Grindhouse-Nachlese September 2013 – Sieben auf einen Streich
28. September 2013, Cinema Quadrat Mannheim: Grindhouse
Day & Night
„Daikaijû kettô: Gamera tai Barugon" / „Gamera vs. Barugon“,
Japan 1966, Regie: Shigeo Tanaka
„L’uomo che viene da Canyon City“ / „Die Todesminen von
Canyon City“ / „Keine Gnade für Verräter“, Spanien, Italien 1965, Regie:
Alfonso Balcázar
„Double Nickels“ / „Mit Vollgas durch die Hölle“, USA 1977,
Regie: Jack Vacek
„Enter the Ninja“ / „Ninja – Die Killer-Maschine“, USA 1981,
Regie: Menahem Golan
„Linda“ / „Die nackten Superhexen vom Rio Amore“, Spanien,
Deutschland 1981, Regie: Jess Franco
„Nightmare in a
Damaged Brain“ / „Nightmare“, USA 1981, Regie: Romano Scavolini
„Trouble Man”, USA 1972, Regie: Ivan Dixon
Sieben Filme in vierzehn Stunden sind per se schon mal keine
schlechte Bilanz. Wenn von diesen sieben Filmen ganze vier gut sind,
dann ist das unterm Strich mehr, als man erwarten könnte – zieht man in
Betracht, dass es sich bei all diesen Filmen um Trash handelt, um genau die
Schundware, die unsere Jugend verdirbt. Und zwar unsere Jugend seit den
1960ern! Kein Wunder, dass die Welt ist, wie sie ist!
Wobei auf verquere Weise natürlich auch und gerade
Grindhouse-Filme den Finger auf die Wunden der Zeit legen; deutlich im ersten guten
Film, „Gamera vs. Barugon“. Der zweite Teil der Gamera-Filmreihe, ein
Konkurrenzprodukt zum erfolgreichen Godzilla, in dem dankenswerterweise die
ersten Minuten ein „Was bisher geschah“ destillieren: Kampfflugzeugabsturz in
der Arktis, versehentlich geht eine Atombombe los, zack: Gamera wird
freigeschmolzen und zerstört Japan. Gamera: Das ist eine feuerspuckende
Riesenschildkröte; wenn sie die Füße einzieht, kann sie durch die Löcher in
ihrem Panzer per Düsenantrieb fliegen, das ist sowas wie eine fliegende
Untertasse. Nur in lebendig und echt. Im ersten Film war sie am Ende auf den
Mars geschossen worden; durch eine wirklich unglückliche Asteroidenlaufbahn
wird sie zurückgeschleudert und macht erstmal einen Staudamm kaputt. Die
Arbeiter und Ingeniere rennen panisch umher, der Vorgesetzte gibt Anweisungen:
Am Tor fünf den Strom abschalten! (das wird innerhalb weniger Minuten gleich
zweimal angewiesen), nützt aber nichts, Katastrophe ist nicht aufzuhalten. „Wir
haben getan, was wir können“, seufzen die Opfer, und man weiß nach dieser
Szene, wie es seit März 2011 in der Tepco-Zentrale zugeht: die Unteren tun
nichts, die Oberen befehlen nur Unsinn, und alles ist Schicksal. Jaja, die
japanische Mentalität.
Gierig sind die Schlitzaugen übrigens auch. Zwielichtige
Typen unternehmen eine Expedition nach Polynesien – und das hat jetzt erstmal
gar nichts mehr mit Gamera zu, der wahre Fan wird sich jetzt zu langweilen
anfangen; denn die Superschildkröte hat sich in einen Vulkan zurückgezogen und
wird nur noch zu zwei Szenen später im Film auftauchen (dann aber mit Macht…).
Jedenfalls ist jetzt Abenteuerfilm angesagt, ein Opal in einer geheimnisvollen
Höhle voller giftiger Skorpione im Tal der Regenbogen; ein Tabu-Ort für die
Eingeborenen, zu denen glücklicherweise auch ein japanischer Arzt und seine
hübsche Krankenschwester gehören. Jedenfalls: Merken muss man sich Onodera, das
ist der böse Gierhals, der über Leichen geht; und Keisuke, der Gute unter den
Zwielichtigen, der aber erstmal verletzt zurückbleibt. Während Onodera den Opal
mit nach Japan nimmt, dummerweise das Infrarotlicht in seiner Kabine anlässt –
und sich der Opal als Ei entpuppt. Ein Ei, aus dem Barugon schlüpft, seines
Zeichens Monsterechse mit Riesenzunge, aus deren Spitze er einen Kältestrahl
schießen kann. Rasch wird Kobe zerstört.
