Filmgeschichte neu gemacht – das neu gestaltete Frankfurter Filmmuseum

Neunte Klasse, das muss 1993 gewesen sein, Schulausflug nach Frankfurt: Damals war ich zum ersten Mal im Filmmuseum. Ausstellungsstücke, Sachen zum Ausprobieren, bisschen dunkel und verwinkelt – aber vor allem gabs da ein kleines Kino mit Dick und Doof-Filmen. Hat Spaß gemacht.
Jetzt wurde das Filmmuseum in fast zweijähriger Arbeit ganz neu renoviert, nur die Fassade der Villa am Frankfurter Schaumainkai – denkmalgeschützt – wurde beibehalten. Innen ist alles neu. Und hell. Und offen. Und groß und weit. Klar: Film hat mit Licht zu tun, und sehr licht ist das Foyer. An der Seite ein Licht- und Luftschacht, der keine Funktion hat, außer Platz zu bieten für eine Videoinstallation: Ein Mann, aufwärts- und abwärtsschwebend.

Richtig los geht es mit der ganz neu eingerichteten Dauerausstellung im ersten Stock: „Filmisches Sehen“ hat einen großen Raum für sich, die Gänge der vorherigen Raumaufteilung sind ein paar aufgemalten Linien auf dem Boden gewichen, die den Besucher lenken – ihn aber nicht gängeln, weil man sich frei bewegen kann zwischen Schaufenstern und freistehenden Vitrinen und Geräten zum Ausprobieren.
Schaulust heißt ein Bereich, es geht um die Bemühungen der Menschen, die Welt neu und anders sehen zu können mit Kaleidoskopen oder Zerrbildern oder Panoramabildern. Wie man diese Bilder in Bewegung versetzen kann, wie man sie festhalten kann, wie man sie vorführen kann: Das sind weitere Bereiche, veranschaulicht durch allerhand alte bis uralte Apparate. Und durch die Möglichkeit, an einigen dieser Apparate zu spielen, zu drehen, rumzudrücken… Daumenkino, Camera Obscura, Laterna Magica – bis hin zu einem der besten Exponate: Der Mechanismus eines Lumière-Filmprojektors in einem Glaskasten, in dem man den berühmten Zug der ersten Filmvorführung zum Rasen bringen kann – inklusive der dazugehörigen Geräusche, die aber von der lauten Apparatur rühren. Dazu ein kleines Kino mit uralten Filmchen aus der Anfangszeit des Films: der begossene Gießer natürlich, auch ein Max-Linder-Filmchen um die Probleme des Briefmarkenleckens, und ein paar Akrobatikstücke für das damalige Wintergarten-Varieté.

Ein Stockwerk höher: „Filmisches Erzählen“ – hier geht es tatsächlich um das, was Kino als Erlebnis ausmacht. Und beim Reinkommen schon wird man vom Kino eingefangen: Auf vier in U-Form aufgestellten Leinwänden läuft eine halbstündige Dauerschleife von Filmausschnitten, in thematischen Blöcken und zugleich ineinander überfließend: Geräusche und Filmschnitt, Emotionen auf der Leinwand und Ausstattung, Licht, Kamera, Musik umfangen den Museumsbesucher, der sich hier hinsetzen und das tun kann, was er tun soll: einfach nur schauen. Und sich freuen an der klugen Montage der Filmbilder, die manchmal auch – als Reminiszenz zu den Panoramas ein Stock tiefer – alle vier Leinwände, insgesamt sechzehn Meter umspannen.
OK: Eine Darth Vader-Maske oder der Maximilian-Schell-Oscar von „Das Urteil von Nürnberg“ (auf den das Filmmuseum sehr stolz ist) bieten keinen weiteren Erkenntnisgewinn, auch die Vitrine mit Autogrammkarten oder die mit Kostümentwürfen sind schnell zur Kenntnis genommen und abgehakt. Viel besser sind in diesem Bereich wieder die Sachen zum Machen, mit modernster Technik: Man kann Filmausschnitten verschiedene Musiken unterlegen und die unterschiedlichen Wirkungen erfahren, man kann am Greenscreen am Abgrund balancieren oder sich vor einer riesigen Spinne fürchten. Verschiedene Lichtstimmungen in einem kleinen Studio sind interessant, wären aber wirkungsvoller, säße man nicht vor einer neutral weißen Wand, sondern vor ein paar Requisiten (gab’s so was nicht auch in der Version 1.0 des Filmmuseums?). Höhepunkt hier: Die Möglichkeit des Filmschnitts. Für ein paar Szenen aus Dani Levys „Alles auf Zucker“ stehen vier, fünf Kameraeinstellungen zur Verfügung, die man in neuer Reihenfolge montieren kann – das verspricht langes Vergnügen, und die Erkenntnis, dass auch eine vollkommen zufällige Einstellungsreihenfolge besser ist als Levys originaler Filmschnitt…

