Filmfest Dresden 2011: Abschlussbericht

Festival des Eierlikörs

„Ich komme nur, wenn ich nominiert bin“, sagte einer der Produzenten vor der Preisverleihung. Denn obwohl die Preisverleihung eigentlich den Höhepunkt darstellen sollte, ist sie bei vielen kleineren Festivals eher eine Pflichtveranstaltung für Preisträger; der eigentliche Höhepunkt – zumindest für Filmemacher – ist wohl die folgende Abschlussparty. So war es auch beim Dresdner Filmfest 2011. Manch ein Regisseur bevorzugte es vielleicht noch, kurz seinen Eierlikörrausch auszuschlafen. Das wäre zumindest eine Erklärung, wieso die Preisverleihung vor einem zu einem Viertel leeren Saal stattfand.

Den lautesten und längsten Applaus der Preisverleihung erhielten die Festivalleitungsdamen. Vor allem mit ihrem selbstgemachten Eierlikör nach einem Rezept der Vorfahren konnten sie das familiäre Ambiente des Filmfests betonen und bei den Gästen punkten.

Der Moderator im Smoking steigerte sich im Vergleich zur Eröffnungsveranstaltung und führte mit Charme und Witz durch das Programm. Nicht ganz so großen Anklang fand die im wahrsten Sinne des Wortes SCHRÄGE Performance von Polarkreis 18, Dresdens Popmusik-Exportschlager; am bekanntesten dürfte ihr Titel „Allein Allein“ aus dem Jahr 2008 sein. Während des schiefen Gesangs in den höchsten Tönen genoss im Publikum einer der anwesenden Filmemacher seine eigene Musik unter dem Schutz der Kopfhörer. Gestern habe die Band bis in die Morgenstunden das Ende ihrer Tournee gefeiert, gestand auch der Sänger der Band.

Umjubelte Gewinner

Die Preise gehen insgesamt an zehn Filme. Es ist erstaunlich, dass der Goldene Reiter des Publikums und der Goldene Reiter für den besten Kurzspielfilm im internationalen und im nationalen Wettbewerb jeweils an dieselben Filme gingen. Im internationalen Wettbewerb räumte „L’Accordeur“ von Olivier Treiner Preise im Gesamtwert von 10.500 Euro ab. Die Jury, bestehend aus Ismet Ergün, Paul de Nooijer und Martin Vandas, hob vor allem die hervorragende schauspielerische Leistung, die perfekte Bildgestaltung, die Musik und die ungeheure Spannung hervor. Im nationalen Wettbewerb entschied „Viki Ficki“ von Nathalie Spinell Jury- und Publikums-Preise mit einer Gesamtdotierung von 5.000 Euro für sich. Das Thema des Films: Es geht um Mutter-Tochter Solidarität und den gesellschaftlichen Umgang mit dem Beruf der Mutter - einer Pornodarstellerin. Die Jury, bestehend aus Anna Henckel-Donnersmarck, Thomas Frick und Ekkehard Knörer verwiesen auf die Art, mit der das Thema behandelt wird: Nicht auf die Mitleidstour, sondern mit Witz.

Der höchstdotierte Preis war der Förderpreis im Wert von 20.000 Euro und wurde von der sächsischen Kunstministerin vergeben. Er ging an Youdid Kahveci für ihr Kammerspiel „Radiostar“. Der Kurzfilm spielt komplett in der Wohnung eines jungen Pärchens. Die beiden Protagonisten kommen aus unterschiedlichen Kulturen. Problematiken, die in normalen Beziehungen auftreten, werden hier auf den kulturellen Unterschied geschoben. Die Jury zeigte sich vor allem beeindruckt von den lebendigen und vielschichtigen Szenen, in denen gesellschaftliche Realitäten ihren Platz haben und argumentierte damit genauso schwammig wie der Film.



Die Jugendjury des nationalen Wettbewerbs entschied sich für den Film „Yuri Lennon’s Landing on Alpha 46“. „Die Entscheidung ist uns nicht schwer gefallen, wir drei hatten eigentlich alle unabhängig voneinander den gleichen Favoriten.“, sagte Jugendjurymitglied Richard Lamprecht im Festivalcafé des Programmkinos Thalia. Der Schüler und Filmemacher gewann 2007 den Deutschen Nachwuchsfilmpreis. Damals beeindruckte ihn die Rolle der Jury, „weil man da auf den Stühlen lümmelt, Filme guckt und sie anschließend kompetent bewerten und belohnen darf. Das war mir sympathisch.“ Dann suchte das Filmfest in Richards Heimatstadt Mitglieder für die Jugendjury. Er bewarb sich sofort und setzte sich im Auswahlverfahren durch. Auch seine Zukunft sieht Richard Lamprecht im Bereich Film, ohne aber genaue Präferenzen für eine Berufsrichtung zu haben. Vielleicht half ihm bei der Entscheidungsfindung ja der Austausch mit jungen und erfahrenen Filmemachern auf dem Festival.


Über Preise freut sich jeder

„Gewinner werden wahrgenommen“, so Sascha Koebner vom Verband der deutschen Filmkritik (der mit seinen beiden Kollegen den Kurzfilmpreis der deutschen Filmkritik 2010 Stefan Eckel und Stefan Prehn für ihren „Go Bash!“ verliehen), weswegen Preise das Leben junger Filmemacher erleichtern. Die Goldenen Reiter und weitere Preise im Gesamtwert von 63.000 Euro sind nun vergeben. Und weil bei allem Jubel über die Filmemacher die Vorführungsstätten nicht vergessen werden sollten, wies Staatssekretär Dr. Henry Hasenpflug auf das Förderprogramm für sächsische Programmkinos hin. Um sie in den nächsten zwei Jahren bei der Digital-Umrüstung zu unterstützen, stehen insgesamt 400.000 Euro zur Verfügung. Ein wichtiger Schritt in Richtung Modernisierung, der auch beim Publikum der Preisverleihung erfreutes Gemurmel hervorruft.


Die Kurzfilme gehen auf Tour

Und dann ist das Festival auch schon wieder fast zu Ende – aber eben noch nicht ganz. Nach der Preisverleihung folgten eine rasante Party und schließlich die ausklingenden Vorstellungen am Sonntag. Unter dem Motto „Expedition Kurzfilm“ geht im Anschluss an das Festival ein Kurzfilmprogramm auf Nachspieltournee. In zehn deutschen Städten sollen auf diese Weise die Preisträgerfilme einem Publikum jenseits des Festivals mit seinen diesjährigen 16.500 Besuchern zugänglich gemacht werden. Und im Sommer folgt eine Open Air Tour – eine mit den Filmemachern gemeinsame Gastspielreise unter freiem Himmel.


Eine detaillierte Übersicht der Preisträger des 23. Filmfests Dresden finden HIER.

Christine Arnsmeyer u. Raphaela Helbig