Dann geht es ins Landesinnere, währenddessen killt Onodera
noch ein paar Leute auf der Suche nach dem vermeintlichen Opal, Keisuke tritt
auf, im Gefolge hat er die Krankenschwester, er und Militär und Wissenschaft
suchen nach Wegen, dem Monster beizukommen, die Gier Onoderas ist ein bisschen
im Weg dabei und so weiter – das ist ja auch alles egal, wichtig ist: Bei
Bedrohung aus der Ferne entsendet Barugons Rücken einen Regenbogen als
Fernwaffe, der zum Beispiel japanische Kanonen zum Schmelzen bringt. Also: Für
die Nähe Kältestrahl, für die Ferne Regenbogen. Im Übrigen ist er wasserscheu, wenn
man Barugon mit Wasser bespritzt, bewegt er sich nicht mehr, das ist ganz OK,
weil zu diesem Zeitpunkt der Film eh auf der Stelle tritt.
Die Echse liebt auch das Leuchten von Diamanten. Die
Diamantentrategie funktioniert trotzdem nicht, 5000 Karat sind zuwenig, man
muss die Brillanz verstärken mit einer Maschine, die eigentlich zur Generierung
eines Todesstrahls mittels eines Rubins dient. Zwischendrin übrigens tritt
Gamera auf, um das Durcheinander perfekt zu machen: Er wurde von der Energie
des Regenbogens angelockt, wird nach einem heftigen Kampf der Supermonster aber
schockgefroren.
Später versuchten die Militärs es mit der Operation
Rückspiegel: Eine Parabolantenne mit Quecksilber-Bespiegelung soll den
Regenbogen aufs Monster zurückwerfen, was nur halb gelingt. Als deus ex machina
muss Gamera wieder auftau(ch)en, um im Endkampf die Katastrophenechse zu
ersäufen. Und dann zu verschwinden, bis zum nächsten Film der Gamera-Reihe.
In der aufsteigenden Reihenfolge des Spaßfaktors folgt nach
diesem Matinee-Film die Spätnachtvorstellung: Blaxploitantion mit dem „Trouble
Man“, sprich: Mr. T, der im Kiez der gute König ist. Im Billardsalon hält er
Hof und regelt die Dinge – gegen einen geringen Obulus seiner Untertanen. Der
Bruder von einem wieder mal im Knast? T. kann die Kaution stellen; aber wenn
die flöten geht, dann geht’s dem Halunken ans Leder! Ein Mietshaus in so schlechtem
Zustand, dass ein Kleinkind durchs marode Treppengeländer fällt? Kurzer Besuch
beim (weißen) Immobilienverwalter, und seine starke Präsenz und sein
einnehmendes Charisma überzeugen, der Bonze spurt: Besuch im Krankenhaus,
Übernahme der Kosten und Versprechen, das Haus zu sanieren… Klar, dass T. auch
ein super Billardspieler ist, der damit locker aus dem Handgelenk ein paar
hundert Dollar nebenbei einnimmt.
Auftritt Chalky. Der hat illegale Glückspiele laufen, auf
der „schwarzen“ Seite der Straße kontrolliert er, auf der „weißen“ der Kompagon
Pete: Diese abendlichen Pokerrunden werden regelmäßig überfallen, T. soll
herausfinden, warum, für 10.000 Dollar. T., selbstredend mit
Privatdetektivlizenz ausgestattet, macht sich an die Arbeit – und wird verwickelt
in einen Mordfall, in Täuschung, in einen Bandenkrieg, inmitten der Fronten
zwischen Kiez und Cops, zwischen schwarz und weiß.
