Super gestrig




Zu GREEN LANTERN und CAPTAIN AMERICA

„Laterne, Laterne…“

„… Sonne, Mond und Sterne“ – ja, an denen geht es vorbei, auf der Reise des Hoppla-Jetzt-Komm-ich-Testpiloten Hal (nicht zu verwechseln mit dem 2001-Bordcomputer). Er ist auf dem Weg nach Oa (oder war’s Oha? Uiuiui?) und da hinbugsiert ihn sein grüner Zauberring. Ein sterbender Außerirdischer hat ihn ihm gereicht, oder besser: der Ring (zu dem noch die grüne Lampe gehört, an der man den Ring aufladen kann, jaha!) hat sich Hal ausgesucht, auf das der Menschling zum erlauchten Kreise der intergalaktischen Nachtwächter gehöre, die das All vor Unheil bewahren – das Green-Lantern-Corps, sowas wie die Marines des Universums.

Die Comichelden-Verfilmung von Martin Campbell (CASINO ROYALE, ZORRO) ist gar nicht so ununterhaltsam, wofür Tausendsassa Campbell und sein Team sorgen; Ryan Reynolds als Hauptdarsteller macht seine Sache sehr gut, vor allem aber auch Peter Sarsgaard als tragischer Schurke, dem viel Platz eingeräumt wird, und Blake Lively (THE TOWN) ist hier einfach zum Verlieben hübsch. Auch die 3D-Effekte machen richtig Spaß, funktionieren hier mal, mit all den Lichtkugeln etc.

Okay, die Story ist dünn wie ein Oblate und vergeht ebenso im Mund, das Finale ein hurtiger Witz – anspruchsloser grün-bunter Quark, gleichwohl zwar nicht schlauer, aber nicht so schlimm wie es der Trailer suggeriert. Was aber auf die Nerven gehen kann, ist das völlig überkommene Heldengetue und die Mentalität, die dahinter steckt.



Rein, edel, vor allem mannhaft und ohne Furcht muss man als rechtes Mitglied der Grüne-Leuchte-Schutztruppe sein. Die „gute“ Energie, die hier alles am Leben erhält und den Bio-Sparlampen ihre Kraft verleiht, das ist die des – Obacht! – Willens. Die alten Wesen haben sie sich zu Nutze machen gelernt, während einer der ihren, ein Abtrünnling, der nun zurückgekehrt Welten verschlingt, sich die (gelbe!) Energie der Furcht aneignete. Hal wiederum, dessen Papa als Pilot vor den Jungenaugen des Sohnemanns in einem Unfall ums Leben kam, versteckt sich hinter seinem verantwortungslosen Draufgängertum, weshalb ihn Ober-Feldwebel Sinestro (toll trotz Albernheit: Mark Strong) verachtet und im Training verhaut. Zuletzt aber, Thea-von-Harbou-mässig, ist Hal der wahre Held, der nicht Hirn und Hand qua Herz verbindet (siehe METROPOLIS), sondern seine Angst mit Mut überwindet, quasi die neue alternative Energie. Mit der kann er dann auch amorphe Furchtplanetenmasse verhauen, mit grünen Riesenfäusten und anderem Zeugs, das sein Ring materialisiert.

Ähnlich rückwärtsgewandt in Sachen Heldentum, Ehre Pflicht und Vaterland, freilich etwas ironischer und durch die Zeit der Story legitimiert ist CAPTAIN AMERICA, der erste Avengers-Film von Marvel. Während das Comic-Haus DC GREEN LANTERN als Popcorn-Bonbon für Zwischendurch gereicht hat, bis nächstes Jahr der neue BATMAN-Film von Christopher Nolan ordentlich Kasse macht, tummeln sich von THOR bis X-MEN die Superhelden des Stan-Lee-&Co.-Verlags heuer en masse auf der Leinwand, ehe 2012 nicht nur der neue neue Spider-Man kommt, sondern auch das Rächer-Klassentreffen, bei dem Iron Man, Hulk, Thor zusammenfinden, um die Welt gemeinsam zu retten. Und mit zu dem erlauchten Kreis gehört nun auch Captain America.

Den spielt Chris Evans (die „Fackel“ in den FANTASTIC FOUR-Filmen) und hält dabei die Balance zwischen dem typischen „amerikanischen“ Soldatenhelden mit gelassener Weltmachtsüberheblichkeit, reinem Herzen und naivem Blick sowie dessen ironischer Brechung. Sein Steve Rogers ist ein Hänfling, den die Army nicht will, ehe ihn der expatriierte deutsche Wissenschaftler Erskine (famos: Stanley Tucci) unter seine Fittiche nimmt und zum „Super Soldier“ macht, der dann gegen den Hyper-Nazi „Red Skull“ (ebenfalls ein Genuss: MATRIX-Mr. Smith-LORD OF THE RINGS-Elrond Hugo Weaving) antritt. Denn: Es ist Zweiter Weltkrieg, und Regisseur Joe Johnston macht diesen mit seinen Kommando-Abenteuern (Filme wie DIE KANONEN VON NAVARONE lassen grüßen), mehr aber noch das New York der 1940er zum ganz eigenen Schauwert wie es dieses Jahr schon X-MEN: FIRST CLASS mit den 1960ern rund um Kuba-Krise und Minirock tat.