Levy ist natürlich auch Teil der Wechselausstellung. Jim Rakete hat deutsche Stars und Talente fotografiert mit für sie wichtigen Requisiten oder Gegenständen ihres Berufs und ihrer Berufung – 100 Bilder sind das, eine Art Geschenk für das neue Filmmuseum. „Stand der Dinge“ heißt diese Porträtsammlung, der Titel ist eine Leihgabe von Wim Wenders und bezeichnet den schwebenden Moment, von dem man nicht weiß, wie’s weitergehen wird. Viele der Porträts sind treffend, witzig: Levy mit Zuckerwürfeln, die ihm um die Ohren fliegen; Burghardt Klaußner mit einem Joint in Gedenken an alte Tage – nämlich die von „Die fetten Jahre sind vorbei“. Oder Hannes Jaenicke mit einem BMW-Motorrad von 1928, das gar nichts mit Filmen, aber viel mit ihm selbst zu tun hat. Bei anderen Porträtierten – ich nenne keine Namen – erinnert man sich vor allem an die Filme, auf die sie verweisen, und erschrickt: Weil man diese Filme allzu oft erfolgreich verdrängt hatte und sie nun wieder vor dem geistigen Auge auftauchen wie böse Schemen… Nur zwei möchte ich besonders herausstellen: Till Schweiger mit der Regieklappe aus dem orthographisch falsch betitelten „Barfuss“: „Ich glaube, von allen Filmen, die ich bis dato selbst inszeniert habe, ist dieser am zeitlosesten“, erklärt Herr Schwaiger im kleinen Begleitheft zur Porträtreihe. Und wird in seiner Egomanie nur noch von Hannelore Elsner übertroffen, die es sich nämlich tatsächlich nicht nehmen lässt, mit sich selbst zu posieren.

Das neu gestaltete Filmmuseum – das auch ein schönes, neues (wenn auch wegen der Baustatik nicht vergrößertes) Kino in schönen Rottönen und mit bequemen Sesseln bekommen hat – soll ein Haus für die Zukunft sein, um die Vergangenheit erlebbar machen zu können. Das ist gelungen, man kann sich lange mit Vergnügen darin aufhalten. In der Tat fehlen eigentlich nur die Dick und Doof-Filme.

Harald Mühlbeyer



Übers Wochenende vom 12. bis 14. August finden eine Menge Eröffnungsfeierlichkeiten statt inklusive einem Kinoprogramm, bei dem deutsche Filmschaffende ihre Lieblingsfilme zeigen (Frau Elsner natürlich einen mit sich selbst, nämlich mit ihrem ersten Kinoauftritt…) Infos HIER.

Super gestrig




Zu GREEN LANTERN und CAPTAIN AMERICA

„Laterne, Laterne…“

„… Sonne, Mond und Sterne“ – ja, an denen geht es vorbei, auf der Reise des Hoppla-Jetzt-Komm-ich-Testpiloten Hal (nicht zu verwechseln mit dem 2001-Bordcomputer). Er ist auf dem Weg nach Oa (oder war’s Oha? Uiuiui?) und da hinbugsiert ihn sein grüner Zauberring. Ein sterbender Außerirdischer hat ihn ihm gereicht, oder besser: der Ring (zu dem noch die grüne Lampe gehört, an der man den Ring aufladen kann, jaha!) hat sich Hal ausgesucht, auf das der Menschling zum erlauchten Kreise der intergalaktischen Nachtwächter gehöre, die das All vor Unheil bewahren – das Green-Lantern-Corps, sowas wie die Marines des Universums.