Einen tollen Plan haben sich Chalky und Pete ausgedacht: Sie
fingieren einen Überfall auf die eigene Pokerrunde, einen fetten Typen in
blauem Anzug nehmen sie als Sündenbock, der von hinten erschossen wird. Wie
sich herausstellt: Einer der Handlanger von Big, einem weiteren Kiezgranden,
dem sie damit nicht nur die angeblichen Überfälle in die Schuhe schieben, nein:
auch T. gilt plötzlich als Mörder. Zumal die Polizei ihn eh auf dem Kieker hat:
Dreihundertdollar-Anzüge, aber keine richtige Beschäftigung, und zudem Lizenzen
für alles, vom Waffenbesitz bis zum Diamantenhandel…
Ist das nicht eine dolle Noir-Konstellation? T., der gute,
einsame König, an dessen Stellung gerüttelt wird – von denen, die er für
Freunde hielt, und von der Polizei, der er fast schon zu viele Schnippchen
geschlagen hat. Er bekommt die ganze Schuld des Schwarzen- und des
Weißen-Ghettos auf seinen Schuldern geladen und muss mit dieser Bürde zwischen
den Fronten zu tanzen beginnen.
Gefilmt ist das im bunten Blaxploitation-Stil, aber ganz
ohne Albernheiten, sondern straight auf die Spannung zielend, und auf die
Rachevorbereitungen von T., der alles recht schnell durchschaut. Der aber zuvor
noch einen weiteren Mord, nämlich den an Big persönlich, ummodeln und seinen
Kumpel und seine Freundin in Sicherheit bringen muss. (Apropos Freundin: Die
ist ihm hörig, er gibt ihr Befehle, sie fragt nicht, sondern führt aus. Ihre
Tätigkeiten: Sie singt, spielt Klavier, liest Zeitschriften. So war das damals
in den 70ern!)
Wie T. sich nun einschleicht bei Chalky, einen Handlanger
nach dem anderen tötet, sich dann aufmacht zu Pete ins weiße Viertel, sich das
Hochhaus ins Penthouse hocharbeitet, wo Schurken mit großen Wummen auf ihn
warten: Das hat was, gerade weil es weniger als Superhelden-Rache inszeniert
ist, sondern als die Notwendigkeit des Königs, sich auf dem Thron zu halten;
eines Königs, der unwillentlich in eine Fehde geraten ist, der benutzt wurde
und nun mal nicht anderen, sondern sich selbst helfen muss. Und helfen kann.
Auch wenn es diesmal keinen direkten Profit bringt.
„Nightmare in a Damaged Brain“: Ein fieser Film, der sich
ins Gehirn des Zuschauers hineinwindet und dort sitzen bleibt wie eine Trichine
im Speck. Kein Wunder, dass er als Video nicht vertrieben werden darf, Paragraf
131 etc. Ein Glück, dass wir hier im Kino sitzen. Und dass wir in den Genuss
einer 35mm-Kopie kommen, zur Verfügung gestellt von einem fanatischen Sammler,
der den Film in allen, wirklich allen Erscheinungsformen besitzt (außer
vielleicht das britische Master für die VHS-Produktion).
Ein völlig geschädigtes Gehirn, ein Film über die Psyche
eines Psychopathen, in die der Zuschauer nolens volens hineingeschleudert wird.
Ein Alptraum – direkt zu Filmbeginn: Der abgehauene Kopf einer Frau, blutig auf
der Bettdecke, und sie schlägt die Augen auf. Purer Horror für George Tatum,
der schreiend erwacht. Und vom Psychiater befragt wird. Und medikamentös
ruhiggestellt wird. Und wieder einschläft. Und wieder alpträumt. Während in
Florida, in einem kleinen Häuschen, ebenfalls der Horror zuschlägt, für die
Babysitterin, die vom zehnjährigen Lausebengel in den Wahnsinn getrieben wird…
Man kennt sich nicht aus, trotz der klaren
Kapitelüberschriften: Erste Nacht in New York, erste Nacht in Florida. Und erst
allmählich versteht man die Zusammenhänge, als nämlich George abhaut aus der
Psychiatrie, was den shrink – typisch mit Vollbart und weichgespülter
Birne – kaum juckt. Er hat ja dieses neue Psychomedikament bekommen, kann ja
gar nichts passieren. Dass er in eine Peepshow geht – OK. Dass er eine Frau,
die abends alleine zuhause ist, killt: nuuuun… Er braucht schließlich ein Auto.
