Grindhouse-Nachlese Februar 2012 – Satans Sohn und Supermarkt-Slasher

Samstag, 25. Februar 2012, Cinema Quadrat Mannheim:

„Warlock – Satans Sohn“, USA 1989, Regie: Steve Miner

„Intruder“, USA 1989, Regie: Scott Spiegel


Jaja, die 80er… also, ich meine jetzt die 1680er, als in Boston noch Hexen verfolgt wurden. Da sitzt dann der ultrablonde Hexenmeister Warlock im Turm, gefesselt und geschunden, und nein: er will nicht gestehen. Und auch dass Redferne, stilecht in Trapperpelz gewandet, ihn mit stechenden Pupillen in tiefen Augen anblickt, erweicht ihn nicht. Er weiß ja, dass er gerettet wird, schwupps kommt ein Wirbelsturm und zack ist er weg. Und Redferne wahrscheinlich tot, oder so.

Jaja, die 80er… jetzt 300 Jahre später, da ist Kassandra ziemlich abgebrannt, hat aber immerhin eine hippe Frisur und hippe Kleider – pink und aus Plastik! –, einen gesunden Jugendwahn und außerdem eine Bleibe gefunden bei einem Schwulen. Gemütlich eigentlich, bis Warlock durchs Wohnzimmerfenster fällt und dabei fast die antike Kommode kaputtmacht. Weil der schwule Mitbewohner sammelt nämlich alte Möbel, das ist nicht ganz unwichtig im weiteren Verlauf, damit per Zufall die Figurengrundkonstellation des Films zusammenkommen kann: Warlock – Redferne – Kassandra. Der Schwule ist in der Zwischenzeit gekillt, Warlock hat es nach dessen Ring gelüstet, also mit Messer den Finger abgehackt und Ring mitgenommen – von diesem Ring wird im Weiteren nie mehr was zu sehen oder zu hören sein. Dafür die antike Kommode: darin versteckt, o Wunder, ein Teil einer dreigeteilten Satansbibel, hinter der Warlock her ist. Was Redferne verhindern möchte; an den sich Kassandra hängt, weil Warlock, dieser gemeine Kerl, sie per Fluch täglich 20 Jahre altern lässt.

Bis hierhin hängt der Film ziemlich durch. Es passiert zwar einiges, aber das ist recht lahm, eher episodisch, ohne Elan und anscheinend hauptsächlich per Zufallsgenerator erzählt. Wenn sich die Elemente versammelt haben, wissen wir immerhin, wo es lang geht, und dann folgen wir dem Film recht gerne. So, wie Warlock den einer Wahrsagerin entrissenen Augen folgt, die er per Satanszauber so geeicht hat, dass sie die drei Böse-Bibel-Teile finden können. Und so wie Redferne – mit Kassandra im Schlepptau – einen Hexenmeister-Suchkompass hat, der ihm die Richtung anzeigt, wo das Böse sich aufhält.

Das Schöne ist, das Julian Sands als Bösewicht und Richard E. Grant als Bösewichtjäger gut zusammenpassen, beide sehen gut aus und können über ihre Präsenz faszinieren: solche Augen, und solche Blicke, das gibt’s heute nicht mehr. Während Lori Singer als Kassandra vor allem durch ihre Outfits heraussticht, und im Übrigen als echte Tuss nicht Auto fahren kann, weil sie sich ständig schminken oder nach einem Kaugummi runterbeugen muss. Ja: Der Film hat keine Angst vor kleinen Scherzen, und er scheut auch keine Schmerzen; immerhin nämlich lernen wir, dass ein Eisennagel, in die Fußspur einer Hexe/eines Hexenmeisters gehämmert, Pein in der Fußsohle verursacht.

Überhaupt lernen wir viel über Hexen und über die Regeln, denen sie unterworfen sind: Milch wird sauer, Pferde scheuen, Flammen züngeln bläulich – nicht nur Redferne, auch ein alter Bauer, ein Mennonit, weiß das zu deuten, es kommt zum ersten Duell auf einer Farm. Und wir sehen, wie ein Hexenmeister fliegt: das sieht so aus, wie’s in den 80ern aussieht, wir kennen das aus der TV-Kinderserie um den „Kleinen Vampir“, ihr wisst schon: wo Gerd Fröbe den Geiermeier spielt und das Fliegen vorm Bluescreen noch aussieht wie Fliegen vorm Bluescreen. Salz übrigens verabscheuen Hexen. Dass Redferne aber eine Wetterfahne mit sich rumträgt und in ein Flugzeug mitnimmt, ist wohl eher dem Gag geschuldet.