Die Comichelden-Verfilmung von Martin Campbell (CASINO ROYALE, ZORRO) ist gar nicht so ununterhaltsam, wofür Tausendsassa Campbell und sein Team sorgen; Ryan Reynolds als Hauptdarsteller macht seine Sache sehr gut, vor allem aber auch Peter Sarsgaard als tragischer Schurke, dem viel Platz eingeräumt wird, und Blake Lively (THE TOWN) ist hier einfach zum Verlieben hübsch. Auch die 3D-Effekte machen richtig Spaß, funktionieren hier mal, mit all den Lichtkugeln etc.

Okay, die Story ist dünn wie ein Oblate und vergeht ebenso im Mund, das Finale ein hurtiger Witz – anspruchsloser grün-bunter Quark, gleichwohl zwar nicht schlauer, aber nicht so schlimm wie es der Trailer suggeriert. Was aber auf die Nerven gehen kann, ist das völlig überkommene Heldengetue und die Mentalität, die dahinter steckt.



Rein, edel, vor allem mannhaft und ohne Furcht muss man als rechtes Mitglied der Grüne-Leuchte-Schutztruppe sein. Die „gute“ Energie, die hier alles am Leben erhält und den Bio-Sparlampen ihre Kraft verleiht, das ist die des – Obacht! – Willens. Die alten Wesen haben sie sich zu Nutze machen gelernt, während einer der ihren, ein Abtrünnling, der nun zurückgekehrt Welten verschlingt, sich die (gelbe!) Energie der Furcht aneignete. Hal wiederum, dessen Papa als Pilot vor den Jungenaugen des Sohnemanns in einem Unfall ums Leben kam, versteckt sich hinter seinem verantwortungslosen Draufgängertum, weshalb ihn Ober-Feldwebel Sinestro (toll trotz Albernheit: Mark Strong) verachtet und im Training verhaut. Zuletzt aber, Thea-von-Harbou-mässig, ist Hal der wahre Held, der nicht Hirn und Hand qua Herz verbindet (siehe METROPOLIS), sondern seine Angst mit Mut überwindet, quasi die neue alternative Energie. Mit der kann er dann auch amorphe Furchtplanetenmasse verhauen, mit grünen Riesenfäusten und anderem Zeugs, das sein Ring materialisiert.

Ähnlich rückwärtsgewandt in Sachen Heldentum, Ehre Pflicht und Vaterland, freilich etwas ironischer und durch die Zeit der Story legitimiert ist CAPTAIN AMERICA, der erste Avengers-Film von Marvel. Während das Comic-Haus DC GREEN LANTERN als Popcorn-Bonbon für Zwischendurch gereicht hat, bis nächstes Jahr der neue BATMAN-Film von Christopher Nolan ordentlich Kasse macht, tummeln sich von THOR bis X-MEN die Superhelden des Stan-Lee-&Co.-Verlags heuer en masse auf der Leinwand, ehe 2012 nicht nur der neue neue Spider-Man kommt, sondern auch das Rächer-Klassentreffen, bei dem Iron Man, Hulk, Thor zusammenfinden, um die Welt gemeinsam zu retten. Und mit zu dem erlauchten Kreis gehört nun auch Captain America.

Den spielt Chris Evans (die „Fackel“ in den FANTASTIC FOUR-Filmen) und hält dabei die Balance zwischen dem typischen „amerikanischen“ Soldatenhelden mit gelassener Weltmachtsüberheblichkeit, reinem Herzen und naivem Blick sowie dessen ironischer Brechung. Sein Steve Rogers ist ein Hänfling, den die Army nicht will, ehe ihn der expatriierte deutsche Wissenschaftler Erskine (famos: Stanley Tucci) unter seine Fittiche nimmt und zum „Super Soldier“ macht, der dann gegen den Hyper-Nazi „Red Skull“ (ebenfalls ein Genuss: MATRIX-Mr. Smith-LORD OF THE RINGS-Elrond Hugo Weaving) antritt. Denn: Es ist Zweiter Weltkrieg, und Regisseur Joe Johnston macht diesen mit seinen Kommando-Abenteuern (Filme wie DIE KANONEN VON NAVARONE lassen grüßen), mehr aber noch das New York der 1940er zum ganz eigenen Schauwert wie es dieses Jahr schon X-MEN: FIRST CLASS mit den 1960ern rund um Kuba-Krise und Minirock tat.



