Grindhouse Nachlese November 2024: Geburtstags-Slasher und Kampfgigant
Grindhouse Double Feature, 23. November 2024, Cinema Quadrat, Mannheim:
„Ab in die Ewigkeit“ / „Happy Birthday to Me“, Kanada 1981, R: J. Lee Thompson
„Der Kampfgigant“ / „Double Target“, Italien 1987, R: Bruno Mattei
Zunächst eine Ergänzung zum September-Grindhouseknaller„Ninja: Champion on Fire“ – hier habe ich nach intensiver Recherche die Rätselfrage nach der Musik gelöst. Es ist tatsächlich „Tubular Bells“, und zwar ungefähr nach zwei Dritteln auf der zweiten Schallplattenseite. Die Frage bleibt, warum Google das nicht wusste. Da muss Mike Oldfield offenbar seine digitale Präsenz erhöhen.
Im November dann ist ebenfalls gewaltige Musik zu hören, aber woher die zusammengeklaubt ist, das kann ich nun auch nicht sagen. Vielleicht sogar originaler Soundtrack, immerhin wird Stefano Mainetti als Komponist geführt. Man weiß es nicht, auf jeden Fall ist die Musik ansprechend martialisch, denn es geht um eine Mission im Dschungel von Vietnam, die „Der Kampfgigant“ durchführt, weil er seinen Sohn sucht. Und weil ihn Donald Pleasance als Bürokratenarschlochsenator dazu anstiftet, in der nationalen Sache, dort die russisch-kommunistischen Terroristen auszuspähen. Dies tut der Kampfgigant ganz ordentlich, nämlich mit vielen (und immergleichen) Explosionen. Damals war Benzin noch billig, das einfach so in die Luft gejagt, mit einer Menge Granaten, die auf unschuldige Holzbaracken abgefeuert werden…
Es ist ein Heidenspaß, nicht umsonst ist der „Kampfgigant“ sowas wie ein Klassiker des Trashfilms. In der Hauptrolle Miles O’Keeffe als Bob Ross, und das ist schonmal einer der großen Gags, denn er ist alles andere als ein Hippie-Landschaftsmaler, vielmehr ein muskelgestärkter Typ, der erstmal mit nacktem Oberkörper in seinem Zimmer guckt und dann zum Kühlschrank geht. So wird er uns vorgestellt, dann wird er in der vietnamesischen Botschaft getriezt und von den Russen fast umgebracht, die erste Ballerei, die ersten Explosionen, ein amerikanischer Hubschrauber… Was sich aufregend und spannend anhört, ist tatsächlich über weite Strecken langweilig. Und weil es langweilig ist, ist es super, denn Langeweile gehört nun mal so gar nicht ins Konzept eines Actionknallers.
Ziemlich am Anfang seiner Mission besucht Bob Ross seinen Sohn in dessen vietnamesischen Dorf, den hat er noch nie gesehen, aber damals, im Krieg, mit einer Vietnamesin gezeugt. Der Sohn ist zwölf oder so, und der Vater steckt ihm ein Foto von sich selbst mit der Mama zu, Worte werden nicht gewechselt, aber für den Papa ist klar: Der Sohn liebt ihn, weil er ihn so sehr dringend rausholen will und in die USA und dort ist das Leben gut, und überhaupt, der Sohn ist sein Fetisch.
Was wir im Folgenden sehen, ist die lange Geschichte der Entführung dieses Sohnes, der gegen seinen Willen durch Quasi-Krieg mit russischen Soldaten und vietnamesischen Terroristen außer Landes gebracht werden soll, von einem Typen, den er nicht kennt, und den er hasst. Das Schöne ist, es geht gut aus, weil nach viel Tod und Leid und Explosionen sagt der Junge „Papa“, und er will „heim“ in die USA. In der Zwischenzeit ist beispielsweise der Kumpan vom Vater im Minenfeld verreckt (nicht, ohne ein paar böse Feinde mitzunehmen, indem er sich mit letzter Kraft mit einer Handgranate in der Hand auf eine der Minen wirft), es gab Kopfschüsse, eine Vize-Kumpanin wurde aufgetan, die ist ungefähr 30, soll aber wohl eine Teenagerin spielen (jedenfalls gibt es keine Erotik zwischen Bob und ihr). Ihr Vater ist einer von denen, die im Maschinengewehrkugelhagel starben, und das geht so: Schreien, Arme hochreißen, dann bersten viele kleine Löcher ins Wams, und das alles in Zeitlupe, also wirklich langsam, damit man’s genießen, sprich: damit man so richtig mittrauern kann, dass wieder einer sinnlos zu Tode gekommen ist.
