DIE LEGENDE VON AANG / THE LAST AIRBENDER


M. Night Shyamalans Missgeschick THE LAST AIRBENDER

Dass, wie und warum der neue Filme des THE-SIXTH-SENSE-Wunderkindes gar nichts werden konnte.

Von Bernd Zywietz


Teil I bietet maulige, gleichwohl homöostatisch zweckhafte Schelte, Teil II einen eher untersuchenden Blick auf THE LAST AIRBENDER als Film und mal wieder ganz eigenes Scheitern Shyamalans. Lesen Sie, was und wie es Ihnen taugt. Informationen zum Weinbau in Griechenland gibt es übrigens hier.



I.
Ein Buch über M. Night Shyamalan, Regisseur und Autor von THE SIXTH SENSE, dem unterschätzten UNBREAKABLE, THE VILLAGE oder, zuletzt, dem desaströsen THE HAPPENING hat der Autor dieser Zeilen verfasst. Heute startet in Deutschlands Shyamalans neuester Streich, THE LAST AIRBENDER / DIE LEGENDE VON AANG die 3D-Realfilmadaption der erfolgreichen TV-Zeichentrickreihe Avatar – The Last Airbender, und auch wenn besagter und wertgeschätzter Verfasser nichts dafür kann, so ist es doch recht und billig, von ihm dazu ein paar Sätze zu erwarten.

Wie passt THE LAST AIRBENDER (das „Avatar“ des Serientitels ging im Produktionsvorfeld an James Camerons welterfolgreichsten und schlecht erinnerbaren Epos verloren) also in das Oeuvre des indisch-stämmigen Junggeniefilmemacher von dereinst? Ist der Film eine Fortschreibung der magisch-humanistischen wie unterschwellig konstruktivistisch-kritischen Weltsicht Shyamalans oder ein Urlaub davon, ein neuer Weg, weg von dem alten, der nach Meinung der meisten zuletzt immer steiler bergab führte?

Tja, das sind so Fragen!

Ist das Desaströse von THE HAPPENING noch besonders ulkig gewesen, denn schließlich handelte es sich doch um einen eigenwilligen und in dem Sinne gar nicht so dummen Katastrophenfilm, ist THE LAST AIRBENDER ein Fiasko von anderem Kaliber, jedoch nicht mehr so sehr, leider, in einer originellen Shyamalan’schen Art und Weise.

Zum ersten Mal hat sich Shyamalan eines fremden Stoffes angenommen – eigentlich eine Chance für ihn auf Erholung oder, je nach Standpunkt, Möglichkeit zur Besinnung und Neuorientierung hin zum Besseren. Leider begeht Shyamalan, Regisseur und Drehbuchautor in Personalunion, den altbekannten und im ähnlichen Genre von THE GOLDEN COMPASS exemplarisch vorgeführten Fehler, zu viel an Handlung einzubauen (oder sich von Produzentenseite dazu zwingen bzw. verführen zu lassen). Die komplette erste Staffel der Fernsehserie – „Das Buch des Wasser“ – mit ihren rund 10 Stunden Erzählzeit wird hier für hundert Minuten zusammengehackt, in den Film gepresst, und was übersteht, nachgestopft oder um den Rand herum abgeschnitten.

Schließen Sie die Augen und denken Sie an die ersten oder letzten drei STAR-WARS-Filme zusammengekürzt auf weit weniger als ein Drittel (und Episode 3 machte ja schon ein wenig den Eindruck, als wäre so bei ihm vorgegangen). Oder eine 100-Minuten-Fassung von HERR DER RINGE. Eins bis drei. Extended Cut.

Ja, richtig: Ach du Scheiße!

Entsprechend schlecht lässt sich auch hier der Inhalt rekapitulieren, weil das, wovon der Film handelt, und das, was in ihm geschieht, so auseinandergewalzt und letztlich so dünn und leicht zerbrechlich werden wie indische Papads, vom Genuss her allerdings ungewürzt und zu labberig, wie zu lange im Wasser gelegen. So wie Aang.

