FILMZ 2013: DAS MERKWÜRDIGE KÄTZCHEN


Fehlerhaft und phänomenal

Happy Birthday, KONTRASTFILM! Die Mainzer Produktionsfirma, langjähriger Förderer und Wegbegleiter des FILMZ – Festival des deutschen Kinos, feierte gestern, am Freitag den 29.12., sein Zehnjähriges. Die Party war zugleich gesellschaftlicher Höhepunkt des FILMZ außerhalb der Kinos, wie schon die KONTRASTFILM-Feiern in den Jahren zuvor. Nach der alten Postpakethalle hinterm Bahnhof oder, beim letzten Mal (sprich: im vorletzten Jahr), der ausgedienten Schule am Cinestar lud Tidi von Tiedemann mit seinen Mitstreitern dem Jubiläum angemessen in den feinen Klinkerblock am Mainzer Zollhafen. In schickem Ambiente wartete im Südteil des Baus Büffet beim Empfang, ehe dann im Norden des Gebäudes Bummbumm- und andere Musik die FILMZ-Party so richtig startete.

Ein zweifellos gelungener Abend (bzw. Nacht bzw. Morgen) auf der Mole für KONTRASTFILM. FILMZ hingegen, für das dieses Event erneut den Endspurt (Samstag und Sonntag) einläutete, steht hingehen im Jahr seiner Wiederkehr unter keinem allzu guten Stern. Zumindest, was die Technik betrifft. Mehr als gemeinhin üblich wird man Zeuge (oder hört von) Vorführungsproblemen: Hier ein falsches Bildformat, dort stockt die BluRay. Das erinnert an den Max Ophüls Preis, bei dem die digitalen Projektionen auch solche Schwierigkeiten machten, dass die Festivalleiter ad hoc zu dem Thema ein Pressefrühstück anberaumte. 2006 war das.

Andererseits lacht Fortuna dem FILMZ und seinen Zuschauern hinsichtlich des Angebots in der Spielfilmwettbewerbsschiene. Selten, vielleicht sogar wie nie zuvor, finden sich so viele Perlen im zugleich bunten (und mutigen) Programm, dass die Verleihung des „Mainzer Rads“, des Haupt- und zugleich Publikumspreises, am Sonntag tatsächlich spannend wird. Kleiner Wermutstropfen nur: keiner der zwölf Kandidatenfilme feierte in Mainz seine Premiere; das war schon mal anders. Aber FILMZ hat ja auch ein Jahr pausiert, und Tiziana Calò, Kerstin Krieg, Cornelius Kern und Urs Spörri als Auswahljury der Langspielfilme ist herzlich zu danken, nicht zuletzt weil sie und das FILMZ demonstrieren, welches vorzügliche Jahr für den aktuellen deutschen Film hinter uns liegt.

Einer dieser grandiosen Filme neben KOHLHAAS, dem harten TORE TANZT u.a. ist DAS MERKWÜRDIGE KÄTZCHEN von Ramon Zürcher, dessen Publikum auch Pech in Sachen Projektion hatte: Die erste Vorstellung von Festplatte wies ein enges Lichtpunkteraster auf der Leinwand auf, und denjenigen, die sich daran störten, wurden Ersatzkarten für das zweite Screening offeriert – das dann allerdings auch, so war zu hören, seine Macken hatte. 

Ganz egal: DAS MERKWÜRDIGE KÄTZCHEN stand und steht in seiner Brillanz über solchen technologischen Faxen, wurde durch diese vielleicht noch besonderer (zumindest besonders merkwürdiger, und man denke an seltene, begehrte, folglich teure Fehldrucke, -prägungen etc. -- vielleicht ein originelle Innovations- und Alleinstellungsidee für das FILMZ?). Auf der diesjährigen Berlinale erregte dieses seltsame Stück Kino jedenfalls Aufmerksamkeit und erntete Beifall. Für Rüdiger Suchsland auf artechock war es der „überraschendste Film“ und DER Geheimtipp der Berliner Filmfestspiele, aber schon, wenn man auch nur grob an so etwas wie eine Deutung oder auch nur Inhaltsangabe gehen will, wird es schwierig. Frédéric Jaeger von/auf critic.de erkannte „eine deutsche Gesprächskultur“ zelebriert, „wie sie selten in Spielfilmen erfahrbar wird“, eine Untersuchung in Sachen Kommunikation und eine Milieustudie im Berliner Altbau. Das kann man so auffassen, tatsächlich aber lässt sich DAS MERKWÜRDIGE KÄTZCHEN partout nicht auf derlei Themen und Inhalte festnageln oder runterbrechen, flutscht einem durch die Finger. Grob lässt sich die Handlung, wenn denn von einer solchen die Rede sein kann, beschreiben als der Tag eines Familientreffens zu Hause, und tatsächlich verbleibt der Film weitgehend in der Altbauwohnung, doch wer da wer bzw. was in der Familie ist, lässt sich zum großen Teil nur deuten (oder aus Paratexten wie dem Presseheft erschließen). Jenny Schily als „melancholische“ (Suchland), aber auch leise bissig-biestige Mutter, klar. Die große (MEIN FREUND AUS FARO-Anjorka Strechel) und die kleine Schwester, okay. Aber ist etwa der junge Mann, der da unvermittelt in der Küche auftaucht, nun der Bruder oder der Freund der älteren Tochter? DAS MERKWÜRDIGE KÄTZCHEN hilft einem nicht weiter, auch die Wohnung selbst muss man in Teilen zusammenreimen; plötzlich ist da irgendwie noch ein Zimmer ... ---

