Grindhouse-Nachlese Januar 2017 – Der Zug, der nicht anhalten konnte, und die Aliens, die Spielzeug waren
Cinema Quadrat, 28.
Januar 2017:
"Shinkansen daibakuha"
/ "Panik im Tokio-Express" / "Killer Train – Höllenfahrt ins
Jenseits" / "Bullet Train", Japan 1975, Regie: Junya Satô.
"Sûpâ robotto
Maha Baronu" / "Roboter der Sterne", Japan/Taiwan/Hongkong 1974,
Regie: Koichi Takano.
Vor ungefähr 20 Jahren lief da dieser eine Film in den
Kinos, großer Erfolg, na, wie hieß er noch? Ach ja: "Der Bus, der nicht
anhalten konnte"! Da fahren die und dürfen nicht langsam sein, weil sonst
explodiert's. Und jetzt pass auf: Ungefähr 20 Jahre vorher lief ein Film in den
Kinos, der hieß, na, "Der Zug, der nicht anhalten konnte", oder so
ähnlich. Beziehungsweise "Panik im
Tokio-Express". Von 1975. Es geht darum, dass die nicht langsamer
fahren dürfen, weil sonst explodiert's.
Die Japaner! Das Spannungskino haben sie drauf,
wahrscheinlich, weil sie "Stoppt die Todesfahrt der U-Bahn Pelham
123" gesehen haben. Und so legen sie hier einen ganz straighten Thriller
vor, und das in Überlänge von zweieinhalb Stunden. Gütezeichen: Kommt einem
nicht so vor. Klar ist manches ein bisschen billig inszeniert. Zum Beispiel die
Rückprojektionen, die eine Zugfahrt simulieren. Aber andererseits hat Hitchcock
in dieser Disziplin auch versagt, wie in seinen diversen Filmen seit Ende der
50er zu besichtigen ist… Oder die Panik der Passagiere, die immer ein bisschen
zu gewollt ist und wo man sieht, dass die Statisten halt nicht die besten Schauspieler
sind.
Aber andererseits ist der Film sehr schön aufgebaut: Wir
haben den Zug, eine Art Proto-ICE, der von Tokio nach Hakata rast und immer
über 80 km/h bleiben muss. Wir haben die Eisenbahnbehörde mit ihrem tollen
Kontrollraum, wo an den Wänden mit blinkenden Lichtern die Positionen der Züge
angezeigt werden. Wir haben die Polizei, die alles tut, um die Erpresser zu
ermitteln; auch die Passagiere dem Risiko des Todes aussetzen. Und wir haben
die Verbrecher, und deren Boss bekommt als einziger im Film eine Backstory
verpasst, die mehr ist als seine Handlungsfunktion. In Rückblenden bekommen wir
sein Schicksal mit, der Verlust seiner Firma, der drohende Bankrott, die
Scheidung, und seine jungen Freunde, zwei Männer, die er bei sich aufgenommen
hat. Und nein, dass die drei irgendwie schwul sind, wird nie behauptet! Und
selbst wenn das im Subtext aufscheinen würde: Es wäre nicht schlimm, wird nicht
verteufelt. Nein, das ist ein armer Hund, und Menschenleben will er auch nicht
aufs Spiel setzen.
Zwischen Eisenbahn und Polizei gibt es feines
Kompetenzgerangel – Kompetenz weniger im Sinne von "Zuständigkeit"
denn von "Fähigkeit". Die einen zeihen die anderen der Inkompetenz,
die Ziele sind eben auch unterschiedlich zwischen Rettung und
Verbrechensbekämpfung. Und zwischendurch bekommt der Film seine besondere Kraft
durch die Dynamik, die sich ergibt, weil diese beiden Institutionen des Guten
trotz ihrer Gegensätzlichkeiten zusammenarbeiten müssen. Die Polizei ermittelt
auf ihre Art, via Fingerabdrücke, Beschattung, Zugriff. Die Eisenbahner
versuchen, das Versteck der Bombe im rasenden Zug herauszubekommen, mittels
Hochgeschwindigkeitsfotographie: Kameras filmen von unten den über eine Brücke
brausenden Zug…
Ja, ein guter Film, ein echter Thriller, kaum trashig, dafür
Hochgeschwindigkeitsaction, aus der man Blockbuster stricken kann.
Der zweite Film des Abends: Ebenfalls asiatisch. Allerdings:
völliger Blödsinn. "Roboter der
Sterne" ist ein Zusammenschnitt einer Fernsehserie, aufbereitet für
den Kinoeinsatz in Japan und, seltsam genug, in Deutschland; sonst nirgendwo
auf der Welt. Und so hören wir Robert De Niro, wie er hier Kai spricht, der
Held dieser abstrusen Geschichte von Weltallrobotern und irdischen
Gegenrobotern, die sich im Bermudadreieck bekämpfen. Nichts mit "Du
laberst mich an", siehe ein Jahr später. Sondern: "Macht sie
fettig!" Das ist der Kampfruf der Guten, die in ihrem unterseeischen
Versteck immer wieder ausfahren mit U-Booten und Kampffliegern und als
Wunderwaffe einem Riesenkampfroboter, um die Bösewichter zu bekämpfen. Dieser
Superroboter heißt "magischer Ballermann", weil auf seinem Gürtel die
Initialen "MB" stehen; muss man ja irgendwie übersetzen. Die
außerirdischen Schurkenfeinde sind dafür verantwortlich, dass im
Bermuda-Dreieck Schiffe und Flugzeuge verschwinden, und der Herrscher der
Galaxie will die Erde untertan machen und hat dafür Haare am Kopf, die
meterweit ins All hinausragen und immer wieder von anderer Farbe sind.
Eigentlich scheint das ein Kinderfilm zu sein. So albern sind
die Bilder und Geschichten: Sie könnten das sein, was sich im Kopf eines
Fünfjährigen mit zu viel Plastikspielzeug im Kinderzimmer zusammenfantasiert.
Wenn er seine Pillen nicht, bzw. die falschen, bzw. zu viel genommen hat. So
schön bunt das alles ist, und so sehr im Deutschen die Synchro sich bemüht,
noch mehr Quatsch auf den Zuschauer abzudrücken (insofern ist sie in diesem
Fall kongenial): Irgendwann kommt ein Polizist angeflogen(!) auf seinem
Motorrad (!), an das er einen bunten Luftballon gebunden hat (!). Und die Guten
werden immer wieder angegriffen von den Außerirdischen auch an Land, und zwar
von einer Mannschaft von American Football-Spielern. Wohlgemerkt: Das sind
alles Schlitzaugen hier! Christian Brückner, der De Niro-Sprecher, sondert
ähnlichen Sprachmüll ab wie seine Kollegen, und irgendwann werden seine
Flugpilot-Kameradin und deren Geschwisterchen von den Bösen entführt, weil, und
das ist wohl die Haupthandlung, die Aliens aus einem Bergwerk irgendein Erz
brauchen, und die Guten unter Führung des Professors und unter Mithilfe von Kai
in seinem Roboter müssen kämpfen, was das Zeug hält, und übrigens kann der
Roboter seine Fäuste schleudern, aber die Feinde haben immer neue Roboter, und
die sind auch unbesiegbar wegen dem Erz aus dem Bergwerk, und der Professor
stirbt, aber mit Deltastrahlen kann er wieder auferstehen, und ach, es ist
schade, ich habe all die Sprüche im Film nicht mitgeschrieben, die Kai in
seiner Kiste und all die anderen Futzis so von sich geben, man müsste den Film
nochmal sehen aber andererseits nee, doch lieber nicht.
Harald Mühlbeyer