Um nach Florida zu gelangen. Richtig: in dieses Haus mit den drei Kindern und
der überforderten alleinerziehenden Mama, die keinen richtigen Bock aufs
Muttersein hat und lieber mit dem Boyfriend aufm Boot rummacht… Und der von
diesem ungezogenen Satansbraten von Sohn andauernd böse Streiche gespielt
werden, so dass man ihr ihr Verhalten nicht verdenken kann…
Gegen George Tatum stellt sich ein Mann; einer, der mit
seinen weich-gedunsenen Körperrudnungen und der Fistelstimme auch eine dicke
Frau mit aufgeklebtem Schnurrbart sein könnte, so eindeutig ist die
Geschlechtlichkeit nicht. Ebensowenig wie sein Status, wahrscheinlich ist er
Polizist, vielleicht auch eine Verkörperung himmlischer Gerechtigkeit, die
leider immer wieder zu spät kommt. Dieser Ermittler hat einen Computer, den man
alles fragen kann, der im zeitgenössischen grünfarbenen textbasierten Programm
weiß, wohin der Mörder als nächstes fahren wird, eine Art Google lange avant la
lettre. Und er (sie?) ist der einzige, der um die Gefährlichkeit von George
weiß, das macht den Zuschauer noch rasender – denn schließlich kommt George in Florida
an. In der schönen Kleinstadt mit dem schönen Häuschen, wo CJ, der junge
Bengel, wohnt, wo die Mutter ganz ahnungslos ihr Leben lebt. Wo der Mörder nun
sein Unwesen treibt.
Unglaubliche Szenen am Bootshaus, wo CJ spielt. Wo eine
Teenagerin nach ihm sieht, das Haus betritt, einen Streich vermutet, in die
höheren Stockwerke gelangt… wo einer lauert, im Dunkeln… Wo dann, um die
Schraube noch weiter zu drehen, ein Freund von CJ diesen ebenfalls sucht,
ebenfalls ins Haus reingeht… ebenfalls nach oben steigt… dort die entstellte
Leiche der Teenagerin sieht… der letzte Schock in seinem Leben…
CJ hat ohnehin der Ruf eines Soziopathen. Vielleicht hat er,
der Zehnjährige, die beiden gekillt? Die Polizei vermutet dies. Er ist auch
reichlich ungerührt beim Anblick der Leiche des Freundes. Doch das Böse, das geht
weiter umher… Und es sind eben keine Lausbubenstreiche mit Maskeraden als
Monstermörder, oder mit fingierter Messerwunde im Bauch, vollverschmiert mit
Ketchupblut, wie sie CJ immer wieder inszeniert.
Irgendwann ist George im Haus seiner designierten Opfer.
Oben CJ in seinem Zimmer. Unten der Killer, der umherschleicht. Und der, weil
eine Ecke in seinem Gehirn noch nicht völlig kaputt ist, per Haustelefon
anruft, oben, im Kinderzimmer: Verschwinde, hau ab aus dem Haus… In den kleinen
Kammern, in den Schränken, im Schatten nistet er sich ein, und was sich falsch
bewegt, wird zum Opfer. Wir sind live dabei. Mitten in dem traumatisierten
Psychopathenhirn des Killers, der schon als Kind kräftig dabei war… Was Tom
Savini, dem legendären Spezialhorroreffektmacher, eine dolle Gelegenheit gibt,
seine Kunst im Kopfabhauen zu beweisen.
Vierter bester Film und Überraschungssieger des Tages:
„Ninja, die Killermaschine“. Der in einer völligen Fantasiewelt beginnt, in der
ganz pur und ohne Zusatzingredienzien das gezeigt wird, was wir sehen wollen:
Wie einer gegen viele kämpft, alles Könner auf diesem Gebiet, mit verschiedenen
Waffen irgendwo in Wald, Gebüsch, hohem Gras, wo von überall her der Feind
herausbrechen kann, um getötet zu werden. Feinde, die vermummt sind, gekleidet
in reinem Schwarz, in Weiß, in Rot. Kämpfe mit tollen Posen, die tödlich enden.
Ein Durchkämpfen durchs Gelände, hin zu einem Gebäude, wo noch einem Mönch der
Kopf abgeschlagen werden muss, um endgültig einzudringen, um anzukommen – um
die Prüfung zu bestehen.