Das Wasser ist in seinem Fall allerdings Eis, quasi ewiges. Eingefroren findet ihn dort das junge Geschwisterpaar Katana (Nicola Peltz) und Sokka (Jackson Rathborn). Aang (Noah Ringer) ist ein Junge, mit einem Pfeil auf der Glatze, von, ja, was weiß ich, zehn, elf Jahren. Aber das ist ohnehin so wurscht wie irreführend, denn tatsächlich ist Aang viel viel älter: Zum einen war er ja tiefgefroren, zum anderen ist er der Avatar, der / ein stets wiederkehrender mythischer Ordnungshüter und Friedensbringer, Erlöser und Ausbalancierer, der alle vier Elemente zu bändigen versteht.

Dieses Bändigen ist ansonsten nur den jeweiligen Völkern gegeben (und muss erlernt werden). Die Wasserleute, zu denen auch Katana und Sokka gehören, können – der Name verschaukelt einen nicht – Wasser beschwören, es gefrieren lassen, durch die Luft dirigieren. Ähnlichen Schabernack entsprechend mit Wind, Erde und Feuer vermögen die übrigen Menschenkinder zu veranstalten, wobei die Feuerleute allerdings in der Geschichte den Part der Schurken übernommen haben. Mit dem Feuer-Lord an der Spitze sind sie nämlich dabei, mittels ihrer Kriegsflotte und als Repräsentanten des bösen Maschinen- und Industriezeitalters die anderen Völker als Fischer und Bauer in wohligem Einklang mit Natur und Kosmos ihrem Tagewerk nachgehen, zu unterjochen.

Prinz Zuko, Sohn des Feuerlords (Cliff Curtis) und von diesem verstoßen, weil zu weich, will nun Aang kaschen, um damit seine Ehre wiederherzustellen und des gestrengen Herscher-Papas Liebe zu gewinnen. Der vor allem aus SLUMDOG MILLONAIRE bekannte Dev Patel spielt diesen Zuko und liefert damit die einzige ernst zu nehmende und vor allem interessante Figur: ein gekränkter und darob zorniger junger Mann, der es sich und seinem Vater beweisen will, der von dem ihn begleitenden und besonnenen Onkel Iroh (Shaun Toub) gebremst und von dem Flottenkommandeur seines Vaters gedemütigt wird, mit dem er sich eine Art Wettkampf um die Ergreifung Aang liefert – was ihn gar mal zu Aangs Retter macht.

Aang wiederum klappert mit seinen Freunden diverse Stationen in dieser Fanatsywelt ab, absolviert Nachforschung, Training, Selbstergründung und -erfahrung, wie es sich für einen jungen Jedi, Neo… sorry, Avatar geziemt. Große Macht, große Verantwortung, und dergleichen. Da nun das alles ratzfatz geschehen muss, bleibt von der inneren Dimension wenig übrig und vieles Behauptung. Hier macht einfach das episodische Erzählen der Vorlage dem Film einen Strich durch die Rechnung: Wenn beispielsweise Aang auf der Insel jenen Tempel besucht, in dem er dereinst ausgebildet und geprüft wurde, ehe er, der neuer Dalai La..- Avatar! eingeschüchtert geflohen ist und nun dort nur noch Niemanden, Nichts, Ruinen und Erinnerungen vorfindet, bekommt das wie ebenso der Besuch des Avatar-Tempels (richtig, auf einer ganz anderen Insel, eine andere „Episode“), nicht die Bedeutung, die es verdient und die für das Eintauchen in die Fantasywelt jenseits der fein animierten Kulissenoberfläche unabdingbar wäre.

All die damit verbundene Bedeutungsschwere, die spirituellen Dimensionen und sympathisch eklektizistische Fernost-Mythologie wirken entsprechend bemüht und wie in einem schlechten Reisekatalog fahrig angedeutet, auf dass man nach dem ganzen großen Trailer THE LAST AIRBENDER doch Lust habe, selbst hinzufahren, nachzuschauen (ein Kalkül, das nicht aufgeht). Zuletzt haben wir – zum Serienstaffel- bzw. Filmfinale – auch die obligatorische große Schlacht, um Helms Klamm, um Gondor, hier als Wasserstadt am Nordpol.