Retro ist momentan in der Popkultur eben angesagt, siehe die Serie „Mad Men“, siehe SUPER 8, vielleicht weil wir uns an der Gegenwart oder der Science-Fiction-Zukunft, die mittlerweile auch immer mehr gegenwärtig geworden – ästhetisch in Architektur und Design, technisch mit Augmented-Reality-Smartphones –, satt- und schwindelig gesehen haben; vielleicht auch aus vereinfachender Nostalgie heraus, die immer auch eine des Kinos ist. CAPTAIN AMERICA kreiert unter der Regie des dahingehend ROCKETEER-erfahrenen Joe Johnston aber nicht nur hyperreale, teilweise aber auch großartig „taktile“ Museumsbilder der vergangenen Epoche im nicht ganz so funktionierendem 3D, sondern importiert aus der Vergangenheit ein überkommenes Modell vom Helden und „seiner“ Männlichkeit. Sicher, CAPTAIN AMERICA verulkt den Heroenpathos und seine Vermarktung auf brillante Weise selbst: Der wahre nationalwichtige Platz des Supermanns im Sternenbannerdress ist zunächst die Tingel-Tangel-Bühne, um Kriegsanleihen an den Mann zu bringen, oder in Comics oder auf der Schwarz-Weiß-Kinoleinwand in ulkigen Serials, um den Spirit des Volkes aufzupäppeln. Später wird aus dem billig-gehäkelten Anzug aber eine echte lederknarrende Kostümuniform, und gerade zum ermüdend überlangen Dauer-Action-Höhepunkt des Finales schert sich niemand mehr, auch der Film nicht, um all die moraline Mär der Marke „Kleine Leute sind die wahren Riesen“, mit der Anfangs noch amüsant der dünne Pimpf Rogers (Evans staunenswert digital verschmächtigt) charakterisiert wurde und die Story im angenehmen Vorlauf eine nette Note erhielt. Letztlich ist der Held doch nämlich nur mit Muckis und echtem Wumms in den Fäusten zu was nutze, Schneid oder Herz am rechten Fleck hin oder her. Dass Hayley Atwell als britische Offizierin Peggy Carter nur love interest und ansonsten bloß Staffage ist, ist da schon selbstverständlich. Und die Nazis sind eigentlich auch nur Bullies (hier von der Geheimorganisation Hydra mit magischen Walhalla-Stein) und gehören deshalb verhauen – Weltgeschichte und Weltpolitik der Marke Klischee-USA.

Das ist bei CAPTAIN AMERICA, wie gesagt, eben noch so selbstreflexiv witzig, weil es so zu dem Setting passt, der patriotischen Idee seiner Hauptfigur, die 1941 in die Welt kam, welche mit ihren bösen Deutschen, Japanern, Italienern, später dann Russen ihrer bedurfte. Nach Vietnam und heute in Zeiten von Irak-Schmuddeleien und Black-Water-Söldnern ist ein Captain America schlicht so nutzlos wie in Germany ein „Hauptmann Deutschland“ unmöglich.



Allerdings: Erst am Schluss wird der blonde Recke Rogers aus dem Eis aufgetaut und rennt über den Times Square von heute – der Zeit-, Kultur- und damit auch Ideologie-Clash der Figur mit dem Jetzt wird verschoben (und hoffentlich ordentlich nachgeholt, vielleicht eben im AVENGERS-Film). Das Konzept Comic-Superheld selbst jedoch gleicht hier wie in GREEN LANTERN tongue-in-cheek-affirmativ dem des ironisierten, so völlig gestrigen Soldaten-Leitbilds in CAPTAIN AMERICA. Er muss dem Schönheits- und Charakteridealen entsprechen, den normativen Herz- und Körpermaßen. Da war Stan Lee mit seinem linkischen Teenager Peter Parker alias Spider-Man schon ein bisschen weiter. Auch das Kino der letzten Zeit, weniger mit dahingehend nur vordergründigen und unergiebigen Filmen wie KICK-ASS oder WATCHMEN als mit sowas wie dem (letztlich natürlich auch nur dieselben Grundmuster reproduzierenden) SUPER von SLITHER-Regisseur und dereinstigem Troma-Mann James Gunn: Was ist denn die menschlichen Sorgen und Bedürfnissen, die Superhelden erst als Idee in die Welt bringen? wird da komödiantisch gefragt. Ist doch allemal spannender als was die anti-nietz‘schen Übermenschen denn für Schwächen und Probleme haben. Aber um dem nachzugehen ist man in der nostalgische Schau-Vergangenheit freilich auch am falschen Platz.


Bernd Zywietz