Denn alles war nur die Abiturprüfung für den
frischgebackenen Ninjakämpfer Cole, gespielt von niemand geringerem als Franco
Nero. Der nun in sein normales Leben zurückkehrt, sagen wir: er besucht einen
alten Kriegskameraden auf den Philippinen, der eine geile Frau hat und dem
Alkohol verfallen ist. Sie haben’s schwer: Denn böse Bonzen wollen ihnen Grund
und Boden abknöpfen, vergraulen die Arbeiter mit Gewalt und setzen ihnen zu, wo
es geht. Klar, dass Cole hier helfen kann. Und wenn er es nebenbei mit einem
fetten Schwein mit Hakenhand namens Siegfried Schulz zu tun kriegt: umso
besser, da haben wir einen, an den wir uns halten können, zunächst mal. Solange
nämlich, bis wir, also der begierige Zuschauer im Verbund mit Franco Nero, an
den oberbösen Hintermann rankommen, Venarius heißt der, hat sein Büro in einem
riesigen Penthouse – sprich: Ein Schreibtisch und ein großer Pool, in dem sich
schöne Bikinimädchen räkeln und auf Zuruf Synchronschwimmen performen.
Venarius: Eine faszinierende Persönlichkeit, gespielt von
Christopher George auf ganz unnachahmliche Weise, böse und charmant, mit
feinsten Manieren und immer ein bisschen over the top, in den kleinen Gesten,
im Spiel seiner Finger, im ironisch zuckenden Lächeln der Mundwinkel – keine
Frage, stockschwul und stolz drauf – eine dieser Performances HIER...
Ein abgrundtiefer Schurke natürlich auch. Zudem hat er eine Sammlung exquisiter
Pornos – halt nee: Da sind keine Nackedeis, das ist ja der Bewerbungsfilm eines
Ninjas, dem großen Rivalen von Cole, seit dessen Ausbildungstagen in Japan. Ein
Ninja, den Vesarius angeworben hat, um es aufzunehmen mit Franco Nero, der
seine Mannen unaufhaltsam niedermacht…
Ein doller Film, ein Kampfsportspektakel, das schön
mäandert: Nicht einfach Gut gegen Böse, sondern Gut gegen allerlei diverse
Bösewichter, die sich abwechseln in ihrem Status als Antagonisten. Kein Wunder,
dass dies der erfolgreiche Beginn der Ninjafilmwelle war, die auf den
Easternhongkongkungfukaratefimen draufsaß wie ein Affe auf rasendem Motorrad.
Produziert und inszeniert von den Machern der erfolgreichen „Eis am
Stiel“-Filmreihe, die Geld genug hatten, um Franco Nero auf die Philippinen zu
locken, und um mit genügend Zeit ganz vorzüglich den Film in den Kasten zu
kriegen, perfekt gerade in den kleinen Details, in den Seitenblicken, im
richtig getimeten Filmrhythmus, die man mit weniger Budget – und weniger Talent
– nicht hinkriegen kann. Die aber den entscheidenden Unterschied ausmachen in
der Qualität, den es eben auch im Trash geben kann.
Es geht im Übrigen das Gerücht, dass Regisseur Menahem Golan
so viel Zeit in philippinischen Puffs verbrachte, dass einen Großteil des Films
Franco Nero in den Kasten kriegen musste. Wie auch immer: Gut gemacht!
Im Gegensatz zu den Filmen, die an diesem Tag ablosten, die
wir auch getrost unter den Teppich kehren können.
„Die Todesminen von Canyon City“, auch bekannt als „Keine
Gnade für Verräter“, könnte eine schöne Screwballvariante des
Buddy-Spaghettiwestern-Genres sein, mit dem US-Amerikaner und dem dicken
Mexikaner, die gemeinsame Sache machen, um 70.000 Dollar zu gewinnen und
nebenbei einen bösartigen Silberminenbesitzer, der seine mexikanischen Arbeiter
sklavisch ausbeutet, zur Strecke zu bringen. In schönen Streitdialogen beweisen
die beiden immer wieder ihre symbiotische Zusammengehörigkeit – der Film aber
verliert sich in sinnlos-willkürlichen Begebenheiten, die nur die Dramaturgie
verwirren und wenig zum Ziel führen. Das nicht nur der Zuschauer, auch die
Protagonisten aus dem Auge zu verlieren drohen, weil sie irgendwann auch nicht
mehr so richtig zu wissen scheinen, wer eigentlich für wen arbeitet und wem was
vormacht. Der Dicke ist irgendwann Koch beim Bösewicht, der aufrechte Gringo
wird einer seiner Handlanger, offenbar aber doch nur, um ihn reinzulegen,
weshalb der Mexikaner plötzlich als General einer Revolutionsarmee auftaucht –
schön dabei: Eine farcehafte Gerichtsszene, in der die Leichen getöteter
Mexikaner als Geschworene und als Zeugen auftreten, echt lustig. Aber eben
alles völlig zusammenhangslos, immer wieder explodieren Leute, das ist auch
doll, freilich weiß man nicht recht, warum. Vielleicht ist das auch dem
Regisseur klar, im Film heißt es mal: „Es ist besser, nichts zu verstehen und
weiter zu atmen als zuviel zu wissen, wenn man dafür ins Graf beißt.“ Gut, dass
wir noch leben.
