Grindhouse-Nachlese April 2012 – Roger Corman spezial

„Frankensteins Todesrennen” / „Death Race 2000”, USA 1975, Regie: Paul Bartel.

„TNT Jackson“, USA/Philippinen 1974, Regie: Cirio H. Santiago


Ein Double-Feature mit Roger-Corman-Produktionen für dessen New World Pictures-Verleih – zwei trashige actionlastige Filme, die gezielt auf gleich mehrere publikumswirksame Exploitationmittel setzen: Autos, Gewaltsatire, nackte Haut; und Kung Fu, Blaxploitation, nackte Haut.

Der Anfang: ein riesiges Stadion mit riesigen Tribünen, der Hintergrund: ein sichtlich gemaltes New York, das aussieht wie Otto Huntes Entwürfe für Langs „Metropolis“; im Publikum typische Amerikaner plus ein paar Naziflaggen.
Dazu ein Reporter, der mit übertriebener Geschmeidigkeit den anstehenden Start der neue Auflage des interkontinentalen Straßenrennens kommentiert, sich an die Fahrer ranschmeißt und an sein Publikum. Die Fahrer: Deutsche in einer Art V1-Rennwagen – für sie die Nazifans –, ein Pärchen à la Altes Rom, Katastrophen-Jenny in Country&Western-Outfit, der italienische Mafioso Machine Gun Joe Viterbo – Sylvester Stallone! – und David Carradine als Frankenstein-Verschnitt, unbestrittener Favorit des Rennens und Held fürs Publikum. Sie geben alles auf der Strecke nach New Angeles, quer durch den Kontinent, über die Bergstraßen, die gleich hinter New York beginnen.

„Death Race“ von 2008, Regie Paul W.S. Anderson, ist ein straighter Actioner, ein typischer Jason Statham-Film – was ja zunächst mal was Gutes ist. Umso gespannter war ich auf das Original, „Death Race 2000“ – ich hatte gar mal in Erwägung gezogen, ihn zu kaufen! –; und umso mehr überraschte mich der Film. Die TV-Leute sind allgegenwärtig, nichts entgeht ihrem Blick und ihrer Umarmung – Promis jeglicher Couleur zählen zu den besten Freunden der Klatschreporterin, der Präsident der Vereinten Provinzen von Amerika ist unbestritten in seiner Allmacht, Unleidiges wird totgeschwiegen.
Die Rennfahrer sind mit vollem Einsatz dabei – es zählt auch ihr Leben –, sind des Jobs zugleich überdrüssig, und nehmen alles als sportliche Herausforderung. Das Massenpublikum liebt diesen modernen, mordenden Gladiatorenkampf und fügt sich geduldig in die Einlullungskampagne der Mächtigen. Und die paar wenigen Widerstandskämpfer unter der Veteranin Mrs. Paine schmieden große Pläne, das Rennen zu stören und den Präsidenten zu ermorden, die aber alle bestenfalls dilettantisch sind, schlechtestenfalls das eigentliche Ziel des gesellschaftlichen Umsturzes unwillentlich selbst sabotieren.

Sprich: Alle, die wir im Film sehen, sind Knallchargen, alles, was passiert, ist falsch – und Paul Bartel zieht daraus eine Menge Spaß. Indem er das falsche Leben im Falschen gezielt, pointiert zeigt; und dieses Zeigen von vorne bis hinten kontinuierlich steigert. Er bietet Action genug – das gefällt dem Publikum, für das der Film gemacht ist –; und zwar als Parodie – das gefällt dem Publikum ebenso, es ist schließlich die Jugend Amerikas, die zwischen Anpassung und Rebellion ein paar High School-Jahre hat, um die Sau rauszulassen; zumindest virtuell, in diesem Autofilm fürs Autokino über Autorennen. Er vermengt Gesellschaftskritik und Medienspott mit rasanten Stunts und Splattereffekten – in satirischer Überhöhung, wie der ganze Film durchgehend überstilisiert ist.

Die Kategorisierungen der Rennteams, vom alten Rom bis Frankenstein, trifft auf ein dankbares Publikum, stromlinienförmig rübergebracht durch staatstreu affirmatives Fernsehen, garniert mit Sex und Gewalt. Denn die gemischtgeschlechtlichen Rennteams sind auch körperlich füreinander bestimmt, zur abendlichen Entspannung strapazierter männlicher Muskeln. Und Punkte gibt’s am meisten für alte Menschen, Kinder auch gerne, mit Bonus für überfahrene Frauen: insofern hat Machine Gun Joe Viterbo Pech, als er als erstes Opfer einen Bauarbeiter erwischt: der leider erst 38 ist, zwei Jahre älter und es hätte 40 Punkte mehr gegeben… Nun wissen wir auch, warum vorne an den Fahrzeugen Messer und MG-Attrappen, Haifischzähne oder Stierhörner angebracht sind
– man muss ja die Massen aufgabeln, die sich zufällig oder absichtlich auf der Straße tummeln. Groupies nämlich bieten nicht mehr ihre Körper an, sondern ihr Leben, für ein möglichst hohes Punktekonto…