Als Rezensent rettet man sich, um diesem großartigen Film, zumindest ein kleinbisschen Herr zu werden, unweigerlich ins Metasprachliche. Zum einen weil DAS MERKWÜRDIGE KÄTZCHEN weniger ein Rätselspiel ist oder überhaupt narrativ, sondern in erster Linie eine Erfahrung. Zum anderen ist eben diese nicht nur, aber vor allem in Sachen Kino so ungewöhnlich, dass sie verführt, Oxymora auf einander zu schichten oder zumindest mit Widerspruchsmetaphern zu hantieren und mit bizarren Vergleichen. „[A]ls ob die strengen Autorenfilmer der »Berliner Schule« eine Familien-Soap inszenieren würden“, so Suchsland. Man könnte ebenso sagen: Wie wenn Jacques Tati WARUM LÄUFT HERR R. AMOK? als sanfte, liebende, humorvolle und doch befremdende Vor-Vor-Vorgeschichte der Maniac-Familie aus dem TEXAS CHAIN SAW MASSACRE gedreht hätte. Nur eben in Berlin, im Altbau, mit Hund und Katze und mit roten Dielen. -- Hilfe!

DAS MERKWÜRDIGE KÄTZCHEN ist ein phänomenaler Film. Nicht nur im Sinne von „außerordentlich“ oder „grandios“, sondern auch von „phänomenologisch“. Zu den Sachen selbst; aber hier wie bei Husserl meint das keinen simplen Realismus oder falschen Positivismus. DAS MERKWÜRDIGE KÄTZCHEN beobachtet und ist zugleich hochgradig artifiziell in seiner Inszenierung, pickt mit Großaufnahmen und genau komponierten Einstellungen Figuren und Details heraus – schneidet sie aber auch nur an oder belässt im Off, begrenzt die Wahrnehmung. Dadurch und darüber wird ein feines Netz an Dingen, Handlungen, Worten, Blicken und Reaktionen geknüpft, dieses aber auch offen lässt, Verweisfäden des Nichterklärten, des Nicht-Nachvollziehbaren.

Zürcher betreibt so mit leichter Hand eine Pathologie des Normalen, (re)konstruiert den Surrealismus des Alltäglichen und Allgewöhnlichen bei allen bizarren Kleinigkeiten, wie einer leere Flasche, die in einen Topf gestellt, unaufhörlich wippt und kreiselt und damit schließlich auch einige der Figuren selbst amüsiert (womit jeder filmsymbolische Metaphern-Charakter sich schon wieder erledigt).

Mal notiert der Film in der Summe seiner Gestaltungsmittel zusammen mit diesem oder jenem Familienmitglied etwas, mal beobachtet er sie beim Beobachten; bleibt außen vor. Mal ist es ein eigenständiger umherschweifend-zufälliger, dann wieder genau interessierter, registrierender Blick (hier wird vor allem die rotbraune Katze zum heimlichen Protagonisten des Ganzen). Alles in statischen Einstellungen. Viele der kleinen großen Figurenreden, Anekdoten, zwei illustriert durch den Film, kommen in steifer Sprache daher – wer redet schon im Alltag im reinen Imperfekt? Dann wieder hingeworfenen, lautdenkende Dialogsätze, die sich an keinen richten, die durch den Raum und die Figuren wabern wie elektronische Wellen. Dabei bleibt DAS MERKWÜRDIGE KÄTZCHEN, das ist das erstaunliche, so originell wie unforciert, schlicht beeindruckend in seiner Souveränität. 

Alles hat, vielleicht, auch seinen Sinn, seine Logik, sind die gestischen „Spielhandlungen“ der Figuren, mal heiter, mal leicht bedrohlich (so wenn die Mutter sich verträumt anschickt, der futternden Katze mit dem Fuß den Kopf in den Napf zu drücken). Weil wir aber nichts erklärt bekommen, weil Psychologie und Kausalitäten weitgehend ausgespart sind, stehen wir mal lachend, mal mit einem unheimlichen Gefühl, stets aber staunend vor den Dingen, die nicht oder nur bedingt eine „errettete Wirklichkeit“ ist. Über das Unausgesprochene, das Verweigern und das Geworfene, das Traumartige, das Verrätselte (eines, das keine Lösung kennt – darin ähnelt der Film dem Beobachten eines David Lynchs, bei allen Unterschieden), über das Andeuten, Anschneiden und das Periphere lehrt DAS MERKWÜRDIGE KÄTZCHEN nicht das Sehen neu, aber ein fremdartiges Sehen. Man kann auch sagen: DAS MERKWÜRDIGE KÄTZCHEN ist vornehmster cineastischer Vertreter eines zärtlich magischen Autismus. Ein Film, der sich einem immer noch über die Augen legt und die Wahrnehmung verrückt, wenn man aus dem Kinosaal hinaus ist.