Und schade, dass wir dann zu „Mit Vollgas durch die Hölle“
kommen, einem Car-Chasing-Film ohne echte Autoverfolgungsjagd, über zwei Cops,
die Autos verschieben, die sie denen klauen, die ihre Raten nicht zahlen
können. Ganz legal, gute Kohle, so sagt man ihnen – stimmt natürlich nicht, ist
alles kriminiell, ist irgendwie aber auch alles egal. Ebenso, wie ihr Job als
Highwaypatrolmen kaum was ausmacht, außer, dass der eine diesen nutzt, um
Frauen anzubaggern und so an eine neue Geliebte gerät, mit der er dann durch
die Gegend brettert. Seine vorherige Freundin hat er irgendwie scheiße
gefunden, wie er sie loswurde, versickert im elliptischen Erzählstil. Ein Stil,
der wahrscheinlich gewollt, vielleicht aber nur reiner Dilettantismus ist. Ohne
jede Spannung, auch ohne wirkliche Charaktere bleibt nur eines: Wie ein Auto
von Cop-Cars verfolgt wird und dabei eine lange, lange Treppe runterfährt,
holterdipolter – so ähnlich, wie Dick und Doof einst ein Klavier
hochtransportierten, nur andersrum.
Der Abschuss aber: „Die nackten Superhexen vom Rio Amore“;
der das zeigt, was der Titel verspricht, nunja: Nacktheit sowieso, ist ja ein
Jess-Franco-Filmchen. Superhexe: das ist die böse Hotelbesitzerin, die zugleich
Puffmutter ist. Rio Amore: Das ist dieser Puff, in den die Schurkin eine
Nebenbuhlerin um den schönen Portier verbringen lässt. Diese Betsy nämlich, die
neu angefangen hat im Hotel, wird zugedröhnt mit Drogen öffentlich ausgestellt
und von geilen Männern wie Frauen begattet, zur Belustigung der Chefin. Die
dies auch ihrem Lover vorführt, der wiederum echt verliebt ist in Betsy und sie
unter diesen entwürdigenden Umständen aber nun auch nicht mehr will. Zumal die
Hotelchefin all ihre Reize einsetzt, um ihn so richtig durchzuficken.
Nebenhandlung: Linda fliegt von München ein, sie ist
Klosterschülerin und wurde zum Abschied in ihrer Schlafkammer von der Kameradin
noch abgeschleckt, oben und unten. Sie will ihre Schwester Betsy besuchen und
trifft auf einen richtig netten jungen Eingeborenen – gedreht wurde, glaube
ich, auf Madeira –, in den sie sich total verknallt, obwohl sie ja eigentlich
noch total rein und unschuldig ist; naja, bis auf die Abschiedsszene in
München. Egal. Die zwölfjährige Schwester des jungen Freundes jedenfalls hat
ein vorlaut-präsexuelles Mundwerk und will die beiden unbedingt verkuppeln,
nein: geschlechtsorganisch aneinanderkuppeln, aber es kommt dann doch zu einer
total romantischen Liebesszene am Strand, ohne Zutun der Schwester. Betsy
wiederum lebt das Schicksal so vieler Zwangsprostituierter, Linda erinnert sich
ab und an an sie, um die beiden Filmhandlungen nicht völlig aneinander vorbei
laufen zu lassen. Doch tatsächlich etwas zu tun haben die beiden nicht
miteinander, die Teenie-Liebe und das aufgeilende Porträt eines Puffs im
Jess-Franco-Style.
Vollkommener Quatsch das alles, mit deftiger Soße, und
völlig zum Vergessen. Wäre da nicht Linda, nach der immerhin der Film im
Original benannt ist: Gespielt wird sie in all ihrer Nacktheit, in all ihrer
erotischen Ausgestelltheit von Katja Bienert, die zum Tatzeitpunkt des
Filmdrehs gerade mal 14 Jahre alt war. Ihr Geburtsdatum und ihr pickliges,
ungeclearasiltes Gesicht verraten es.
Harald Mühlbeyer