Retro ist momentan in der Popkultur eben angesagt, siehe die Serie „Mad Men“, siehe SUPER 8, vielleicht weil wir uns an der Gegenwart oder der Science-Fiction-Zukunft, die mittlerweile auch immer mehr gegenwärtig geworden – ästhetisch in Architektur und Design, technisch mit Augmented-Reality-Smartphones –, satt- und schwindelig gesehen haben; vielleicht auch aus vereinfachender Nostalgie heraus, die immer auch eine des Kinos ist. CAPTAIN AMERICA kreiert unter der Regie des dahingehend ROCKETEER-erfahrenen Joe Johnston aber nicht nur hyperreale, teilweise aber auch großartig „taktile“ Museumsbilder der vergangenen Epoche im nicht ganz so funktionierendem 3D, sondern importiert aus der Vergangenheit ein überkommenes Modell vom Helden und „seiner“ Männlichkeit. Sicher, CAPTAIN AMERICA verulkt den Heroenpathos und seine Vermarktung auf brillante Weise selbst: Der wahre nationalwichtige Platz des Supermanns im Sternenbannerdress ist zunächst die Tingel-Tangel-Bühne, um Kriegsanleihen an den Mann zu bringen, oder in Comics oder auf der Schwarz-Weiß-Kinoleinwand in ulkigen Serials, um den Spirit des Volkes aufzupäppeln. Später wird aus dem billig-gehäkelten Anzug aber eine echte lederknarrende Kostümuniform, und gerade zum ermüdend überlangen Dauer-Action-Höhepunkt des Finales schert sich niemand mehr, auch der Film nicht, um all die moraline Mär der Marke „Kleine Leute sind die wahren Riesen“, mit der Anfangs noch amüsant der dünne Pimpf Rogers (Evans staunenswert digital verschmächtigt) charakterisiert wurde und die Story im angenehmen Vorlauf eine nette Note erhielt. Letztlich ist der Held doch nämlich nur mit Muckis und echtem Wumms in den Fäusten zu was nutze, Schneid oder Herz am rechten Fleck hin oder her. Dass Hayley Atwell als britische Offizierin Peggy Carter nur love interest und ansonsten bloß Staffage ist, ist da schon selbstverständlich. Und die Nazis sind eigentlich auch nur Bullies (hier von der Geheimorganisation Hydra mit magischen Walhalla-Stein) und gehören deshalb verhauen – Weltgeschichte und Weltpolitik der Marke Klischee-USA.

Das ist bei CAPTAIN AMERICA, wie gesagt, eben noch so selbstreflexiv witzig, weil es so zu dem Setting passt, der patriotischen Idee seiner Hauptfigur, die 1941 in die Welt kam, welche mit ihren bösen Deutschen, Japanern, Italienern, später dann Russen ihrer bedurfte. Nach Vietnam und heute in Zeiten von Irak-Schmuddeleien und Black-Water-Söldnern ist ein Captain America schlicht so nutzlos wie in Germany ein „Hauptmann Deutschland“ unmöglich.



Allerdings: Erst am Schluss wird der blonde Recke Rogers aus dem Eis aufgetaut und rennt über den Times Square von heute – der Zeit-, Kultur- und damit auch Ideologie-Clash der Figur mit dem Jetzt wird verschoben (und hoffentlich ordentlich nachgeholt, vielleicht eben im AVENGERS-Film). Das Konzept Comic-Superheld selbst jedoch gleicht hier wie in GREEN LANTERN tongue-in-cheek-affirmativ dem des ironisierten, so völlig gestrigen Soldaten-Leitbilds in CAPTAIN AMERICA. Er muss dem Schönheits- und Charakteridealen entsprechen, den normativen Herz- und Körpermaßen. Da war Stan Lee mit seinem linkischen Teenager Peter Parker alias Spider-Man schon ein bisschen weiter. Auch das Kino der letzten Zeit, weniger mit dahingehend nur vordergründigen und unergiebigen Filmen wie KICK-ASS oder WATCHMEN als mit sowas wie dem (letztlich natürlich auch nur dieselben Grundmuster reproduzierenden) SUPER von SLITHER-Regisseur und dereinstigem Troma-Mann James Gunn: Was ist denn die menschlichen Sorgen und Bedürfnissen, die Superhelden erst als Idee in die Welt bringen? wird da komödiantisch gefragt. Ist doch allemal spannender als was die anti-nietz‘schen Übermenschen denn für Schwächen und Probleme haben. Aber um dem nachzugehen ist man in der nostalgische Schau-Vergangenheit freilich auch am falschen Platz.