Sie wie ihre Einwohner, vor allem die Prinzessin Yue (Seychelle Gabriel – der Name ist Programm oder stellen Sie sich einfach eine Grinse-Cheerleader-Bienchen frisch vom nicht allzu wilden Faschingsfeste vor; oder schauen Sie einfach da, auf dem nächstem Foto!) - in diese Prinzessin verguckt sich Sokka, was uns bei der ersten Vorstellung der Hochherrschaftlichkeit der Film – wir haben ja alle keine Zeit mehr heutzutage – Kataras rekapitulierender Voice-Over mitteilen muss… Na, jedenfalls, Stadt, Leute, Prinzessin und überhaupt alles, Aangs fliegendes Bison, sein Lemurenfreund („guckt mal hier“ – und nie wieder gebraucht, obzwar dann stets mitgeschleppt): alles wird handlungstechnisch so funktional abgearbeitet als wolle man lediglich diejenigen Zuschauer befriedigen, die statt auf die Leinwand zu schauen auf ihrer Checkliste die „Drin-/Nicht-drin“-Punkte abhaken.

Die Schauspielerei der Kinder und Jugendlichen? Auch hart an der Grenze, was aber wiederum gar nicht mal an ihnen liegt, noch nicht mal so sehr an Shyamalan, der sie dabei als Regisseur an die Hand nahm (oder hätte nehmen sollen). Sondern an Shyamalan, dem Drehbuchautor, der sie ab und an nachgerade psychedelisch furchtbare Füllsätze sagen lässt, die nicht wirken, als hätten sie die Stars eines deutschsynchronisierten US-Verkaufsdauersenders rezitiert, sondern die Switch-Humoristen auf Pro7, die das Ganze verhohnepipeln. So erzählt die reizende Cheerleader-Prinzessin dem pferdebeschwanzten artig lauschenden Sooka, die spirituelle Legende von ihrer Haarfarbe, die, nein, nicht mit einer Mär vom damit einhergehenden Arschgeweih verbunden ist, sondern, ganz Recht, kurz darauf in Shyamalans Grundkurs für erzökonomisches Erzählen selbstverständlich von Relevanz sein wird. Und, da sie geendet, schaut sie der Jüngling an und sagt verdutzt: „Das hast du mir noch gar nicht erzählt!“

Fein, zugegeben, im Kino selbst kommt das viel lustiger rüber, hat auch gar nichts von der putzigen Unbeholfenheit, mit der Buben der hübschen Mädchen Geschichten lauschen und daraufhin noch etwas Geistvoll-Verständiges erwidern müssen, obwohl vor lauter Mädchen an sich weder Platz für Geschichten noch geistvoll-verständige Antworten im Kopf ist…

Aber es ist ein Jammer mit dem Erzählen und Erzähltwerden in THE LAST AIRBENDER. Damit hatte Shyamalan schon in THE LADY IN THE WATER seine fröhliche Not: Erinnert sei an die Asiatin mit ihrer Mutter, die, sobald es nicht weiterging im Film, auftrat wie die narrative Dea ex machina und mit einem „Übrigens ist mir noch eingefallen“-Häppchen die Handlung nachgerade selbstironisch (man denke an Paul Giamattis resigniert-fatalistischen Gesichtsausdruck) weiterkurbelte. In THE LAST AIRBENDER ist es das ganze Füllhorn an Erinnerungsrückblenden, Omas Geschichtenerzählen, Voice-Over, Traumerscheinungen und Parallelhandlungen, die die Handlung so grazil verpacken wie Männer Geburtstagsgeschenke.

Aber der Autor dieser Zeilen will hier ja nicht schimpfen, höhnen und anderer Leute Müh und Kunst gehässig vorführen, denn wo kämen wir da hin. Unmut und -gnade rühren vor allem vom Verpassen der Chance, die sich mit der Vorlage bot sowie der grundsätzlichen Art des Missglück, das durch ein Mehr an Erzählzeit und -raum verringert und nicht vergrößert worden wäre.