Kongenial und immer besser, immer treffender entlang des Filmverlaufs, tritt zur famosen Bildgestaltung des dffb-Kamerastudenten Alexander Haßkerl die Musik u.a. von Stephane Leonard hinzu. Freilich hätte man als Soundtrack ebenso gut Jazz-Meister Dave Brubecks „Take Five“ wählen können. Eleganz und doch neurotisch, leicht schizophren. E
rschienen ist das Stück auf dem Album von 1959 mit dem für DAS MERKWÜRDIGE KÄTZCHEN ebenso passenden Titel Time Out. „Gruppenbild mit Katze“, so lautet die Logline des Films von Zürcher, der, ebenfalls noch an der dffb studiert (Regie). Sein Film ist im Rahmen eines Kurses von Béla Tarr entstanden (wurde dabei inspiriert von Kafkas „Die Verwandlung“, ist mithin gedacht [gewesen?] als soziale Studie in puncto Raum), und eigentlich kann Herr Zürcher (Jahrgang 1982) einem fast ein bisschen leid tun. Die Latte für seinen Abschlusswerk hat er sich selbst jedenfalls mit DAS MERKWÜRDIGE KÄTZCHEN sehr hoch gelegt.  

zyw




FILMZ 2013: Summer's gone

Zum Auftakt des Festival des deutschen Kinos in Mainz

Juhu, es ist wieder da, das Mainzer FILMZ – Festival des deutschen Kinos, der Lichtblick in der spätherbstlichen Tristesse. Ein Jahr hat es pausiert, dabei aber nichts an seiner Frische verloren und macht, im Großen und Ganzen da weiter, wo es aufgehört hat. Gottlob. Sicher, der Spielfilmwettbewerb ist enorm gewachsen: Zwölf „Lange“ konkurrieren dieses Jahr, und es wird ein harter Kampf. Das Rahmen- und Reihenprogramm ist erneut üppig: Urs Spörri präsentiert in der Altmünsterkirche wieder das Stummfilmkonzert (Fr., 29.11., ab 20.00 Uhr), gezeigt wird heuer ORLACS HÄNDE von Robert Wiene aus dem Jahr 1927, Drehbuchpitching am Sonntag, lokale Dokus, lokale Kurze neben den Contest-Reihen – und chill-out-after-hour-FILMZirkel ab 20.00 Uhr, diesmal bei „Oma Else“.

Gelb-Schwarz-Weiß, FILMZ ist wieder da, inklusive einem 007-Titelsequenz-würdigen Festivaltrailer. Aber irgendwie ist auch ein klitzekleinwenig der Wurm drin. Das ist natürlich auch nicht neu, macht auch nichts: FILMZ wird gestemmt von Ehrenamtlichen, was in Mainz eben auch heißt: von Studierenden, und da ist soviel Wechsel und Fluss drin, dass sich FILMZ zumindest hinter den Kulissen ohnehin schon öfters neu erfunden hat. Und das auch bei der Eröffnung nicht alles ganz rund lief, ist folglich ebenso traditionell wie sympathisch (mithin: welches Filmfest ist dahingehend schon perfekt).

Mindestens ein Mikro fällt am Dienstag aus (obligatorisch), das Beamerbild mit den Sponsoren flackert und wird just in dem Moment abgeschaltet, als eben darauf verwiesen wird, die Moderation noch ein bisschen steif. Egal, mehr noch: das hat Charme, lockert auf, war immer schon so (überall!), muss so sein. Was jedoch mehr befremdet und intuitiv schwerer wiegt ist, dass zum Start im großen "Capitol"-Kino nicht, wie die Jahre zuvor, dasselbe rappelvoll war. Viele Plätze blieben leer; vielleicht wegen zu viel eingeplanter Ehrengästen. Aber man vermisste ihn schon, den Aufruf, sich doch bitte zu melden, falls noch ein Platz neben einem unbesetzt ist. Schlimmer noch: Gerade nach der einjährigen Pause drängte sich zumindest für eine Schrecksekunden der Gedanke auf, dass das Interesse an FILMZ nachgelassen haben könnte, das Mainz und die Mainzer und aller drum herum zwar das Festival des deutschen Kinos loben und lieben, es aber doch schnell aus Herz und Hirn verlieren, kaum dass es mal aussetzt. Treulosigkeit, Oberflächlichkeit, Entbehrlichkeit? Die nächsten Tagen werden zeigen, ach was, beweisen, dass dem nicht so ist! Denn FILMZ ist wieder da, und mit einer weiteren Tradition hat man auch zur Eröffnung auf verlässliche Weise nicht gebrochen, nämlich jene, nicht gerade mit dem dollsten Film des Wettbewerbs zu beginnen. Wer verschießt schon sein Pulver gleich zu Anfang – Spannungskurve, Dramaturgie, das gilt nicht nur für Filme, sondern auch für ihre Festivals.

Dabei war es gut geplant und stimmig getimed: Kaum wird es (mal wieder) so richtig kalt in Mainz, lockt FILMZ 2013 mit südfranzösischer humorvoller Leichtigkeit: STILLER SOMMER von Nana Neul (MEIN FREUND AUS FARO) hat eigentlich auch alles, was die Seele wärmen könnte – rustikale Idylle mit groben natursteinernen Bauernhäusern, Künstlertum und Rotwein, Katze, Trüffelschwein und Lamas, vitalen Franzosen, vor allem ein grandiose Dagmar Mantzel (NACH FÜNF IM URWALD; DIE VERLORENE ZEIT), der auch eine gelungene Storyidee, naja, quasi „in den Mund gelegt wird“: Ihrer Kristine ist die Stimme abhanden gekommen, und wie sie sich den größten Teil des Films nur mit Mimik und Gestik verständigen kann, so dass sich die Figuren ringsum an ihr abarbeiten können, hat große Klasse und besonderen Charme. Die kecke Tochter (frisch: Marie Rosa Tietjen) hat was mit einem feschen Einheimischen, auf den auch Mama ein Auge wirft (und umgekehrt, dieser auf sie), dann kommt Papa noch dazu (gespielt vom ebenfalls großen Ernst Stötzner; s. H.-C. Schmids WAS BLEIBT) ...

