Festival des deutschen Films Ludwigshafen: Symposium zur "Großen Freiheit Internet"

Man muss mal ein Lob aussprechen. Der Ausweichort des im Vorfeld vom Hochwasser verscheuchten Filmfestivals ist hervorragend gestaltet. Eine richtige kleine Zeltstadt, die Terrasse mit Blick auf Bäume und Bungalows - auf der anderen (fensterlosen) Seite gäbe es Brache und Baustelle zu sehen... -; OK: im einen Kinozelt hört man den Ton des anderen Kinozeltes; aber das macht die Klimaanlage wieder wett, die in diesem Jahr neu eingebaut ist. Und im nächsten Jahr werden wohl, so oder so, die Kinozelte nicht benachbart sein...

Richtig Großes will das Festival bieten, und das tut es auch. Um dann aber, programmtechnisch, doch ein bisschen hochzugreifen: Weil eine einstündige Diskussionsrunde gleich zum "Symposium" hochgejazzt wird und eigentlich nur Propaganda dafür ist, den kleinen Künstlern nicht per Internetdownload die letzten Verdienstmöglichkeiten wegzuklauen.

Was ja an sich keine schlechte Sache ist. Was aber dann doch recht eine recht einseitige Angelegenheit ist, wenn auf dem Podium fünf Leute derselben Meinung sind.

Aufhänger ist der einstündige Film "A Silent Rockumentary" von Jonas Grosch, der die Band Mardi Gras.BB porträtiert, eine Mannheimer Marching Blues-Gruppe, die zu kämpfen hat, weil die

Liveauftritte nicht genügend Leute hinterm Ofen vorholen, um den immer geringeren Umsatz von Tonträgern aufzuwiegen. Grosch beobachtet sie bei Plattenaufnahmen in den Frankfurter Hazelwood-Studios - die letzte Produktion dort, wie sich herausstellen wird, weil Hazelwood kinzwischen den Weg allen Independent-Fleisches gehen musste. Es geht um die Musik, es geht stark um die Musik - so stark, dass jedes gesprochene Wort NICHT zu hören, sondern nur - stummfilmmäßig - auf Schrifttafeln zu lesen ist.
Grosch sagte beim Diskussionspanel: "Man nimmt ja am Kiosk auch nicht die ausliegende Zeitschrift einfach mit. Weil einem der Kioskmann gegenüber sitzt." Mit seinem Film wolle er die Band dem Publikum emotional nahe bringen, sie ihm gegenübersetzen wie den Kioskmann, so dass man sieht, was eigentlich bei Musikproduktionen dahintersteckt. Und vielleicht ins Nachdenken kommt, wenn man mal wieder was runterlädt.
Doc Wenz, Sänger und Frontmann von Mardi Gras.BB, drückt es schön aus: Im Film sagt er, eine Partei, die Freibier für alle verspreche, würde aus dem Stand 15% bekommen bei Wahlen. Und sie könne auch einiges an Freibier ausschenken, aber irgendwann ist es alle, und irgendwann muss man auch daran denken, wovon Kneipiers, Bierbrauer und Gersten- und Hopfenbauern leben sollen.
Live-Auftritte als Kompensation würden übrigens auch nicht funktionieren, so Wenz beim "Symposium": Er vergleicht das mit den Glasperlen von Santa Domingo, als glitzernden Ersatz, nachdem man einem vorher das Gold abgenommen hat.

Wenz war ohnehin der Glanzpunkt der Veranstaltung, überlegt, aber phantasievoll brachte er seinen Standpunkt aufs Parkett. Problem halt: Es gab keine Gegenargumente, nichts, woran man sich reiben, woran man auch hinaufsteigen konnte in höhere Tiefen oder tiefere Höhen des Themas. Es blieb konstant auf einem Level, dass man im Internet nicht einfach was runterladen solle.

OK: Als eine Art Bildungsprogramm für die Zuschauerschaft ist das in Ordnung. Als Ergänzung zum Film, als Weiterführung, als noch näheres Nahekommen der kleinen Band, die bald nicht mehr leben kann von ihrer Kunst. Umsonst-Kultur, Flatrate-Attitüde, Büffet-Leeressen-Haltung: Das hat natürlich keine Zukunft, ist nicht nachhaltig, trocknet das Biotop der künstlerischen Talente aus. Neben Mahnung stellten die Symposianten - denen auch Katharina Wackernagel, Produzentin von "A Silent Rockumentary", Fritz Krings vom Verband unabhängiger Musikunternehmen VUT und Moderator Ralf Niemczyk vom Rolling Stone - auch Lösungsvorschläge - die sich freilich lediglich darin erschöpften, dass die Politik den Radiostationen eine Quote für unabhängige Bands und Labels auferlegen solle.

Wenz hat natürlich recht: Es ist nicht gut, wenn man sich mit allem bedient, wenn man sich mit allem bedienen kann. Weil sich mit dem Runterladen, mit der bloßen Verfügbarkeit, die Wertigkeit verflüchtigt, ein Verlust auch der emotionalen Bindung des Kunden, des Hörers, an das Produkt, das der Künstler - hier wird Wenz dezidiert und ausdrücklich romantisch - mit seinem Herzblut geschaffen hat. Musik - Kunst allgemein - wird "zum virtuellen,  nicht haptischen gut in den Tiefen des Computers - ohne direkte, emotionale Bindung, ohne wirklichen Kontakt, ohne wirkliche Rezeption." Ein Kulturwandel der Verflachung - das war einer der tiefsinnigeren Gedanken der Diskussion, wofür es natürlich keine Lösung gibt, und geben kann. Über den mehr zu reden aber gut angestanden hätte.

Als Fazit stand denn auch am Ende das Bekenntnis zum Weitermachen - wenn es, so Grosch mit leichtem Augenzwinkern, nach der Veranstaltung am Merchandisingstand, wo es DVDs und CDs zum Kaufen (!) gibt, gut läuft. Ansonsten bleibt die Umschulung, auf Schreiner oder so: Holz kann man nicht runterladen.

Harald Mühlbeyer


Das Ludwigshafener Symposium "Große Freiheit Internet?" war die Auftaktveranstaltung für eine "Kino-Roadshow" mit dem Film "A Silent Rockumentary" inkl. Anschlussgespräch.
Film und Diskussion im Paket gibt es noch an folgenden Terminen:

Sonntag, 23. Juni, 20 Uhr, Berlin, Moviemento
Montag, 24. Juni,  20 Uhr, Hamburg, Abaton
Dienstag, 25. Juni, 19.30 Uhr, Düsseldorf, Metropol 
Mittwoch, 26. Juni, 21.15 Uhr, Frankfurt am Main, Orfeos Erben

"A Silent Rockumentary" startet am 27.6. offiziell im Kino.