Jess Franco (R.I.P.) in der Grindhouse-Nacht - und eine "Eugenie"-Besprechung hier
Das Programm der Grindhouse-Nacht im Mannheimer Cinema Quadrat, am 27. April um 21.30 Uhr, steht schon lange fest. Länger jedenfalls als der Tod von Jess Franco, dessen Film "Frauengefängnis", Schweiz 1975, dort laufen wird. Dazu gibt es den französisch-italienischen Superheldenfilm "Flashman" von 1967, Regie: Mino Loy - phänomenaler Mist also, auf den wir uns schon freuen...
Zum Tode Francos soll hier nun ehrenvoll wiederveröffentlicht werden, was ich einstmals - 2006 - über sein "Eugénie" geschrieben habe und was bei irgendeinem Screenshot-Server-Umzug im Orkus verschwand:
Ein großer, internationaler Spitzenfilm
"De Sades Eugénie – Die Jungfrau und die Peitsche"
Aber natürlich, und jeder weiß das, handelt es sich bei Jess
Francos „Eugénie“ um einen reißerischen Sexschocker, der Trailer drückt genau
dies aus, indem er das Gegenteil behauptet. Der Triviatrack, der als Untertitel
zugeschaltet werden kann, listet auch dementsprechend geschätzte zehntausend
Pseudonyme Jess Francos auf, der unter diesen Decknamen unzählige Filme
rausgehauen hat. Nach dem Erfolg von Francos vorhergehender de Sade-Verfilmung „Juliette“
wurde also auch in diesem Fall schnell noch eine zweite hinterhergeschoben auf
der Grundlage von „Philosophie im Boudouir“. Die Geschichte einer unschuldigen
Jungfrau, die in die Fänge eines sadistischen Geschwisterpaares gerät und in einer
rituellen orgiastische Schwarzen Messe im Andenken an de Sade geopfert werden
soll.
Unter der Fassade dieses Z-Films hat Franco allerdings
durchaus Bemerkenswertes geschaffen, im Rahmen seiner finanziellen und
zeitlichen Beschränkungen beim Dreh selbstverständlich. Nach einigen obligatorischen
Softcore-Sexpassagen (Eugénie wird vom damaligen schwedischen Sexstarlet Marie
Liljedahl gespielt) gerät der Film immer düsterer, Die Dekadenz des de Sadeschen
Hedonismus wird greifbar, wenn das moderne Ambiente bei den de Sade-Jüngern
mehr und mehr der Mode und Ausstattung des französischen 18. Jahrhunderts
weicht, „um den Meister zu ehren“, wie es heißt. Und die lustvolle Brutalität,
die an der armen Eugénie durchexerziert wird, wird in einigen Szenen wirklich
spürbar - weil alles zunächst so sehr nach Billigfilm ausgesehen hat, erlebt
man die plötzliche Kraft der kinematografischen Mittel umso stärker, wenn Eugénie
– nur als Schattenspiel gezeigt – mit Peitsche und Morgenstern traktiert wird. Merkwürdig
zwingend wirkt es, dass Franco immer wieder durch Gitter und Zäune filmt, die
Protagonisten damit bedrängt im Gefängnis ihrer inneren Triebe; und
gleichzeitig schwingt immer etwas traumhaftes in dem Film mit: „Träume sind eine
Überspitzung unserer Sehnsüchte, oder unserer Ängste“, erklärt einmal Eugénies
Quälherr. Eine Platitüde, die der Film ernst nimmt.
Denn Eugénie ist nicht durchweg das unschuldige Mädchen, von
Beginn an ist da in ihr diese Sehnsucht nach Verruchtem, die sie dann ausleben
kann, als sie die Möglichkeit verspürt, dass Herr-Knecht-Verhältnis umzudrehen…
Wenn sie dann am Ende flieht, nackt in der Wüste, spiegelt ihr Entsetzen nicht
nur ihre Erlebnisse wider, sondern auch ihre Taten, die von Anfang an in ihr
angelegt waren.
In dieser Feststellung des Kerns von Sittenlosigkeit und
Unmoral, der in uns allen liegt und der jederzeit zum Ausbruch gebracht werden
kann, folgt Jess Franco mit seinem Film ganz der Philosophie de Sades – und die
Form als Sex- und Sado-Reißer ist dafür genau das richtige Ausdrucksmittel: ein
guilty pleasure für den Filmzuschauer.
Harald Mühlbeyer
Spanien/BRD 1969. Regie: Jess Franco. Buch: Harry Alan
Towers. Produktion: Harry Alan Towers.
Darsteller: Marie Liljedahl (Eugénie), Maria Rohm (Madame de
St. Ange), Jack Taylor (Mirvel), Christopher Lee (Dolmance), Herbert Fux
(Hardin).
Sprachen: Englisch/Deutsch
Extras:
Interview mit Jack Taylor, Triviatrack, Trailer
Länge: ca. 85 Minuten
Anbieter: Eurovideo
VÖ: 24.08.2006