Doch statt es beim luftigen Liebes- und Beziehungsreigen zu belassen und ihn auszukosten, wartet STILLER SOMMER mit einer Volte auf, die ein ganz neues Fass aufmacht, Schuld und sexuellem Doppelleben, ein bisschen zu ausgedacht und teutonisch-tragisch in der Idee, als wäre Neuls Drehbuch ein bisschen zu sehr am Redaktionsbesprechungsthemen-Tisch konzipiert worden (und selbst wenn dieser Tisch nur im Kopf gestanden hat). In Rückblenden wird dann alles noch mal Vieles aus der anderen Perspektive gezeigt, und passé ist die Sommerfrische, die auch leider in den Bildern nicht so wirklich eingefangen ist, so blass und eng gehalten, aller Spontanität, allem Witz (inklusive Psychopilz-Naschen) zum Trotz.

STILLER SOMMER ist kein schlechter Film, kein verbiesterter Film, aber er steht sich selbst letztlich im Weg herum, weiß nicht wohin mit sich, macht sich seine Probleme selbst. Bei allem Flair und Schwung, Deutsche in Südfrankreich eben.

zyw

FILMZ 2013 in Mainz









Nach einem Jahr Pause mit der Gelegenheit zur Besinnung und Neuorientierung startet am 26.11. in Mainz das FILMZ - Festival des deutschen Kinos.

Bis zum 1.12. sind im Langfilmprogramm die in ANSICHTSSACHE behandelten Jungfilmer Axel Ranisch und Tom Lass zu sehen. Lass präsentiert seinen KAPTN OSKAR, Ranisch ICH FÜHL MICH DISCO - sowie in der Sparte "Märchenfilm" REUBER. Dem einzigen Film in dieser Rubrik, übrigens ...

Außerdem in Langfilmwettbewerb zu sehen: Katrin Gebbes TORE TANZT, NORDSTRAND von Florian Eichinger, Aaron Lehmanns KOHLHAAS ODER DIE VERHÄLTNISMÄSSIGKEIT DER MITTEL oder die Berlinale-2013-Überraschung DAS MERKWÜRDIGE KÄTZCHEN von Ramon Zürcher.

Mehr zum FILMZ - Festival des deutschen Kinos gibt es HIER.

zyw

Grindhouse-Nachlese September 2013 – Sieben auf einen Streich

28. September 2013, Cinema Quadrat Mannheim: Grindhouse Day & Night


„Daikaijû kettô: Gamera tai Barugon" / „Gamera vs. Barugon“, Japan 1966, Regie: Shigeo Tanaka

„L’uomo che viene da Canyon City“ / „Die Todesminen von Canyon City“ / „Keine Gnade für Verräter“, Spanien, Italien 1965, Regie: Alfonso Balcázar

„Double Nickels“ / „Mit Vollgas durch die Hölle“, USA 1977, Regie: Jack Vacek

„Enter the Ninja“ / „Ninja – Die Killer-Maschine“, USA 1981, Regie: Menahem Golan

„Linda“ / „Die nackten Superhexen vom Rio Amore“, Spanien, Deutschland 1981, Regie: Jess Franco

„Nightmare in a Damaged Brain“ / „Nightmare“, USA 1981, Regie: Romano Scavolini

„Trouble Man”, USA 1972, Regie: Ivan Dixon


Sieben Filme in vierzehn Stunden sind per se schon mal keine schlechte Bilanz. Wenn von diesen sieben Filmen ganze vier gut sind, dann ist das unterm Strich mehr, als man erwarten könnte – zieht man in Betracht, dass es sich bei all diesen Filmen um Trash handelt, um genau die Schundware, die unsere Jugend verdirbt. Und zwar unsere Jugend seit den 1960ern! Kein Wunder, dass die Welt ist, wie sie ist!

Wobei auf verquere Weise natürlich auch und gerade Grindhouse-Filme den Finger auf die Wunden der Zeit legen; deutlich im ersten guten Film, „Gamera vs. Barugon“. Der zweite Teil der Gamera-Filmreihe, ein Konkurrenzprodukt zum erfolgreichen Godzilla, in dem dankenswerterweise die ersten Minuten ein „Was bisher geschah“ destillieren: Kampfflugzeugabsturz in der Arktis, versehentlich geht eine Atombombe los, zack: Gamera wird freigeschmolzen und zerstört Japan. Gamera: Das ist eine feuerspuckende Riesenschildkröte; wenn sie die Füße einzieht, kann sie durch die Löcher in ihrem Panzer per Düsenantrieb fliegen, das ist sowas wie eine fliegende Untertasse. Nur in lebendig und echt. Im ersten Film war sie am Ende auf den Mars geschossen worden; durch eine wirklich unglückliche Asteroidenlaufbahn wird sie zurückgeschleudert und macht erstmal einen Staudamm kaputt. Die Arbeiter und Ingeniere rennen panisch umher, der Vorgesetzte gibt Anweisungen: Am Tor fünf den Strom abschalten! (das wird innerhalb weniger Minuten gleich zweimal angewiesen), nützt aber nichts, Katastrophe ist nicht aufzuhalten. „Wir haben getan, was wir können“, seufzen die Opfer, und man weiß nach dieser Szene, wie es seit März 2011 in der Tepco-Zentrale zugeht: die Unteren tun nichts, die Oberen befehlen nur Unsinn, und alles ist Schicksal. Jaja, die japanische Mentalität.