So ist das im Jahr 2000, 20 Jahre nach dem Weltkrieg, nach dem Umsturz in den USA, als die Partisanen siegten und eine neue Gesellschaftsordnung schufen, in denen der Reichtum einiger weniger Privilegierter dem Volk Glück verheißt – vor allem durch das alljährliche Todesrennen, weniger durch wirklichen Wohlstand für alle. Weshalb ja die Rebellen gegen das Partisanen-Establishment ankämpfen, mit allen Mitteln – die freilich oft genug völlig unzureichend sind. Obwohl, ein paar ihrer Hinterhalte haben’s in sich: Da wird ein Umleitungsschild aufgestellt, das zu einer riesigen Tunnelwand führt – die besteht freilich aus Pappe, hinter der Kulisse klafft ein Abgrund. Oder ein Angriff mit einem Ultraleichtflugzeug auf Frankensteins Wagen, inklusive Bombardement. Pech nur, dass die Medien die Wahrheit gepachtet haben und all die seltsamen Todesfälle an den Rennteilnehmern den Franzosen in die Schuhe schieben. Was wiederum nur ein weiterer Beweis dafür ist, wie klug und genau und vorausschauend diese Perle des Avantgarde-Trashs ist: sah man doch damals schon dickcheneyeske Mechanismen voraus.

„TNT Jackson“, der zweite Film, ist durch gewisse Merkmale der Machart mit „Death Race 2000“ verbunden – in beiden Filmen finden sich in Actionszenen hinreißend dilettantische Zeitrafferaufnahmen, die Geschwindigkeit vortäuschen sollen. Haha, so’n Quatsch! In Paul Bartels Film passt das super, dass im Vordergrund die Autos in scheinbar normaler Geschwindigkeit fahren, im Hintergrund sich Bäume und Menschen aber rasend schnell bewegen: übertrieben wie der ganze Style des Films. Bei Cirio H. Santiago ist dieses filmische Mittel einigermaßen ernsthaft eingesetzt – würde es fehlen, wären die eklatanten Kampfesschwächen der Hauptdarsteller nur umso offensichtlicher. So wirkt der Zeitraffer eher unfreiwillig komisch, denn er ist als Fehler erkennbar, der andere Fehler nur allzu unbeholfen überdecken soll. Schließlich ist die Hauptdarstellerin Jeanne Bell in der Hauptsache ein Playboy-Model – und die anderen, die da in Hongkong so rumrennen, ebenfalls alles andere als Kung Fu-Cracks. Lustigerweise ist genau das das Rollenprofil aller, die da vor der Kamera herumagieren: alles sollen dolle Kämpfer sein, deren Gürtel mindestens schwarz sind; weshalb es auch all fünf Minuten einen Kampf geben muss, bei dem freilich ellenweit am Gegner vorbeigehauen wird und die Moves sichtlich reine Pose sind.

TNT Jackson, afroamerikanische Heldin des Films, kam nach Hongkong, um ihren Bruder zu suchen; der freilich ist tot, von der örtlichen – mit Schwarzen besetzten – Drogengang hingemordet. Beim Kneipenbesitzer – Schlitzauge und Hobby-Haudrauf – im örtlichen Ghetto kommt sie unter und mischt in diversen gemischtrassigen Kämpfen mit – die keinerlei Motivation benötigen. Die internationale Polizei inklusive einer hübschen blonden Undercoveragentin mischen auch mit, in Theater und Kneipe, im Hafen und auf dem Friedhof kloppen sich irgendwelche Leute, man weiß nicht recht, warum. Aber Hauptsache, es geht zur Sache.

Lustig ist das schon, aber eher in einer herablassenden Weise. Eine bemerkenswerte Szene freilich haben wir auch in diesem Film: Die Bösewichter haben TNT Jackson in einem Raum gefangen, und jetzt wollen sie ihren Spaß mit ihr haben.
Schwups, steht sie nur noch im Höschen da – die beste Voraussetzung für eine zünftige Prügelei. Sie schaltet die Deckenlampe – geschickterweise mit einer Zugschnur ausgestattet – aus, und es ist dunkel. (Naja: im Spiel wäre es für die Leinwandfiguren dunkel, wir Kinozuschauer sehen immer noch genug!) Zack, von hinten haut sie einem auf die Birne, bis der nächste – zieh! – das Licht wieder anmacht, die Schurken packen wieder TNT Jackson, die aber – Licht aus! – wieder aus der dunklen Ecke bumm!, aber klick: Licht an, wieder die Bösewichter dran, bis – Licht aus! – die nackte schwarze Schönheit – und Kung! und Fu! – ein paar auf den Latz der Schurken. Eine der wenigen wirklich gut choreographierten Szenen, dieser Licht an-Licht aus-Kampf; ein Schmankerl in einem Film, den man ansonsten eher dem Vergessen anheim fallen lassen kann.


Harald Mühlbeyer