Natürlich gibt es abgesehen vom Problem der kritischen Erzählmasse, hier überschritten und prompt um die Ohren geflogen, Kritikwürdiges. Dass und was famos und gelungen ist, lässt sich schwerlich zwischen Shyamalan und dem vorgefundenen Material aufteilen. Einiges allerdings, das schief gelaufen ist, ist ganz und gar Shyamalan, und das ist es, was an THE LAST AIRBENDER eigentlich das Spannende ist.



II.
Man kann es richtig vor sich sehen, was Shyamalan verlockt und begeistert hat, und was ihn zugleich in die Irre geführt hat. Dazu ein Blick zurück auf die Filme, die Shyamalan bislang gedreht hat.

Da ist THE SIXTH SENSE, der ihn über Nacht zum Wunderkind und König (später: Narren) des Plottwists gemacht hat: Ein psychologischer, ruhiger, unglaublich exakt inszenierter Gruselfilm, der zugleich das Genre links und recht überholte, es zu ernst nahm und zugleich nicht ernst genug, da er ihm gerade in seiner formalen und stilistischen Finesse nicht ganz zu vertrauen schien und es inhaltlich auf den Kopf stellte, indem er eine grundernste unzynisch-optimistische Vision, einen Glauben (im Sinne von Vertrauen und Bestimmung, Liebe und allgegenwärtiger Spiritualität) darin einpackte. Mehr noch tat Shyamalan das bei dem (Anti-)Comicheldenfilm UNBREAKABLE, der sich formal dem BAT- und SPIDER-MAN-Genre verweigerte.

Auch in den späteren Filmen, SIGNS und THE VILLAGE (die immer mehr nicht an sich, sondern wegen Shyamalans Didaktik verhöhnt wurden) war die Erzählform, die Bilder und ihre Anspielungen immer auch sowohl ein Konstruktivismus des Kinos und der westlichen Kultur wie einer der Figuren in den Filmen selbst.

Mit THE VILLAGE begann Shyamalan dazu sich von den Ready-made-Genres als populäre Mythenraster abzulösen: Die Dörfler basteln sich ihre eigenen Legenden und Monster, um sich selbst von der Welt abzuschotten, und die meisten, die darin platten Symbolismus erkannten, übersahen, dass und wie Shyamalan damit zugleich mitberücksichtigte, wie sehr Menschen solche gemachten Welten und Wahrnehmungen wollen und brauchen, welchen Preis man dafür zahlt – und wie diese sich verselbständigen und echte Realität werden. Folgerichtig bastelte sich Shyamalan aus einem Kindermärchen, das er für seine Töchter erfunden hat, eine eigen verworrene Mythologie, drehte „daraus“ LADY IN THE WATER – eine Nymphen-Prinzessin aus dem Swimmingpool einer von schrägen Vögeln bewohnten Apartmentanlage – und inszenierte sich selbst darin als Geschichtenerzähler, dessen Werk dereinst die Menschheit inspirieren wird. Kritik an einer solchen kuriosen, bravourös missglückten und erfrischend eigenwilligen Frechheit hebelte er von vornherein aus, indem er das sinnvoll dysfunktionale Fantasy-Märchen zur selbstironischen Meta-Parodie seiner selbst machte – bis dahin, dass Shyamalan einen Filmkritiker vom bösen (Gras-) Wolf fressen ließ. Was so platt war, dass es schon wieder lustig wurde. Dass Shyamalan dabei den Humbug selbst zu ernst nahm, brauchte den Film selbst nicht scheren.

Mit dem katastrophalen (Anti-)Katastrophenfilm THE HAPPENING landete er einen veritablen Flopp, der weniger ein Verrennen als einen fast verzweifelten Orientierungsverlust des visionsgewaltigen, aber zugleich kritikscheuen und auf „Mit-Gläubige“ angewiesenen „auteur“ der ganz eigenen Art darstellte. Dabei war der Film durchaus ein schlaues Zurück zum Grundkonzept, ein relativ „volkstümliches“ und reguliertes Genre zu nehmen und für die eigene Message zu kapern. Doch angezählt wie Shyamalan vom Standing gegenüber dem Studio her war, wurde daraus nur ein heilloser, verworrener und schlecht geschriebener Kompromiss, ein Umwelthorrorfilm, in dem Pflanzen sich mit Selbstmordgas gegen die Menschheit wehren, auf dass Mark Wahlberg und Zooey Deschanel als lebende Comicfiguren vor Wind und Gras davonlaufen.