Gierig sind die Schlitzaugen übrigens auch. Zwielichtige Typen unternehmen eine Expedition nach Polynesien – und das hat jetzt erstmal gar nichts mehr mit Gamera zu, der wahre Fan wird sich jetzt zu langweilen anfangen; denn die Superschildkröte hat sich in einen Vulkan zurückgezogen und wird nur noch zu zwei Szenen später im Film auftauchen (dann aber mit Macht…). Jedenfalls ist jetzt Abenteuerfilm angesagt, ein Opal in einer geheimnisvollen Höhle voller giftiger Skorpione im Tal der Regenbogen; ein Tabu-Ort für die Eingeborenen, zu denen glücklicherweise auch ein japanischer Arzt und seine hübsche Krankenschwester gehören. Jedenfalls: Merken muss man sich Onodera, das ist der böse Gierhals, der über Leichen geht; und Keisuke, der Gute unter den Zwielichtigen, der aber erstmal verletzt zurückbleibt. Während Onodera den Opal mit nach Japan nimmt, dummerweise das Infrarotlicht in seiner Kabine anlässt – und sich der Opal als Ei entpuppt. Ein Ei, aus dem Barugon schlüpft, seines Zeichens Monsterechse mit Riesenzunge, aus deren Spitze er einen Kältestrahl schießen kann. Rasch wird Kobe zerstört.
Dann geht es ins Landesinnere, währenddessen killt Onodera noch ein paar Leute auf der Suche nach dem vermeintlichen Opal, Keisuke tritt auf, im Gefolge hat er die Krankenschwester, er und Militär und Wissenschaft suchen nach Wegen, dem Monster beizukommen, die Gier Onoderas ist ein bisschen im Weg dabei und so weiter – das ist ja auch alles egal, wichtig ist: Bei Bedrohung aus der Ferne entsendet Barugons Rücken einen Regenbogen als Fernwaffe, der zum Beispiel japanische Kanonen zum Schmelzen bringt. Also: Für die Nähe Kältestrahl, für die Ferne Regenbogen. Im Übrigen ist er wasserscheu, wenn man Barugon mit Wasser bespritzt, bewegt er sich nicht mehr, das ist ganz OK, weil zu diesem Zeitpunkt der Film eh auf der Stelle tritt.
Die Echse liebt auch das Leuchten von Diamanten. Die Diamantentrategie funktioniert trotzdem nicht, 5000 Karat sind zuwenig, man muss die Brillanz verstärken mit einer Maschine, die eigentlich zur Generierung eines Todesstrahls mittels eines Rubins dient. Zwischendrin übrigens tritt Gamera auf, um das Durcheinander perfekt zu machen: Er wurde von der Energie des Regenbogens angelockt, wird nach einem heftigen Kampf der Supermonster aber schockgefroren.
Später versuchten die Militärs es mit der Operation Rückspiegel: Eine Parabolantenne mit Quecksilber-Bespiegelung soll den Regenbogen aufs Monster zurückwerfen, was nur halb gelingt. Als deus ex machina muss Gamera wieder auftau(ch)en, um im Endkampf die Katastrophenechse zu ersäufen. Und dann zu verschwinden, bis zum nächsten Film der Gamera-Reihe.

In der aufsteigenden Reihenfolge des Spaßfaktors folgt nach diesem Matinee-Film die Spätnachtvorstellung: Blaxploitantion mit dem „Trouble Man“, sprich: Mr. T, der im Kiez der gute König ist. Im Billardsalon hält er Hof und regelt die Dinge – gegen einen geringen Obulus seiner Untertanen. Der Bruder von einem wieder mal im Knast? T. kann die Kaution stellen; aber wenn die flöten geht, dann geht’s dem Halunken ans Leder! Ein Mietshaus in so schlechtem Zustand, dass ein Kleinkind durchs marode Treppengeländer fällt? Kurzer Besuch beim (weißen) Immobilienverwalter, und seine starke Präsenz und sein einnehmendes Charisma überzeugen, der Bonze spurt: Besuch im Krankenhaus, Übernahme der Kosten und Versprechen, das Haus zu sanieren… Klar, dass T. auch ein super Billardspieler ist, der damit locker aus dem Handgelenk ein paar hundert Dollar nebenbei einnimmt.
Auftritt Chalky. Der hat illegale Glückspiele laufen, auf der „schwarzen“ Seite der Straße kontrolliert er, auf der „weißen“ der Kompagon Pete: Diese abendlichen Pokerrunden werden regelmäßig überfallen, T. soll herausfinden, warum, für 10.000 Dollar. T., selbstredend mit Privatdetektivlizenz ausgestattet, macht sich an die Arbeit – und wird verwickelt in einen Mordfall, in Täuschung, in einen Bandenkrieg, inmitten der Fronten zwischen Kiez und Cops, zwischen schwarz und weiß.
Einen tollen Plan haben sich Chalky und Pete ausgedacht: Sie fingieren einen Überfall auf die eigene Pokerrunde, einen fetten Typen in blauem Anzug nehmen sie als Sündenbock, der von hinten erschossen wird. Wie sich herausstellt: Einer der Handlanger von Big, einem weiteren Kiezgranden, dem sie damit nicht nur die angeblichen Überfälle in die Schuhe schieben, nein: auch T. gilt plötzlich als Mörder. Zumal die Polizei ihn eh auf dem Kieker hat: Dreihundertdollar-Anzüge, aber keine richtige Beschäftigung, und zudem Lizenzen für alles, vom Waffenbesitz bis zum Diamantenhandel…
Ist das nicht eine dolle Noir-Konstellation? T., der gute, einsame König, an dessen Stellung gerüttelt wird – von denen, die er für Freunde hielt, und von der Polizei, der er fast schon zu viele Schnippchen geschlagen hat. Er bekommt die ganze Schuld des Schwarzen- und des Weißen-Ghettos auf seinen Schuldern geladen und muss mit dieser Bürde zwischen den Fronten zu tanzen beginnen.
Gefilmt ist das im bunten Blaxploitation-Stil, aber ganz ohne Albernheiten, sondern straight auf die Spannung zielend, und auf die Rachevorbereitungen von T., der alles recht schnell durchschaut. Der aber zuvor noch einen weiteren Mord, nämlich den an Big persönlich, ummodeln und seinen Kumpel und seine Freundin in Sicherheit bringen muss. (Apropos Freundin: Die ist ihm hörig, er gibt ihr Befehle, sie fragt nicht, sondern führt aus. Ihre Tätigkeiten: Sie singt, spielt Klavier, liest Zeitschriften. So war das damals in den 70ern!)
Wie T. sich nun einschleicht bei Chalky, einen Handlanger nach dem anderen tötet, sich dann aufmacht zu Pete ins weiße Viertel, sich das Hochhaus ins Penthouse hocharbeitet, wo Schurken mit großen Wummen auf ihn warten: Das hat was, gerade weil es weniger als Superhelden-Rache inszeniert ist, sondern als die Notwendigkeit des Königs, sich auf dem Thron zu halten; eines Königs, der unwillentlich in eine Fehde geraten ist, der benutzt wurde und nun mal nicht anderen, sondern sich selbst helfen muss. Und helfen kann. Auch wenn es diesmal keinen direkten Profit bringt.

