Hofer Filmtage 2013: "Breed" von Michael Oblowitz

Manchmal hat man es nicht leicht auf einem Filmfestival. Da sieht man den Dokumentarfilm über einen Wiener Underground-Trash-Filmemacher namens "Robert Tarantino", der für seine Filme konsequent kein Geld ausgibt, sondern schlicht und einfach dreht. In dessen Filme alles, was schlecht ist, sich versammelt, die genau deshalb so viel Charme haben, weil "Tarantino" um diese mangelnde Qualität weiß und sie willkommen heißt.
Und dann muss man innerhalb von einer Minute ins nächste Kino, zum Michael Oblowitz-Film "Breed", der in einer so schlechten Projektionsqualität vorliegt, dass man erstmal gar nicht weiß, ob man noch im Wien von "Vampire City" oder "Blood City Massacre" ist. Man hat keinen Wechsel des Blicks bei einem ganz anderen Film - und muss sich erst langsam adaptieren, was, ich will nicht prahlen, aber doch eine enorme geistige Anstrengung verlangt.

"This is a vampire movie", erklärte Oblowitz vor dem Film, "but an intelligent one", warf die Moderatorin ein. "Well, I wouldn't go that far", versetzte Oblowitz - aber das ist natürlich Koketterie.
"The Breed" ist ein Cop-Fantasy-Buddy-Movie, zunächst. Nach dem grausigen Tod seines Partners muss Steve, die Hauptfigur, erkennen, dass es eine Menge Vampire gibt, die mit den Menschen koexistieren, eine Minderheit, die man so mitlaufen lässt. Und selbst sein neuer Partner Adrian ist einer der Blutsauger - nein: sowas tun sie nicht mehr, es gibt jetzt künstlichen Ersatz, der den Blutdurst voll befriedigt.
Doch etwas ist falsch, die Fronten sind verhärtet. Dräut ein Krieg zwischen Mensch und Vampir am Horizont? Warum läuft einer der Vampire Amok, nur um des Todes, nicht um des Blutes willen?

Das ist schonmal genug, um drei, vier Normal-Blockbuster mit viel CGI zu drehen (drei Jahre später wurde, ebenfalls für Sony, an denselben Locations "Underworld" gedreht...) Oblowitz aber geht andere Wege. Nicht Horror, kaum Action, sondern ein Thriller ist dies, ein Politthriller noch dazu. Denn Oblowitz weiß perfekt, seine Ästhetik einzusetzen. Das Design des Films ist absolut unglaublich: Überwacht werden die Vampire von der NSA - ja: die NSA, die auch Kanzlerinnen und andere Menschen überwacht, wie wir jetzt, dreizehn Jahre später, wissen! Und diese NSA residiert bei Oblowitz in einem Gebäude, ein Stein gewordener, feuchter Totalitarismustraum, gedreht in den kommunistischen Großbauten von Budapest und ausgestattet mit Albert-Speer-Ideen. Genau das im Grunde, was Terry Gilliam - für etwas mehr Geld - in "Brazil" gemacht hat, ihm huldigt Oblowitz in "Breed" erklärtermaßen.

Paranoia und Totalitarismus - bei Nazis, Kommunisten oder sonstwo - schließlich ist Oblowitz im

Jüdische Vampire
Apartheit-Südafrika aufgewachsen! Und plötzlich bekommt dieser Filme eine ganz persönliche Note, mit seinem Vampir-Ghetto, in dem die dort lebenden Wesen gekleidet sind wie die ikonischen zusammengepferchten Juden in zahllosen Spielfilmen (und realen Dokumenten von damals!) Wir tauchen ganz tief ein in eine Erzählmaschine, in der sich die Geschichte ständig wiederholt, umgewälzt und mit neuen Akzenten: Weil Oblowitz natürlich und glücklicherweise klug genug ist, KEINE bloße Allegorie zu schaffen, keine einfach decodierbare Fabel nach der Gleichung J=V. Oblowitz ist raffinierter, auch, weil er seine Story nicht verraten will, sondern ihr schlicht wichtige und bedeutsame Ebenen hinzufügt.

Der schwarze Cop, die chinesische Jüdin
Bai Ling spielt eine der Vampirinnen, sie residiert mit schwarzen Panthern und ausgefallenen Kleidern in einem riesigen Schloss. Und das ist für Oblowitz ein besonderer Witz, wie er erklärte: "Jüdische Vampire, das könnte viele in Hollywood verärgern. Deshalb ist mit Bai Ling eine chinesische jüdische Vampirin eingebaut, das wird sie völlig verwirren!" Es geht um das Feeling, um die Atmosphäre, auch um das Unbehagen, um den Schoß, aus dem das Böse kriechen kann. Mittendrin Steve, der schwarze Cop, dem ob seiner anfänglichen Ablehnung der Vampire Rassismus vorgeworfen wird - ein weiterer Oblo-Witz... Steve, der alles auseinandersortieren will und einiges dabei falsch macht. Und im Hintergrund eine böse Verschwörung einer Massenvernichtung, die auch nicht politisch korrekt aufgelöst wird.

Manchmal hat man es leicht auf einem Filmfestival. Weil einem Filme und Filmemacher vorgestellt werden, die man sonst völlig übersehen hätte. Leute wie Robert Tarantino und Michael Oblowitz, die mit Leidenschaft drehen, die sich einbringen in ihre Filme - und dabei an ganz unterschiedlichen Enden des Qualitätsspektrums operieren.

Harald Mühlbeyer