Wie sehr Shyamalan der Film entglitt, zeigt sich allein schon in der Inszenierung, vor allem in der Kameraarbeit Tak Fujimotos, mit dem Shyamalan mit THE SIXTH SENSE noch genau ausgeklügelt hatte, was er wie mit welcher Wirkung zu kadrieren hatte…

Und jetzt THE LAST AIRBENDER. Schon lange waren die Forderungen laut geworden, Shyamalan solle es jetzt erstmal gut sein lassen und sich nicht wieder dem eigenen Hokuspokus zuwenden. Gesagt getan, der Mann ist schließlich störrisch, aber nicht lernunfähig. Dumm nur, dass er selbst die Drehbucharbeit übernahm.

Der Stoff und Shyamalan passten freilich auf den ersten Blick wunderbar zusammen, vor allem wenn man an LADY IN THE WATER denkt. Element-Energie, umfassende Spiritualität, eine Mythologie mit ihrer Ordnung, basierend auf Gleichgewicht und Wiedergeburt, dazu weise, mutige Kinder, der Erlöser, der keiner sein will, Selbstzweifel, Glaube, Vertrauen, Liebe und Bestimmung…

Mit einigen Aspekten – seine bisherigen Filme haben das ahnen lassen – kommt Shyamalan jedoch gar nicht klar. Hätte man Woody Allen oder Jim Jarmusch an THE LAST AIRBENDER gesetzt, wäre das sicher dahingehend auch in die Hose gegangen, aber dass Shyamalan lediglich kein Actionregisseur ist und es schließlich auch nie war, wäre ein wenig zu wenig gesagt. Im Grunde sind es eigentlich die Qualitäten, die seine vorherigen Filme auszeichnen, die sich jetzt als Belastung erwiesen haben.

Zum einen ist Shyamalan ein Kammerspieler, in zweifacher Hinsicht. THE SIXTH SENSE und UNBREAKABLE, wie davor PRAYING WITH ANGER, spielen an noch verschiedenen Schauplätzen, ganz normal, doch immer mehr verengen sich bei ihm die Handlungsräume, über die Farm im Maisfeld in SIGNS, dem vom bedrohlichen, verbotenen Wald eingefassten VILLAGE bis hin zu LADY IN THE WATER, in dem die ganze Fantasywelt Platz und Reiz hat, weil sie in das festumrissene Gelände des Apartmentkomplexes, seinem Pool und dem dahinter liegenden, „gefährlichen“ Naturwuchs projiziert ist. Inhaltlich wie inszenatorisch, mit den Rahmungen, den Decken, Türen und Wänden, den Fenstern und Einzelräumen war das immer wichtig für Shyamalan, weil nur damit die irritierende Symmetrie in den Bildern zu haben war, hoch semantisierte und psychologisch wirksame Blick- und Bewegungslinien, Positionsmarker, die für die Kamera ebenso wichtig waren wie für die Figuren in den Filmen selbst, ihre Charakterisierung, ihre Ängste und Wünsche, ihre Bedürfnisse und Befürchtungen. Vor allem eben in THE VILLAGE, wo die Häuser vor dem „Wald“ (= Welt) schützen wie sie zugleich zum Gefängnis werden. Oder in LADY IN THE WATER, wo die Machträume der Menschen und Mythenwesen genau definiert ist und ihr Bewegungsprofil mehr von der Handlung und dem Sinn des Films verraten als die unmittelbaren Worte und Taten der Protagonisten.

Wie sehr Shyamalan sowohl für sich selbst erzählerisch-psychologisch wie für sein Regiehandwerk die Horizontalen und mehr noch die Vertikalen als Spannungsgefüge braucht, zeigt sich in THE HAPPENING, wenn genau dieses Raster wegfällt. Zu Beginn, wenn die unheimliche Selbstmordserie beginnt, fesselt Shyamalan und Fujimoto über die Perspektiven und Personenpositionierungen. Sobald es jedoch von der Stadt hinaus aufs Land geht, gar in die Natur, auf die Wiesen und Weiden, verirrt sich Shyamalan geradezu – was soweit führt, dass er seine Akteure ausnehmend surreal falsch auf ihre Umgebung reagieren lässt, so wenn eine Gruppe von Menschen schnurgerade auf ein verlassenes Auto zumarschieren, ohne es zu sehen oder das Haus dahinter.