„Nightmare in a Damaged Brain“: Ein fieser Film, der sich ins Gehirn des Zuschauers hineinwindet und dort sitzen bleibt wie eine Trichine im Speck. Kein Wunder, dass er als Video nicht vertrieben werden darf, Paragraf 131 etc. Ein Glück, dass wir hier im Kino sitzen. Und dass wir in den Genuss einer 35mm-Kopie kommen, zur Verfügung gestellt von einem fanatischen Sammler, der den Film in allen, wirklich allen Erscheinungsformen besitzt (außer vielleicht das britische Master für die VHS-Produktion).
Ein völlig geschädigtes Gehirn, ein Film über die Psyche eines Psychopathen, in die der Zuschauer nolens volens hineingeschleudert wird. Ein Alptraum – direkt zu Filmbeginn: Der abgehauene Kopf einer Frau, blutig auf der Bettdecke, und sie schlägt die Augen auf. Purer Horror für George Tatum, der schreiend erwacht. Und vom Psychiater befragt wird. Und medikamentös ruhiggestellt wird. Und wieder einschläft. Und wieder alpträumt. Während in Florida, in einem kleinen Häuschen, ebenfalls der Horror zuschlägt, für die Babysitterin, die vom zehnjährigen Lausebengel in den Wahnsinn getrieben wird…
Man kennt sich nicht aus, trotz der klaren Kapitelüberschriften: Erste Nacht in New York, erste Nacht in Florida. Und erst allmählich versteht man die Zusammenhänge, als nämlich George abhaut aus der Psychiatrie, was den shrink – typisch mit Vollbart und weichgespülter Birne – kaum juckt. Er hat ja dieses neue Psychomedikament bekommen, kann ja gar nichts passieren. Dass er in eine Peepshow geht – OK. Dass er eine Frau, die abends alleine zuhause ist, killt: nuuuun… Er braucht schließlich ein Auto. Um nach Florida zu gelangen. Richtig: in dieses Haus mit den drei Kindern und der überforderten alleinerziehenden Mama, die keinen richtigen Bock aufs Muttersein hat und lieber mit dem Boyfriend aufm Boot rummacht… Und der von diesem ungezogenen Satansbraten von Sohn andauernd böse Streiche gespielt werden, so dass man ihr ihr Verhalten nicht verdenken kann…
Gegen George Tatum stellt sich ein Mann; einer, der mit seinen weich-gedunsenen Körperrudnungen und der Fistelstimme auch eine dicke Frau mit aufgeklebtem Schnurrbart sein könnte, so eindeutig ist die Geschlechtlichkeit nicht. Ebensowenig wie sein Status, wahrscheinlich ist er Polizist, vielleicht auch eine Verkörperung himmlischer Gerechtigkeit, die leider immer wieder zu spät kommt. Dieser Ermittler hat einen Computer, den man alles fragen kann, der im zeitgenössischen grünfarbenen textbasierten Programm weiß, wohin der Mörder als nächstes fahren wird, eine Art Google lange avant la lettre. Und er (sie?) ist der einzige, der um die Gefährlichkeit von George weiß, das macht den Zuschauer noch rasender – denn schließlich kommt George in Florida an. In der schönen Kleinstadt mit dem schönen Häuschen, wo CJ, der junge Bengel, wohnt, wo die Mutter ganz ahnungslos ihr Leben lebt. Wo der Mörder nun sein Unwesen treibt.
Unglaubliche Szenen am Bootshaus, wo CJ spielt. Wo eine Teenagerin nach ihm sieht, das Haus betritt, einen Streich vermutet, in die höheren Stockwerke gelangt… wo einer lauert, im Dunkeln… Wo dann, um die Schraube noch weiter zu drehen, ein Freund von CJ diesen ebenfalls sucht, ebenfalls ins Haus reingeht… ebenfalls nach oben steigt… dort die entstellte Leiche der Teenagerin sieht… der letzte Schock in seinem Leben…
CJ hat ohnehin der Ruf eines Soziopathen. Vielleicht hat er, der Zehnjährige, die beiden gekillt? Die Polizei vermutet dies. Er ist auch reichlich ungerührt beim Anblick der Leiche des Freundes. Doch das Böse, das geht weiter umher… Und es sind eben keine Lausbubenstreiche mit Maskeraden als Monstermörder, oder mit fingierter Messerwunde im Bauch, vollverschmiert mit Ketchupblut, wie sie CJ immer wieder inszeniert.
Irgendwann ist George im Haus seiner designierten Opfer. Oben CJ in seinem Zimmer. Unten der Killer, der umherschleicht. Und der, weil eine Ecke in seinem Gehirn noch nicht völlig kaputt ist, per Haustelefon anruft, oben, im Kinderzimmer: Verschwinde, hau ab aus dem Haus… In den kleinen Kammern, in den Schränken, im Schatten nistet er sich ein, und was sich falsch bewegt, wird zum Opfer. Wir sind live dabei. Mitten in dem traumatisierten Psychopathenhirn des Killers, der schon als Kind kräftig dabei war… Was Tom Savini, dem legendären Spezialhorroreffektmacher, eine dolle Gelegenheit gibt, seine Kunst im Kopfabhauen zu beweisen.