Und „Bob Ross“ ist kein schlechter Heldenname, weil der Film aus seinen vielen happy little accidents das Allerbeste rausholt.
Was so ziemlich das Gegenteil ist vom ersten Film des Abends, dem Horror-Quasi-Slasher „Ab in die Ewigkeit“, der im Original den sehr viel schöneren Titel „Happy Birthday to Me“ trägt. Es hat sich wer gedacht: Klar, diese aktuellen Horrorfilme, die hängen ja alle an so’nem besonderen Tag, Halloween, Freitag der 13., Valentin und so… Geburtstag! Das ist es! Und man kann sich vorstellen, dass das so ein Möchtegern-Berufsjugendlicher war, der die Idee „klasse“ findet und dann so: Kinder, das ziehen wir durch!
Zieht aber nicht wirklich. Und zwar wegen seiner Widersprüche. Regisseur: J. Lee Thompson. Ein Veteran, und das ist das Problem: Thompson ist zu gut. Er weiß, wie er die Kamera setzen muss, wie er Atmosphäre gestaltet, aber ihm steht der große Feind „Handlung“ gegenüber, und dagegen kommt er nicht an.
Es geht um zehn Schülerinnen und Schüler, die dem „Top Ten“-Club der Schule angehören, also alles Klassenbeste. Die haben ihre Clique, das ist so ein bisschen wie bei Pepe Nietnagel, weil sie immer gerne Streiche spielen an der Schule, einfach deshalb, weil sie sichs leisten können von der schulischen Leistung her. Und von ihnen werden immer mehr Leute umgebracht. Durchaus einfallsreich: Einer wird von seiner Hantel beim Bodybuilding erdrückt, dem anderen den Schal in die laufende Kette seines Motocross-Motorrads gehängt. Virginia ist mittendrin, und mehr und mehr enthüllen sich ihre psychischen Dysfunktionalitäten. Die nämlich von einer experimentellen Behandlung herrühren: Die Gehirnzellen wurden per Stromstößen angeregt, um sich zu regenerieren und wieder zu wachsen, offenbar war zuvor ein schlimmer Unfall geschehen. Immer wieder blicken wir zurück auf diese OP-Tortur, und ihr Psychiater, den sie vertraulich „David“ nennt, der versucht nach Kräften zu helfen. Gespielt wird er von Glenn Ford, ja Mensch, ein waschechter Star!
Allerdings scheint er nicht wirklich bei der Sache zu sein, meistens guckt er nur und sagt irgendwas Belangloses. Auch er kann nicht verhindern, dass der Film immer mehr in Quatsch abdriftet, bis zu einer hanebüchenen Auflösung, die, ja was weiß ich wer sich sowas hat einfallen lassen!
Das Problem des Films: Wäre irgendein lustiger Quatschfilmer, Format Jess Franco oder schlimmer, auf dem Regiestuhl gesessen, dann wäre das alles nicht so gediegen, sprich: wirkungsvoll altmodisch, inszeniert worden, sondern als wilder Blödsinn mit dem Zeug zum Grindhouse-Klassiker. Weil die Handlung würde das locker hergeben. Aber Regisseur Thompson, Jahrgang 1914 und immerhin mit den „Kanonen von Navarone“ und dem ersten „Cape Fear“ im Filmografie-Gepäck, da scheint so ein Wille vorhanden gewesen zu sein, einen wirklich „guten“ Film zu machen. Und dass der Film das gar nicht hergeben kann, das macht ihn „schlecht“. Aber auf interessante Weise – nämlich ganz anders als die „schlechten“ Filme, die so „schlecht“ sind, dass sie schon wieder „gut“ sind, sondern als „guter“ Film, der so „schlecht“ ist, dass er schon wieder auf „schlechte“ Weise „gut“ ist. Zwiespältige Gefühle. Immerhin konnte einen der „Kampfgigant“ dann im Anschluss wieder auf grindhousige Gleis der Eindeutigkeit setzen.
Harald Mühlbeyer