In THE LAST AIRBENDER herrscht dieselbe Ortlosigkeit. Einmal im Großen: das verwirrende Durcheinander von Erzählmitteln des Raffens korrespondiert mit der unübersichtlichen Vielzahl an Handlungs- und Bedeutungsstätten, zwischen denen die Figuren je einzeln hin- und herspringen und die Shyamalan dementsprechend auch in ihrer Innerlichkeit, in ihrer Bedeutung (auch für die Figurenpsychologie für den Zuschauer), der thematischen Bedeutung des Films oder des Symbolgehalts der Element-Mythologie sowenig im Griff hat, dass sie auf eine ganz merkwürdige Weise zugleich zusammen- und auseinanderfallen. Natürlich haben die Kulissenbauer und -animatoren Großartige gezaubert, und Shyamalan gönnt uns mehr davon (wenn auch nicht zeitlich) als z.B. THE GOLDEN COMPASS von seiner Welt. Doch zugleich sind die Außenräume, verstärkt durch ihren Studiogeschmack, mit einem seltsamen Unbehagen durchzogen. Der Spaß beim ersten – und einzigen großen Luftritt – auf dem Bisonrücken hält sich in Grenzen, ansonsten gibt es relativ wenige Ankünfte und Abreisen.

Eine andere markante Szene ist so dysfunktional inszeniert wie bestechend ungewohnt, fast schon originell. In einer der kurzen „Episoden“ sind Aang, Katara und Sokka bei den Erdleuten. Die stehen weitgehend schon unter der Knute der Feuersoldaten. In einem Dorf wollen unsere Helden die Unterdrückten, die sich in ihr Schicksal gefügt haben, wieder dazu zu bringen, sich ihrer Macht des Erdbezwingens zu erinnern. Als es nun zur Auseinandersetzung zwischen Soldaten der Feuernation und den drei Jugendlichen kommt, bei dem natürlich Katara ihre Wassertricks vollführt, Aang mit Wind hantiert und ansonsten sich geprügelt wird – da dreht Shyamalan den gesamten Kampf, der in einem relativ eng begrenzten Platz stattfindet, in weitgehend einer einzigen Einstellung, wobei die Kamera um die Figuren herumschwebt und dabei „im Raum schneidet“. Ein verblüffend undynamischer Eindruck ist die Folge, eine Distanzierung. Dieses bewegte Statik wirkt wie ein Überbleibsel der früheren Shyamalan-Filme mit ihren langen, fixen Einstellungen, in denen der Zuschauer jedoch nicht nur als Zuschauer oder aber Blickäquivalent einer der Figuren im Film, sondern als eine Art Gegenfigur mitinszeniert wurde (so in THE SIXTH SENSE, wenn wir objektiv auf Bruce Willis als Malcolm schauen und gerade dadurch, wie er, nicht mitbekommen, dass ihn niemand sehen kann – oder in SIGNS mit den mehrfachen Blick der Protagonisten direkt in die Kamera).

Noch markanter wird das Kameraspiel in der Actionszene, wenn einer unserer Helden vor den Soldaten zurückweicht – und sich plötzlich vor ihm der Boden zu einer schützenden Wand erhebt. Wir kreiseln weiter und erblicken jetzt die bislang passiven Einwohner und Erdbezwinger, die nun in einer Reihe wie eine Maori-Kriegertruppe aufstampft, ein- und angreift.

Shyamalan verschenkt hier die Wirkung der Überraschung, indem er deren Momentum nicht nutzt, um sofort der Wahrnehmung des Geretteten zu folgen und zum Ursprung des Ereignisses zuschneiden – der schließlich auch inhaltlich von Bedeutung ist: die „Eingeborenen“ haben sich ihrer Ehre und Kraft besonnen und sich entsprechend gegen die Unterjochung erhoben. Stattdessen bleibt Shyamalan im eigenperspektivischen, göttlichen Umherschweben, der einen epischen Überblick suggeriert (und damit an die erste Heldentat in UNBREAKABLE erinnert, wenn Bruce Willis quälend mit dem Familienmörder kämpft, ihn langsam erwürgt und die Kamera dies von oben herab, ungeschnitten, ungerührt beobachtet).