Vierter bester Film und Überraschungssieger des Tages: „Ninja, die Killermaschine“. Der in einer völligen Fantasiewelt beginnt, in der ganz pur und ohne Zusatzingredienzien das gezeigt wird, was wir sehen wollen: Wie einer gegen viele kämpft, alles Könner auf diesem Gebiet, mit verschiedenen Waffen irgendwo in Wald, Gebüsch, hohem Gras, wo von überall her der Feind herausbrechen kann, um getötet zu werden. Feinde, die vermummt sind, gekleidet in reinem Schwarz, in Weiß, in Rot. Kämpfe mit tollen Posen, die tödlich enden. Ein Durchkämpfen durchs Gelände, hin zu einem Gebäude, wo noch einem Mönch der Kopf abgeschlagen werden muss, um endgültig einzudringen, um anzukommen – um die Prüfung zu bestehen.
Denn alles war nur die Abiturprüfung für den frischgebackenen Ninjakämpfer Cole, gespielt von niemand geringerem als Franco Nero. Der nun in sein normales Leben zurückkehrt, sagen wir: er besucht einen alten Kriegskameraden auf den Philippinen, der eine geile Frau hat und dem Alkohol verfallen ist. Sie haben’s schwer: Denn böse Bonzen wollen ihnen Grund und Boden abknöpfen, vergraulen die Arbeiter mit Gewalt und setzen ihnen zu, wo es geht. Klar, dass Cole hier helfen kann. Und wenn er es nebenbei mit einem fetten Schwein mit Hakenhand namens Siegfried Schulz zu tun kriegt: umso besser, da haben wir einen, an den wir uns halten können, zunächst mal. Solange nämlich, bis wir, also der begierige Zuschauer im Verbund mit Franco Nero, an den oberbösen Hintermann rankommen, Venarius heißt der, hat sein Büro in einem riesigen Penthouse – sprich: Ein Schreibtisch und ein großer Pool, in dem sich schöne Bikinimädchen räkeln und auf Zuruf Synchronschwimmen performen.
Venarius: Eine faszinierende Persönlichkeit, gespielt von Christopher George auf ganz unnachahmliche Weise, böse und charmant, mit feinsten Manieren und immer ein bisschen over the top, in den kleinen Gesten, im Spiel seiner Finger, im ironisch zuckenden Lächeln der Mundwinkel – keine Frage, stockschwul und stolz drauf – eine dieser Performances HIER... Ein abgrundtiefer Schurke natürlich auch. Zudem hat er eine Sammlung exquisiter Pornos – halt nee: Da sind keine Nackedeis, das ist ja der Bewerbungsfilm eines Ninjas, dem großen Rivalen von Cole, seit dessen Ausbildungstagen in Japan. Ein Ninja, den Vesarius angeworben hat, um es aufzunehmen mit Franco Nero, der seine Mannen unaufhaltsam niedermacht…
Ein doller Film, ein Kampfsportspektakel, das schön mäandert: Nicht einfach Gut gegen Böse, sondern Gut gegen allerlei diverse Bösewichter, die sich abwechseln in ihrem Status als Antagonisten. Kein Wunder, dass dies der erfolgreiche Beginn der Ninjafilmwelle war, die auf den Easternhongkongkungfukaratefimen draufsaß wie ein Affe auf rasendem Motorrad. Produziert und inszeniert von den Machern der erfolgreichen „Eis am Stiel“-Filmreihe, die Geld genug hatten, um Franco Nero auf die Philippinen zu locken, und um mit genügend Zeit ganz vorzüglich den Film in den Kasten zu kriegen, perfekt gerade in den kleinen Details, in den Seitenblicken, im richtig getimeten Filmrhythmus, die man mit weniger Budget – und weniger Talent – nicht hinkriegen kann. Die aber den entscheidenden Unterschied ausmachen in der Qualität, den es eben auch im Trash geben kann.
Es geht im Übrigen das Gerücht, dass Regisseur Menahem Golan so viel Zeit in philippinischen Puffs verbrachte, dass einen Großteil des Films Franco Nero in den Kasten kriegen musste. Wie auch immer: Gut gemacht!