Bernd Zywietz

Screenshot REGION: ROCKABILLY RUHRPOTT im CinéMayence


Das CinéMayence hat zwar Sommerpause, aber ein Special geht da dann doch:

Am Freitag, den 12. August wird um 20:30 Uhr die Doku ROCKABILLY RUHRPOTT (2010) von Claudia Bach und Christin Feldmann gezeigt. Dabei geht es, der Titel verrät es, um die 50er-Style Rock'n'Roll-Szene zwischen Gelsenkirchen und Bottrop. (Zur Website des Films geht's HIER)

Als Vorfilm: GRAY HAWK von Linus de Paoli.

Die Sonderveranstaltung erfolgt in Kooperation mit "Rock 'n' Road", dem Fifties-Shop in der Mainzer Gautorstraße.

Investieren Sie in Gold!


Tom Lass‘ PAPA GOLD soll ins Kino

Ja, worin soll man momentan investieren? Die Aktien kennen wieder mal nur den Weg nach unten, Staatsanleihen werfen kaum mehr was ab, die USA sind als Kapitalanlage unsolide, Atomkraftwerke werden abgeschafft und Drogenhandel ist nicht nur gefährlich, sondern auch verboten.

Da ist guter Rat teuer, aber wir von Screenshot haben natürlich was für Sie: PAPA GOLD von Tom Lass.

Der bestechend witzige, grandios improvisierte und mit 2.500 Euro Produktionskosten spottbillige Streifen wurde von dem Schauspieler Lass (u.a. STILLER FRÜHLING, KRABAT, HARTE JUNGS) als sein Langfilmregiedebut in rund 2 Jahren fertiggestellt. Gedreht wurde an „Originalschauplätzen“ in Berlin (sprich: dem Lass’schen Lebensraum in Prenzlauer Berg). Mittlerweile für den First Steps Award nominiert, lief PAPA GOLD dieses Jahr bereits auf dem Max Ophüls Preis in Saarbrücken und auch auf dem achtung berlin Filmfestival, wo er mit dem Preis des Verbands der deutschen Filmkritik (quasi der "Ratingagenturagentur" in puncto Kinoqualität) prämiert wurde.

PAPA GOLD handelt von dem jungen Mann Denny (Lass selbst), der, unwiderstehlich lethargisch, mit vielen wechselnden Damenbekanntschaften und wenig Verbindlichkeiten in den sommerlichen Kiez-Alltag hinein lebt. Eines Tages taucht Frank (Peter Trabner) auf, der „zweite Mann“ von Dennys Mutter. Der Sohn hat seit Jahren nicht mehr mit ihr gesprochen, und um das zu ändern, ist der leicht tölpelige Frank in die Großstadt gereist. Er wird von Denny erst unterkühlt begrüßt, dann doch aufgenommen (um nachts, wenn sich Frauenbesuch ankündigt, auf den nächsten Treppenabsatz des Mietshauses ausquartiert zu werden).



Nach und nach freunden sich die unterschiedlichen Charaktere an – und es wird klar, dass jeder von ihnen sich vor etwas drückt: Frank vor der Familie daheim, Denny vor dem Erwachsenwerden und der (Selbst-)Verantwortung.

Ganz leise, einfach und beiläufig ist das erzählt und trotz Improvisation und reinen Momentaufnahmen sehr stringent, klug und berührend. PAPA GOLD fängt nicht nur ein Berlin ein, das es so nur einmal gibt (und an vielen Stellen schon nicht mehr), sondern auch ein damit assoziiertes, gleichwohl universelles Lebensgefühl. Das kann man nur, wenn überhaupt, wie Lass mit tollen Nachwuchsdarstellern und dem maulfaulen, trockenen, alltagsbeobachtenden und dann doch wieder augenzwinkernden Humor aus dem Ärmel schütteln und in Film gießen, um es einzufangen. Das unheimlich packende, scheinbar so Hingeworfene und Lakonische gerät über die souveräne handgeführte Kamera samt der verblüffend guten Bildqualität (gedreht wurde mit einer HD-Fotokamera) sowie dem freien, so spontan wirkenden „Dokumentar“-Schnitt weniger lebendig als mehr noch: lebensecht, eigendynamisch und unheimlich effektiv.