Die Szene wirkt zum einen wie eine Show in einem Themenpark, distanziert und aufgeführt. Oder aber wie Tolkins Roman mythologisch „überliefernder“ Herr der Ringe gegenüber Peter Jacksons Verfilmung, die unmittelbar miterleben lässt.

Hierin liegt die Crux von THE LAST AIRBENDER: Shyamalan nimmt die Mythenwelt, die ihm die Serie liefert, zu ernst, er hat an ihr mehr Interesse als an den Figuren, die in gewisser Weise alle Avatare sind, kaum was Fröhliches haben, nichts Verschmitztes, Freches, Kesses, und darüber vergisst er den schieren Spaß. Zumal er es mit Humor ohnehin nicht sonderlich hat, zumindest nicht mit dem Humor, den es hier braucht und den auch die Zeichentrickvorlage auszeichnet: Shyamalans Witz ist lakonisch, überaus trocken, und er kommt vor allem da zum Zuge, wo er in der inszenatorischen Steifheit und dem ironischen Spiel mit Bild- und sozialen Symmetrien eine Heimat findet (so wenn Mel Gibson als Priester in SIGNS mit drögem Blick in die Kamera, sorgfältig im Bildkader gerahmt, die ermüdende ad-hoc-Beichte der Drugstorebedienung lauscht und eine verdeckter Kunde kurz über Grahams Schulter lugt). Oder der Shyamalan’sche Schenkelklopfer entsteht aus den Konventionen, Stimmungen und Grenzen des Erzählens und seines Genres, genauer: aus dem Reiben daran, z.B. durch einen erlösenden Bruch des Pathos-Augenblicks in LADY IN THE WATER.

THE LAST AIRBENDER an sich bietet zu keiner dieser Humorspielarten die Chance, und das Agile, Ausgelassene rein für sich ist eben nicht Shyamalans Ding. Man kann ihn sich gut und gerne als Mann vorstellen, der gerne lacht, mehr noch lächelt und tolle Anekdoten erzählen kann, aber keinen Witz, zumindest nicht, ohne dass es ein bisschen beklommen dabei wird.

Was Shyamalan nun leider übersieht, ist, dass im Grunde alles Wasser-, Luft-, Feuer- und Erd-„Bendern“ selbst (auch aufgrund des beschränkten Erzählrahmens) keinen tieferen Sinn hat (auch nicht bekommen kann) als im Kampf jugendgerecht sich die Gegner mit dem entsprechend Element beharken zu lassen, sich umzuhauen, den Angreifer einzueisen – oder, wenn es schiefgeht und damit die Kinder was zum frohlocken haben: den eigenen Bruder.

Shyamalan aber sucht einen tieferen Sinn, lässt Jungen und Mädel bierernste Kung-Fu-Gesten vollführen, ist aber zuletzt wiederum so konsequent, von der Anime-Vorlage abzuweichen, offenbar weil er eine Art mythopoetisch Inkonsistenz entdeckt hat: Während Aang am Ende der „ersten Buchs“ der TV-Serie die Armada der Feuernation mit den beschworenen Meereswellen versenkt, lässt Shyamalan ihn damit in der Filmversion nur damit drohen, so dass sich die Flotte zurückzieht. Und tatsächlich ist der Avatar ja kein Rächer und Vernichter, sondern eben der, der das Gleichgewicht (wieder) herstellt – ganz nach Shyamalans Weltsicht und seiner Botschaft, die er auch in THE LAST AIRBENDER gefunden hat, die er verkündet, auserzählt, auch wenn er da keinen Spaß versteht bzw. es auf Kosten des „Spaßes“ geht.

Man kann sagen was man will: Ein Shyamalan-Scheitern ist und hat immer noch eine ganz eigene Klasse und Konsequenz.


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