Jess Franco (R.I.P.) in der Grindhouse-Nacht - und eine "Eugenie"-Besprechung hier

Das Programm der Grindhouse-Nacht im Mannheimer Cinema Quadrat, am 27. April um 21.30 Uhr, steht schon lange fest. Länger jedenfalls als der Tod von Jess Franco, dessen Film "Frauengefängnis", Schweiz 1975, dort laufen wird. Dazu gibt es den französisch-italienischen Superheldenfilm "Flashman" von 1967, Regie: Mino Loy - phänomenaler Mist also, auf den wir uns schon freuen...

Zum Tode Francos soll hier nun ehrenvoll wiederveröffentlicht werden, was ich einstmals - 2006 - über sein "Eugénie" geschrieben habe und was bei irgendeinem Screenshot-Server-Umzug im Orkus verschwand:


 

Ein großer, internationaler Spitzenfilm

"De Sades Eugénie – Die Jungfrau und die Peitsche"


Lustigerweise wird im deutschen Trailer zum Film Herbert Fux in den Mittelpunkt gestellt, der nur eine ganz kleine und sehr stumme Statistenrolle innehat mit genau zwei Großaufnahmen. Christopher Lee, immerhin Dracula und mit einer weit tragenderen Rolle in diesem Film ausgestatten, wird nicht einmal erwähnt – sollte das deutsche Publikum tatsächlich so auf deutsche Schauspieler fixiert sein, wie es der Trailer suggeriert? „Wildkatzen lieben und hassen, ohne den Partner zu wechseln, sie sind faszinierend und erregend durch das, was sie sind: wilde Katzen!“ „Wildkatzen“, das war der damalige Titel des Films, wie er in Deutschland rauskam, als „großer, internationaler Spitzenfilm“…

Aber natürlich, und jeder weiß das, handelt es sich bei Jess Francos „Eugénie“ um einen reißerischen Sexschocker, der Trailer drückt genau dies aus, indem er das Gegenteil behauptet. Der Triviatrack, der als Untertitel zugeschaltet werden kann, listet auch dementsprechend geschätzte zehntausend Pseudonyme Jess Francos auf, der unter diesen Decknamen unzählige Filme rausgehauen hat. Nach dem Erfolg von Francos vorhergehender de Sade-Verfilmung „Juliette“ wurde also auch in diesem Fall schnell noch eine zweite hinterhergeschoben auf der Grundlage von „Philosophie im Boudouir“. Die Geschichte einer unschuldigen Jungfrau, die in die Fänge eines sadistischen Geschwisterpaares gerät und in einer rituellen orgiastische Schwarzen Messe im Andenken an de Sade geopfert werden soll.

Unter der Fassade dieses Z-Films hat Franco allerdings durchaus Bemerkenswertes geschaffen, im Rahmen seiner finanziellen und zeitlichen Beschränkungen beim Dreh selbstverständlich. Nach einigen obligatorischen Softcore-Sexpassagen (Eugénie wird vom damaligen schwedischen Sexstarlet Marie Liljedahl gespielt) gerät der Film immer düsterer, Die Dekadenz des de Sadeschen Hedonismus wird greifbar, wenn das moderne Ambiente bei den de Sade-Jüngern mehr und mehr der Mode und Ausstattung des französischen 18. Jahrhunderts weicht, „um den Meister zu ehren“, wie es heißt. Und die lustvolle Brutalität, die an der armen Eugénie durchexerziert wird, wird in einigen Szenen wirklich spürbar - weil alles zunächst so sehr nach Billigfilm ausgesehen hat, erlebt man die plötzliche Kraft der kinematografischen Mittel umso stärker, wenn Eugénie – nur als Schattenspiel gezeigt – mit Peitsche und Morgenstern traktiert wird. Merkwürdig zwingend wirkt es, dass Franco immer wieder durch Gitter und Zäune filmt, die Protagonisten damit bedrängt im Gefängnis ihrer inneren Triebe; und gleichzeitig schwingt immer etwas traumhaftes in dem Film mit: „Träume sind eine Überspitzung unserer Sehnsüchte, oder unserer Ängste“, erklärt einmal Eugénies Quälherr. Eine Platitüde, die der Film ernst nimmt.

Denn Eugénie ist nicht durchweg das unschuldige Mädchen, von Beginn an ist da in ihr diese Sehnsucht nach Verruchtem, die sie dann ausleben kann, als sie die Möglichkeit verspürt, dass Herr-Knecht-Verhältnis umzudrehen… Wenn sie dann am Ende flieht, nackt in der Wüste, spiegelt ihr Entsetzen nicht nur ihre Erlebnisse wider, sondern auch ihre Taten, die von Anfang an in ihr angelegt waren.

In dieser Feststellung des Kerns von Sittenlosigkeit und Unmoral, der in uns allen liegt und der jederzeit zum Ausbruch gebracht werden kann, folgt Jess Franco mit seinem Film ganz der Philosophie de Sades – und die Form als Sex- und Sado-Reißer ist dafür genau das richtige Ausdrucksmittel: ein guilty pleasure für den Filmzuschauer.

Harald Mühlbeyer



Spanien/BRD 1969. Regie: Jess Franco. Buch: Harry Alan Towers. Produktion: Harry Alan Towers.
Darsteller: Marie Liljedahl (Eugénie), Maria Rohm (Madame de St. Ange), Jack Taylor (Mirvel), Christopher Lee (Dolmance), Herbert Fux (Hardin).
Sprachen: Englisch/Deutsch
Extras: Interview mit Jack Taylor, Triviatrack, Trailer
Länge: ca. 85 Minuten
Anbieter: Eurovideo
VÖ: 24.08.2006