Grindhouse-Nachlese November 2012 - "Das Söldnerkommando" und "Daimajin"

Cinema Quadrat, Mannheim, 24. November 2012

„Kill Squad“ / „Das Söldnerkommando“, USA 1982, Regie: Patrick G. Donahue.

„Daimajin“, Japan 1966, Regie: Kimiyoshi Yasuda.



Da ist man mal wieder bei einer Grindhouse-Doppelnacht, nach vielen Monaten ungewollter Pause; und schon gibt es Neuerungen im Altbekannten: Reihen-Kurator Boris Becker hat einen Assistenten dazugewonnen, der frischen Wind in die Filmauswahl bringen wird. Die hat ja zuletzt oft auf die Horrorkarte gesetzt und soll nun an Vielseitigkeit gewinnen. Frisch erfüllt von einer neuen Dosis Trash will man dann tippend sein Herz ausschütten, will die Belustigung und, ja, Begeisterung in die Welt hinausschreiben. Und macht dann den Fehler, „Das Söldnerkommando“ zu googeln.

 Dann nämlich stellt man fest, dass irgendwelche Schwengel, schlimme Bratenbengel, einem schon lange nen gebrauchten Lutscher ans Hemd geklemmt haben, worauf ich einen totalen Minusbock hab: Völlig illegitim und absolut verwerflich, dass die besten Stellen des Films durch Youtube geistern! Soll man jetzt noch was drüber schreiben, wo’s doch für alle Welt offensichtlich verfügbar ist!? Ein Film, der schon im Original schwachsinnige Dialoge haben muss, die durch die Synchro soweit verschlimmbessert wurden, dass sie an kondensierter Kultigkeit kaum mehr zu überbieten ist. Unbeschreiblich schön, fast poetisch, trifft der deutsche Ton mitten ins Herz des zeitlosen Sprachsalats, der im Wissen um die Sinnlosigkeit jedes Versuchs, US-Umgangsjargon (der er ja ohnehin nur für den Film geschaffen wurde) in irgendeine deutsche Sprechrealität zu verpflanzen, künstlich im verschwitzten Treibhaus hirnhyperventilierender Synchro-Übersetzer hochgezogen wurde.

Bleibt die Handlung, und die ist von einer dramaturgischen Schlichtheit, die ebenfalls geradezu entzückend ist. Joe und seine Frau werden überfallen von bösen Buben. Ganz nebenbei erfahren wir dann, dass die Frau gestorben ist, Joe jedenfalls sitzt im Rollstuhl und will Rache. Also trommelt er seine Vietnamveteranenkumpels zusammen: Den Bodybuilder und den Bauarbeiter, den Gärtner, den Zuhälter, den windigen Betrüger. Jeder einzelne wird vorgestellt durch einen Schwachsinnsdialog, der nahtlos in eine Prügelei übergeht – denn alle im Film, egal ob Autoverkäufer oder Partygäste (auch weibliche!), können Kung Fu, oder zumindest das, was sich das amerikanische Prügelactionkino filmgerecht darunter vorstellt. Das jedenfalls ist das Riff, auf dem der Film basiert, es folgen Strophen und Refrain: Man verfolgt eine Spur, prügelt sich, der Gesuchte kommt um und hinterrücks wird auch einer vom Söldnerkommando gekillt, durch einen geheimnisvollen Snyper. Daraufhin: militärisches Appell in Joes Rosengarten. Und auf zur nächste Prügelei. Und so weiter, bis zu einer lauten, krachenden Coda, in der die diversen Instrumente des Films mutwillig zusammengekloppt werden.

Ein Kontrast dazu: Die klassische, emotional begleitende Filmmusik, die „Daimajin“ bot. Das ist im Grunde ein Crossover aus Samurai- und Riesenmonsterfilm, produziert, um dem japanischen Star Godzilla ein bisschen Paroli zu bieten – und zwar, indem man auf anspruchsvolle Kinematographie setzte, die eben gerade nicht trashig aussieht. Denn Regisseur ??? greift zurück auf die Traditionen des Kinos, speziell auf den deutschen Stummfilm, der oft genug zutiefst romantisch war – mit mythischen Urgewalten, die jeder Vernunft widersprechen.

Romantisch (= antiaufklärerisch) auch „Daimajin“, der die Legende eines steinernen Berggottes belebt, der angerufen wird, das Dorf von seinem gewalttätigen Tyrannen zu befreien. Eine Story wie im Golem, und von Wegener oder Murnau hat der Film einiges; die Natur, die in ihrer überhöhten Künstlichkeit umso gewaltiger wirkt, die Bosheit des Gewaltherrschers, die sich auch ins Metaphysische hinzieht. Denn sein erster Amtsbefehl ist der Verbot einer rituellen Feier, die den Berggott besänftigen soll; der Aberglaube soll bekämpft werden. Der Film erzählt davon, wie das Mysterium zurückschlägt.

„Daimajin“ ist als sinfonische Schöpfung gestaltet, die Filmmusik – die Begleitung für einen Stummfilm sein könnte –, die Ausstattung, die Mise en Scene wirken als harmonische Einheit, in die die Handlung fließend eingebettet ist: Zwei verstoßene Königskinder, die sich nach einem Putsch auf dem Heiligen Berg in der Höhle des Majin versteckt halten und zehn Jahre später die Rebellion gegen den Gewaltherrscher wagen. Beschützt werden sie durch eine Priesterin – sie hält den Berggott Majin in Schach, und sie ruft den Krieg des Sagenwesens gegen den Tyrannen aus. Dieser versklavt die Bevölkerung für megalomanische Bauwerke, lebt in vollem Bewusstsein seiner unumschränkten Macht. Und unterdrückt höhnisch lächelnd jeden Aufstand.

Bis der Majin aufersteht, am Ende des Films. Sein Auftritt ist nicht als Sensation des Riesenmonsters inszeniert, sondern als logische Konsequenz. Bewunderungswürdig die Tricktechnik, die ihn zum Leben erweckt: Schüfftan-Verfahren (oder ähnliches) und Matte-Painting, Modelle und natürlich Schauspiel in der Ganzkörper-Gummimaske sind so gekonnt ineinander geblendet, dass sie niemals lächerlich wirken.

Nein: „Daimajin“ ist kein Schund. Und damit der größtmögliche Gegensatz zum „Söldnerkommando“. Schön, dass alles unter der Grindhouse-Haube Platz findet.

Harald Mühlbeyer