So kriegt Denny in seiner Wohnung (die in Wirklichkeit die des Kameramanns Anselm Belser war) Besuch von der Motorradmechanikerin Mike (beeindruckend präsent: Lore Richter). Sie ist Dennys wahre Herzensdame, bei ihr ist es was Ernstes, doch trotz allen Bettgeschichten: Immer wenn es um die burschikosen Mike geht, steht sich Denny linkisch selbst im Weg. Aus ihrer Sicht sind sie einfach nur Kumpels, mehr nicht. Ausschnitthaft nun beobachtet die Kamera die beiden in der Küche, als Denny, im Schutz der Beiläufigkeit, Mike einen Kuss zu geben versucht. Woraufhin sie sich wegdreht, ihn überrascht und mit Spinn-ich-spinnst-du-Lächeln halb empört, halb belustigt anschaut. Was soll das denn jetzt... Ein Augenblick zum Luft-durch-die-Zähne-Saugen. Awkward! Dann, Schnitt, ein Jump-Cut, beide stehen sie immer noch in der Küche herum, nur das sie jetzt anderweitig ganz woanders sind. „Und der ist einfach so vorbeigekommen?“, fragt Mike; klar, sie sind jetzt bei Frank angelangt, dem neuen Stiefpapa und thematischem Ausweg aus der peinlichen Situation.


Dieser Schnitt ist eigentlich nur ein einfacher formaler Handgriff, doch gerade mit diesem so montierten Zeitsprung ist nicht nur alles, sondern – durch Weglassen – mehr gesagt, subtiler und (durch die Assoziation dieses illusionsbrechenden Behelfs mit der Augenzeugen-Authentizität – oder ihrem Stil – von Dokumentationen, Reportagen etc.) wirklicher, tiefgehender und zugleich distanzierter, als es mit vielen Worte, mit dem Ausspielen des Szene oder elaborierte Inszenierungsideen möglich wäre.

PAPA GOLD macht denn auch in seiner leichthändigen, aber nie leichtfertige Art Spaß und lehrt dabei vielschichtig das Sehen, oder gar: er verführt zum Sehen. Zum Miterzählen, zum Komplettieren der Figuren, von denen wir so viel wissen und zugleich so wenig, weil wir sie direkt, ganz nah und trotzdem immer nur über Auftreten und Rollen, ihre echte und falsche Gesten wahrnehmen und zu entschlüsseln suchen.

Das ist manchmal komplex, manchmal banal, aber PAPA GOLD interessiert uns für diese Figuren und ihre / unsere Geschichte, und er tut das bei allem Ungeschliffenen und Rotzigen, den einigen – selbst wieder ironischen – Albernheiten, den Augenblickseinfällen und dem Auspropieren, bei all der Einfachheit der Story, dem Witz und dem betont Pubertären des Habitus (eigentlich war’s ein Film, mit dem Lass mit möglichst vielen Mädchen ins Bett gehen wollte) – ja bei alldem tut PAPA GOLD all das das auf erstaunlich erwachsene Weise.



Was also machen mit dem Film, und insbesondere: Wie und wo kriegt man ihn jenseits von Einzel- und Sondervostellungen zu sehen?

Zusammen mit seinem Bruder Jakob, seines Zeichens vor allem Regisseur, hat Tom die Produktionsfirma „Lass Bros“ gegründet und damit im Alleingang – eben für 2.500 Euro und unbezahlbarem Umsonst-Engagement von Freunden und Kollegen – PAPA GOLD gestemmt. Jetzt soll der Film ins Kino, und, jawohl, er soll das, denn künstlerisch, vor allem aber auch als Produktionsprojekt gehört er da hinein. Nicht obwohl, sondern gerade weil soviele TV-Filme die deutschen Leinwände nicht zuletzt aus Gründen der Förderung fluten. Geld brauchen aber Tom Lass und PAPA GOLD dazu, zum Beispiel für die Musikrechte.

Dafür haben die Gebrüder das Crowdfunding entdeckt: Viele einzelne können damit spenden und wunderbare kreative Dinge wie PAPA GOLD möglich und erfolgreich machen. Einfach auf http://www.startnext.de/papagold gehen und etwas helfen. Sie tun dafür echt Gutes, sowohl für die famose Crowdfunding-Idee selbst wie auch für einen sehenswerten Film, und damit sind Sie sogar noch effizienter als wenn Sie Ihre Geld für sowas wie Banken- oder Euro-Rettungen hergeben.

