FILMZ fällt aus
Die Nachricht ist ein Hammerschlag. FILMZ, das Mainzer Festival des deutschen Films, wird im Jahr 2012 nicht stattfinden.
FILMZ wurde 2001 von einer Handvoll Mainzer Filmwissenschaftsstudenten gegründet mit dem Ziel, die Präsenz deutscher Filme in der Rhein-Main-Region zu stärken. Im Wettbewerb liefen neueste deutsche Kinoproduktionen, die zuvor keinen Kinostart hatten; dazu gab es Filmschaffen aus der Region, semi- bis vollprofessionell. Wohlgemerkt: Das alles begann, bevor in Frankfurt die Lichter-Filmtage liefen, bevor das Wiesbadener exground-Filmfestival das deutsche Filmschaffen und insbesondere das Filmschaffen der Region besonders würdigte. Und noch bevor es irgendein anderes rheinland-pfälzisches Langfilmfestival gab; also bevor das Ludwigshafener Festival des deutschen Films das FILMZ-Konzept mit Riesenbudget übernahm.
Kein Zweifel: FILMZ war in eine Lücke gestoßen, die erst durch dieses Filmfestival sichtbar wurde; und FILMZ war erfolgreich, mit jährlich steigenden Besucherzahlen – zuletzt stetig über der 5.000er-Marke – und mit einem jährlichen Plus an Programm. Eine Rückblende kam dazu, eine Dokumentarfilmreihe, weitere Kurzfilmprogramm, die mittellangen Filme, ein Stummfilmkonzert, und das Rahmenprogramm umfasste Drehbuchlesungen, Podiumsdiskussionen, Poetry Slams, Pitchings, Parties, Seminare, traditionell einen Stammtisch mit Filmemachern, Festivalorganisatoren und Publikum; und im letzten Jahr gar ein Tischfußballturnier.
FILMZ war immer ein studentisches Festival, von Studenten und auch für Studenten.
Das hat zweierlei Konsequenzen: Für Studenten bedeutet, dass zwar nicht explizit, aber implizit das gestandene Mainzer Ureinwohnerpublikum außen vor blieb. Die Filmvorführungen waren meist voll – aber gefüllt mit jungen Leuten, obwohl die Filme oftmals auch durchaus eine erweiterte Zielgruppe hergegeben hätten. Von Studenten bedeutet, dass alles ehrenamtlich organisiert wurde, neben dem Studium, aus Spaß und Leidenschaft. Beides bedeutet aber, dass alles stets im Fluss war. Das studentische Publikum wie die studentischen Macher wuchsen irgendwann aus dem Festival heraus, oft einfach aus dem banalen Grund, dass man beruflich aus Mainz wegzog; und neue Zuschauer und neue Organisatoren mussten herangezogen werden, ein ständiger Kreislauf.
Wenn die Organisation in ständiger durchlaufender Fluktuation begriffen ist, müssen Mitarbeiter immer neu eingewiesen werden; und auf der Plusseite kommen immer neue Leute nach, mit neuen Ideen, mit neuer Begeisterung. Aus dieser Rezeptur von ständiger Innovation und andauerndem enthusiastischem Engagement wurde jedes Jahr das FILMZ-Festival gestemmt. Und das ohne Bezahlung, neben dem Studium – eine große Leistung des Vereins Brainstream, der das Festival ausrichtet.
Nun sind die Strukturen des Festivals, wie es in der Pressemitteilung heißt, „inzwischen jedoch überlastet“. Die Mainzer Kulturdezernentin Marianne Grosse – seit einigen Jahren ist die Stadt Mainz Mitveranstalter – erklärt: „Ich konnte mich rund um das Festival davon überzeugen, dass die Organisation für viele der Studierenden ein Vollzeitjob geworden ist. Das lässt sich mit den neuen Studiengängen zeitlich kaum mehr vereinbaren.“ Und kündigt für 2013 an, auch künftig „als Veranstalter und mit den bisherigen Projektzuschüssen“ zur Verfügung zu stehen.
Nun soll das Festival auf eine neue Basis gestellt werden. Diese neue Basis kann eigentlich nur bedeuten, das Festival gesundzuschrumpfen, denn „die neue Größe des Festivals kann […] in der bisherigen Organisationsform nicht mehr gestemmt werden“, so Marianne Grosse. Und, wie Jonas Vomstein vom Brainstream-Vorstand ergänzt: „Durch das neue Studiensystem wird es zunehmend schwieriger, Mitstreiter für eine kontinuierliche ehrenamtliche Vereinsarbeit zu gewinnen. Und für eine hauptamtliche Organisation fehlt unter den bisherigen strukturellen Bedingungen der finanzielle Spielraum.“ Ehrenamtliches Engagement, die Vision eines großen, all- oder zumindest mainzumfassenden Filmfestivals, die finanzielle Ausstattung müssen unter einen Hut gebracht werden; ist das die Quadratur des Kreises?
Wenn FILMZ überhaupt noch einmal auf die Beine kommen möchte, dann wohl nur in einem bescheideneren back to the roots-Rahmen, mit einer strafferen Innenorganisation. Eine solche Restrukturierung war schon einmal nötig geworden, vor sechs, sieben Jahren, als mit zunehmender Brainstream-Mitgliederzahl die anfängliche basisdemokratische Form mit freundschaftlichen Treffen im Keller eines Studentenwohnheimes nicht mehr funktionieren konnte. Auch damals eine Umwälzung mit Schmerzen. Es waren ein Leitungsteam und verschiedene Projektgruppen gegründet worden – und vielleicht ist FILMZ jetzt noch größer geworden, hat sich noch mehr diversifiziert, so dass eine – ehrenamtliche – Leitung per Vierergruppe, die die unterschiedlichen Filmreihen-, Festivalverwaltungs-, Presse-, Sponsoring-, PR- und Rahmenprogrammgruppen koordiniert, nun auch nicht mehr möglich ist.
Eine „vereinsinterne Restrukturierung in Kooperation mit dem Kulturdezernat“ sei „unumgänglich“, heißt es. Dass dafür ein Festivaljahrgang ausfällt, ist bedauerlich, aber wahrscheinlich erforderlich – und es birgt das Risiko, dass zu viele FILMZ-Veteranen aus biographisch-geographischen Gründen aus der Organisation ausscheiden, dass sich bei einer Lücke im FILMZ-Curriculum der Nachwuchs verabschiedet, dass der Verein ausblutet, wenn das alljährliche Ziel einer Filmfest-Ausrichtung fehlt. Vielleicht aber wird durch den harten Schnitt auch die schlanke, schlagkräftige Linie (wieder?)gefunden, die für die Veranstaltung eines logistisch, personell, zeitlich, finanziell aufwändigen Filmfestivals nötig ist.
Wir hoffen, dass die Neuausrichtung von Brainstream e.V. und damit des FILMZ-Festivals gelingt. Denn FILMZ ist in eine klaffende Lücke der rheinland-pfälzisch – hessischen Kulturlandschaft gestoßen; und FILMZ würde schmerzlich vermisst.
Harald Mühlbeyer