Im Gegensatz zu den Filmen, die an diesem Tag ablosten, die wir auch getrost unter den Teppich kehren können.
„Die Todesminen von Canyon City“, auch bekannt als „Keine Gnade für Verräter“, könnte eine schöne Screwballvariante des Buddy-Spaghettiwestern-Genres sein, mit dem US-Amerikaner und dem dicken Mexikaner, die gemeinsame Sache machen, um 70.000 Dollar zu gewinnen und nebenbei einen bösartigen Silberminenbesitzer, der seine mexikanischen Arbeiter sklavisch ausbeutet, zur Strecke zu bringen. In schönen Streitdialogen beweisen die beiden immer wieder ihre symbiotische Zusammengehörigkeit – der Film aber verliert sich in sinnlos-willkürlichen Begebenheiten, die nur die Dramaturgie verwirren und wenig zum Ziel führen. Das nicht nur der Zuschauer, auch die Protagonisten aus dem Auge zu verlieren drohen, weil sie irgendwann auch nicht mehr so richtig zu wissen scheinen, wer eigentlich für wen arbeitet und wem was vormacht. Der Dicke ist irgendwann Koch beim Bösewicht, der aufrechte Gringo wird einer seiner Handlanger, offenbar aber doch nur, um ihn reinzulegen, weshalb der Mexikaner plötzlich als General einer Revolutionsarmee auftaucht – schön dabei: Eine farcehafte Gerichtsszene, in der die Leichen getöteter Mexikaner als Geschworene und als Zeugen auftreten, echt lustig. Aber eben alles völlig zusammenhangslos, immer wieder explodieren Leute, das ist auch doll, freilich weiß man nicht recht, warum. Vielleicht ist das auch dem Regisseur klar, im Film heißt es mal: „Es ist besser, nichts zu verstehen und weiter zu atmen als zuviel zu wissen, wenn man dafür ins Graf beißt.“ Gut, dass wir noch leben.

Und schade, dass wir dann zu „Mit Vollgas durch die Hölle“ kommen, einem Car-Chasing-Film ohne echte Autoverfolgungsjagd, über zwei Cops, die Autos verschieben, die sie denen klauen, die ihre Raten nicht zahlen können. Ganz legal, gute Kohle, so sagt man ihnen – stimmt natürlich nicht, ist alles kriminiell, ist irgendwie aber auch alles egal. Ebenso, wie ihr Job als Highwaypatrolmen kaum was ausmacht, außer, dass der eine diesen nutzt, um Frauen anzubaggern und so an eine neue Geliebte gerät, mit der er dann durch die Gegend brettert. Seine vorherige Freundin hat er irgendwie scheiße gefunden, wie er sie loswurde, versickert im elliptischen Erzählstil. Ein Stil, der wahrscheinlich gewollt, vielleicht aber nur reiner Dilettantismus ist. Ohne jede Spannung, auch ohne wirkliche Charaktere bleibt nur eines: Wie ein Auto von Cop-Cars verfolgt wird und dabei eine lange, lange Treppe runterfährt, holterdipolter – so ähnlich, wie Dick und Doof einst ein Klavier hochtransportierten, nur andersrum.

Der Abschuss aber: „Die nackten Superhexen vom Rio Amore“; der das zeigt, was der Titel verspricht, nunja: Nacktheit sowieso, ist ja ein Jess-Franco-Filmchen. Superhexe: das ist die böse Hotelbesitzerin, die zugleich Puffmutter ist. Rio Amore: Das ist dieser Puff, in den die Schurkin eine Nebenbuhlerin um den schönen Portier verbringen lässt. Diese Betsy nämlich, die neu angefangen hat im Hotel, wird zugedröhnt mit Drogen öffentlich ausgestellt und von geilen Männern wie Frauen begattet, zur Belustigung der Chefin. Die dies auch ihrem Lover vorführt, der wiederum echt verliebt ist in Betsy und sie unter diesen entwürdigenden Umständen aber nun auch nicht mehr will. Zumal die Hotelchefin all ihre Reize einsetzt, um ihn so richtig durchzuficken.
Nebenhandlung: Linda fliegt von München ein, sie ist Klosterschülerin und wurde zum Abschied in ihrer Schlafkammer von der Kameradin noch abgeschleckt, oben und unten. Sie will ihre Schwester Betsy besuchen und trifft auf einen richtig netten jungen Eingeborenen – gedreht wurde, glaube ich, auf Madeira –, in den sie sich total verknallt, obwohl sie ja eigentlich noch total rein und unschuldig ist; naja, bis auf die Abschiedsszene in München. Egal. Die zwölfjährige Schwester des jungen Freundes jedenfalls hat ein vorlaut-präsexuelles Mundwerk und will die beiden unbedingt verkuppeln, nein: geschlechtsorganisch aneinanderkuppeln, aber es kommt dann doch zu einer total romantischen Liebesszene am Strand, ohne Zutun der Schwester. Betsy wiederum lebt das Schicksal so vieler Zwangsprostituierter, Linda erinnert sich ab und an an sie, um die beiden Filmhandlungen nicht völlig aneinander vorbei laufen zu lassen. Doch tatsächlich etwas zu tun haben die beiden nicht miteinander, die Teenie-Liebe und das aufgeilende Porträt eines Puffs im Jess-Franco-Style.
Vollkommener Quatsch das alles, mit deftiger Soße, und völlig zum Vergessen. Wäre da nicht Linda, nach der immerhin der Film im Original benannt ist: Gespielt wird sie in all ihrer Nacktheit, in all ihrer erotischen Ausgestelltheit von Katja Bienert, die zum Tatzeitpunkt des Filmdrehs gerade mal 14 Jahre alt war. Ihr Geburtsdatum und ihr pickliges, ungeclearasiltes Gesicht verraten es.

Harald Mühlbeyer