Ob das tatsächlich eine Finanzanlage für Sie ist, ob Sie also etwas zurück bekommen? Auf längere Sicht und in gewissem Sinne: auf jeden Fall! Außerdem: Gold ist zurzeit sowieso das beste Investment – und war auch lange nicht so günstig wie hier.

Wem das jedoch zu kosten-nutzen-unsicher oder noch nicht genug ist, hier noch eine Garantierendite: Jeder Crowdfunding-Co-Finanzier ist Ehrengast auf der Lass-Bros-Party am 18. August im V.C.F., Berlin (Rochstr. 132, 10178 Berlin-Mitte, nahe Alexanderplatz)! Das Ganze beginnt ca. 22.00 Uhr nach dem PAPA-GOLD-Screening im Babylon. Gefeiert wird der 100. Geburtstag des Großvaters der Lass-Brüder, die PAPA-GOLD-Nominierung zu den First Steps Awards sowie die Unabhängigkeit der Republik Kongo.

Also, nix wie los nach: http://www.startnext.de/papagold. Das Crowdfunding läuft noch bis zum 15.08.

P.S.: Ein ausführliches Porträt von Tom Lass gibt es demnächst hier bei Screenshot.

Die Website von Tom Lass ist die hier: www.tomlass.de, die der Lass-Brothers: www.lassbros.com. PAPA GOLD im Internet gibt es wiederum da: http://www.papagold.de.


Bernd Zywietz


Tom Lass über Crowdfunding und Papa Gold from faunafink on Vimeo.

Drehbuch: Akademie statt Schule


Die Berliner Drehbuchschule Wolfgang Pfeiffer, die wir HIER vorgestellt haben, macht im Herbst dicht. Nach 12 Jahren der Ausbildung will sich Pfeiffer (wieder) auf die Produktion eigener Filme konzentrieren.

Trotzdem soll die Entwicklung von Ideen, von Themen und ihrem Erzählen nicht ganz aufgegeben werden. „An die Stelle“ der Drehbuchschule „tritt“ (so die Pressemeldung) als neue Institution FILMGeist, eine „Akademie für kinematographische Innovathttp://www.blogger.com/img/blank.gifion“. Das klingt etwas diffus und hochtrabend, insofern aber auch sympathisch, als diese Akademie an der zentralen These der Pfeiffer’schen Erzähltheorie orientiert sein soll: dass Film in erster Linie ein geistiges und kein technisches Produkt ist.

Freilich:

Das Innovative der Einrichtung wird darin bestehen, entgegen allgemeiner Gepflogenheit diesem Gedanken bei der theoretischen wie praktischen Beschäftigung mit Film die Priorität zu geben.

Und:

Wir werden in Zukunft versuchen, mit unserer Arbeit statt in die Breite verstärkt in die Spitze zu wirken. Auf höchst möglichem Niveau wollen wir den Implikationen und Konsequenzen dieses unerhörten Gedankens nachgehen und ihm Geltung verschaffen. Wir werden uns zu diesem Zweck bemühen, die besten europäischen und außereuropäischen Köpfe aus Film und Gesellschaft für eine Mitarbeit zu gewinnen, u.a. bei der Gestaltung eines Periodikums.

Inwieweit die Verfechtung des geistigen Charakters von Filmprodukten – zumindest als Lippenbekenntnis – tatsächlich gemeinhin so „gegen die Gewohnheiten“ oder gar „unerhört“ ist, sei dahingestellt. Auch ist das Motto „Qualität statt Quantität“ (oder hier: „Spitze“ statt „Breite“) ein Allgemeinplatz. Es bleibt freilich spannend, wie sich die avisierte Umsetzung vor allem in der Praxis gestalten soll, jenseits eines bloßen Periodikums. Gerade die Drehbuchausbildung gepaart mit eigenem Produktionsengagement klang doch gerade erfolgsversprechend für die Förderung des Films als vor allem geistigem Gut - aussichtsreicher zumindest als luftige Denkkreise, Positionspapiere etc.

Der „FILMGeist“ jedenfalls wird und will offensichtlich kein Ersatz für die konkrete praktische Drehbuch-Ausbildung der nun auslaufenden Schule sein. Die wird vom 12. bis 14. August noch das Seminar „Einführung in das Drehbuchschreiben“ geben. Der letzte Drehbuchintensivkurs mit Wolfgang Pfeiffer beginnt am 5. September.

(zyw)