So ist „Warlock“ eben doch ganz lustig, wenn man sich auf die 80er-Ästhetik mal eingelassen hat; und er beinhaltet gar eine richtig gute Szene. Warlock setzt sich zu einem Jungen auf einer Schaukel, der spielt mit einem Proto-Gameboy, sie unterhalten sich ganz nett – warum bist du nicht in der Kirche? Mein Vater mag Religion nicht – Warlock offenbart sich als Hexe, und auf die Frage, wie er denn fliegen könne, schneidet der Film um. Später dann erfahren wir von einem Kind, das wahrscheinlich von Kojoten verschleppt wurde, dem die Haut abgerissen und das Fleisch zerfetzt wurde; und von Redferne hören wir: Hexen fliegen per Zaubertrank, gebraut aus dem Fett ungetaufter Kinder.

Gute Szenen en masse finden sich in „Intruder“. Darin geht ein Killer im Supermarkt nach Ladenschluss um und tötet die Angestellten, die mit Aufräumen, Warenkennzeichnen und Rumhängen beschäftigt sind. Der Film ist eine Art Freundschaftsprojekt unter „Evil Dead“-Veteranen, Sam Raimi spielt mit und Bruce Campbell, beide Regie und Produktion bei „Tanz der Teufel“-Filmen, Scott Spiegel führte Regie, er war Autor von „Evil Dead II“ – alle drei waren zudem Highschool-Freunde –, Robert Kurtzman besorgte das Special Make-Up, Sams Bruder Ted Raimi spielt auch mit.

Der gewalttätige Ex-Freund bedroht eine Kassiererin, wird rausgeschmissen, der Supermarkt geschlossen, aber er schleicht rum… Und von den Angestellten fällt einer nach dem anderen dem Killer zum Opfer. Das ist von der Story her überhaupt nicht spannend, als Whodunnit ist der Film unglaublich schwach – vielleicht deshalb verrät sogar der Filmtrailer, wer der Killer ist (Achtung – wer den Link anklickt, hat nen Spoiler am Hals!).

Aber die verschiedenen Todesarten, die dieser lustig-gewalttätige Film bietet, machen alles wieder gut. Sie haben keinerlei Funktion für die Story, für die Filmfiguren, die keine Ahnung haben, was die ganze Zeit über passiert, sie sind einzig und allein zum Vergnügen der Filmzuschauer inszeniert, und das reicht ja auch. Man hat in einem Supermarkt ja ne Menge Möglichkeiten: Messer gibt’s genug, Sägen und Fleischerhaken in der Metzgereiabteilung auch, und im Büro ein Zettelspieß… Doch nicht nur die Waffen, auch die Ausführung der Morde ist doll. Der Marktleiter, profitgierig wie man als Marktleiter halt so ist, erleidet sein Schicksal: er wird aufgespießt auf dem Papierhalter, sein Kopf fällt auf die Rechenmaschine, die blutrote Zahlenkolonnen ausdruckt… und sein Blut tropft auf die Schreibtischlampe, wo es auf der Birne vor sich hinköchelt, mit psychedelisch-roten Schattenschwaden an den Wänden…
Weil der Killer pervers ist, zerteilt er die Leichen, verteilt sie im Markt, und ich bin sicher, nicht alle Körperteile in all den Regalen und Verstecken entdeckt zu haben. Eine Hand im Hummerbecken, ein Torso im Mülleimer, ein Auge im Olivenglas…

Der Film ist eine Freude in seiner ausgefallenen Exzentrik; und er verweist auf die Zukunft des Filmemachens. Während „Warlock“ ganz in seiner Zeit der 80er verhaftet war, ist „Intruder“ das Produktionsdebüt von Lawrence Bender, der fürderhin ca. alle Tarantino- und tarantinoverwandten Filme produzieren wird. Nur ein Jahr später entstand nicht im Supermarkt, aber in einer Lagerhalle „Reservoir Dogs“ – der von den Erfahrungen des Filmdrehs auf Kammerspiel-Level, die Bender mit „Intruder“ gesammelt hat, sicherlich profitierte.

Und dann haben wir in „Intruder“ noch die wunderbaren Kamerastandpunkte, die Bender zu Tarantino mitgebracht hat. Subjektiven aus dem Einkaufswagen raus, vom Kassenband aus, ja sogar die Perspektive des Fußbodens, über den ein Besen drüberfegt, oder die Sicht eines sich drehenden Türknaufs; natürlich kippt die Kamera da mit. Boy, muss Tarantino von „Intruder“ gelernt haben! All die extravaganten Kameraeinstellungen, die wir immer wieder bei ihm finden, Subjektive eines Samuraischwertes, ausm Kofferraum raus etc.: Das hat Spiegel in „Intruder“ im Extrem vorgemacht.

Harald Mühlbeyer