja, egal, warum genau der CIA-Offizier dem CIA-Ausbilder mit allen Mitteln reingrätschen will, ist völlig unklar, vor allem, wo John doch der einzige in ganz Amerika ist, der die Selbsthypnose beherrscht und damit die US-Soldaten den Russen gleichstellen kann!
Jedenfalls flieht er mit einer Geliebten, und die wird von Tauchern getötet, und dann hat er eine Geliebte in Paris, und die wird auch getötet, weil CIA überall seine Leute hat, auch wenn das Trottel sind, und die Pariserin hat zwei Kinder, und das macht John schon richtig doll wütend, und in Spanien, da findet das Finale statt. Aber eigentlich ist sowieso so ziemlich alles in Spanien gedreht, auch und gerade die Szenen, die in Kalifornien spielen sollen. Man sieht das daran, dass Kisten und Flaschen immer spanisch beschriftet sind.

Einen Kampf gibt es im Keramikladen, und das gäbe eine Menge Möglichkeiten, aber die bleiben ungenutzt, und nur ein paar wenige Teller gehen kaputt, die ganzen Vasen und Töppe, die im Freigeländer drapiert sind, bleiben unangetastet! Wahrscheinlich, weil das Budget des Films nur einen ganz kleinen Posten für verscherbelte Töpferware vorgesehen hat.

Am Flughafen der Höhepunkt, irgendwie will der CIA-Direktor im Hubschrauber weg, tut das aber nicht, sondern es gibt viel Palaver, und ein paar Hypnotisierte tauchen auf, und Kampf und so. Und irgendwie geht es um wichtige Geheimdokumente, die John anscheinend hat mitgehen lassen, was wir bisher nie gesehen haben, aber jetzt sind alle hinter einem Aktenkoffer her. Und wir beginnen zu ahnen, warum im ganzen Film immer wieder chinesische Gesichtsmasken aufgetaucht sind, bei irgendwelchen Random-Leuten, die sie aufhaben, und im Wald an den Bäumen, die John zerhaut: Jetzt, am Ende, da haben wieder welche diese Masken auf, und zwar soll der eine offenbar Pasco darstellen, aber dessen Darsteller war möglicherweise nicht mehr verfügbar, aus dem Film gefallen wie lange zuvor Christian Anders, und jemand musste ihn doubeln, und das geht am besten mit Vollgesichtsmaske.

Dann Explosion, und vieles bleibt ungeklärt, außer dem Beziehungsstatus zwischen John Liu und Johnny Wong.

 

Harald Mühlbeyer