Grindhouse-Double Feature, 28. Mai 2011, Cinema Quadrat, Mannheim: Zombies und Karatekids

„Geisterstadt der Zombies“ / „E tu vivrai nel terrore – L'aldilà“ / „The Beyond“, Italien 1981, Regie: Lucio Fulci.

„Black Belt Jones“, USA 1974, Regie: Robert Clouse.


Lucio Fulci hat’s irgendwie mit den Augen. Wir erinnern uns an den starrenden Priesterzombie (der, der am Glockenseil hing), dehttp://www.blogger.com/img/blank.gifssen Opfer aus den Augen zu bluten anfängt, um dann die Innereien auszukotzen… In der Geisterstadt der Zombies treibt es Fulci noch viel weiter: Da werden Augen ausgeätzt, herausgedrückt, eine blinde Seherin taucht auf, Vogelspinnen befallen ein Opfer und fressen zuerst seine Augen… Und natürlich geht es um das Bild, dieses eine Bild von dem Maler in Zimmer 36 des Hotels in den US-Südstaaten, dieses Hotel, das schon 1927 Unheilvolles barg und das auch 55 Jahre später noch ein Tor zur Hölle ist.http://www.blogger.com/img/blank.gif

Damals hatte ein Dorfmob eben jenen Maler aus der 36 geschnappt, mit Nägeln an die Wand geschlagen, ihm mit (lt. Wikipedia) ungelöschtem Kalk das Gesicht zerätzt. In der Jetztzeit lässt Lisa, die Erbin, das Hotel renovieren; schlimm, dass dabei einer der Malerarbeiter vor Schreck vom Gerüst fällt, weil er durchs halbblinde Fenster im leeren Haus schrecklich starrende, böse Augen gesehen hat… Ein Klempner soll im Keller die lecke Wasserleitung reparieren und stößt hinter der Mauer auf weitere Räume, gekennzeichnet durch ein sichtlich böses Zeichen – ein Kreuz mit angehängter Schleife –, und bei einem weiteren Mauerdurchbruch wird er gepackt, und böse Hände drücken ihm die Augen ein… Und mitten auf der Fahrbahn steht eine Blinde mit ihrem Hund, sie weiß etwas, sie will Lisa warnen, sie von dem Bösen wegführen – und wir wissen noch immer nicht genau, was los ist, seltsame Prophezeihungen aus dem Buch Eibon werden verlesen, Worte von sieben Öffnungen zur Hölle, und auf einem dieser bösen Punkte steht das Hotel…

Fulci baut seinen Film gekonnt mählich auf, schaltet auch mal ins Krankenhaus, wo die Leiche des Klempners und die von dessen Mörder liegen; und dessen Gehirn lebt weiter, wir sehen es am Aufzeichnungsgerät der Hirnwellen; und die Klempnerwitwe wird getötet, und die Tochter bleibt verstört. Der Arzt findet Lisa attraktiv, glaubt ihr aber nicht – sie sieht den toten Maler an die Wand des Badezimmers von Nr. 36 genagelt. Die Hausangestellten – die schon immer da waren in diesem Hotel – benehmen sich seltsam, und sie werden erst von jedem Verdacht entlastet, als die hagere, undurchsichtige Martha Opfer des toten Klempner wird, der im schlammigen Badewasser liegt. Woher die Vogelspinnen im Katasteramt kommen, ist unklar, wie das Buch Eibon auftauchen und verschwinden kann, ebenso: das abgrundtief Böse kann alles bewerkstelligen.

Ein geradezu künstlerischer Zombiefilm von Fulci sei dies, erklärte der Organisator der Grindhouse-Reihe Boris Becker in seiner Einführung. Doch etwas zu sehr zusammengeklittert wirkt der Film, insbesondere die Spinnenszene ist aufgesetzt, auch die vielen Zombies in der Klinik am Ende sind vor allem Zugeständnis an die Genreerfordernisse; was die erhoffte Wirkung des unbehaglichen Grauens schmälert. In anderem ist er durchaus effektvoll, dass die Mythologie hinter dem Höllenloch nur angedeutet wird, dass sinistre Gestalten wie die Hausangestellten oder der Klempner ambivalent bleiben, oder die Vagheit im Ausdruck der blinden Seherin. Das kann Fulci: verschiedene Horrormythen, verschiedene Genreversatzstücke wirkungsvoll verknüpfen, ohne sie auszuerzählen, sie dramaturgisch geschickt steigern, um damit die Welt, wie wir sie kennen, als instabil und brüchig zu zeichnen (eine Strategie, die freilich in „Ein Zombie hing am Glockenseil“ besser funktioniert hat). Das Ende belässt Fulci ganz im Rätselhaften, traumhaft wandelt sich die Szenerie, und plötzlich ist alles nur noch Bild, eine Landschaft der Toten, in der der Mensch gefangen ist. Das kann Philosophie sein, vielleicht auch nur eine effektive Schlusspointe.

Im Ganzen ein sehr gelungener Beitrag – zum Zombiegenre ebenso wie zur Grindhouse-Reihe – in dem sich aus den Vorgaben des Genres originelle Konsequenzen ergeben. Der nicht nur was fürs Auge, sondern auch fürs Ohr ist: wie im Keller hinter den Ziegelmauern ungenannte, ungeahnte Dämonen knurren, rumoren, stöhnen, jaulen, grölen. Oder wie die blinde Seherin einmal aus dem Hotel flieht und auf den Holzbohlen des uralten Bodens keinen Laut hinterlässt, ebenso ihr Blindenhund, wie sie auf leichten Füßen dahinschweben, wo Lisas Schritte knarzen und krachen…

Dass der Ton die Musik macht, wird ganz klar in „Black Belt Jones“,http://www.blogger.com/img/blank.gif laut Wikipedia der achtunddreißigst-schlechteste Film der Welt. Was sicherlich nicht richtig ist für die deutsche Synchro, die auf grandiose Weise mit den 70er-Jahre-üblichen flotten Sprüchen, die den unübersetzbaren Slang des Originals transportieren soll, die komischen Tendenzen des Films aufnimmt und verstärkt.

Die Mafia auf dem Weingut, eine Karateschule, die Kellerkneipe eines Drogenbosses sind die Schauplätze, diese drei bilden das Koordinatensystem des Films: Die Mafia will die Karateschule haben, auf diesem Gelände soll ein großes Kulturzentrum gebaut werden, was die Grundstückspreise in die Höhe treiben wird; die ganze Nachbarschaft haben sich schon die Kommunalpolitiker unter den Nagel gerissen, Don Steffano braucht das Grundstück. Und heuert Pinky an, den Drogenboss des Viertels: der soll die Karateschule von Papa Byrd übernehmen, egal wie.Mit der Karateschule assoziiert: Black Belt Jones, den Jim Kelly ganz unbedarft gibt und ohne höhere Ambitionen, was Gestik, Mimik oder Schauspielkkunst angeht. Kelly ist auch im wirklichen Leben Karatekämpfer – dennoch sehen die Kloppereien im Film ungelenk und stümperhaft aus. Zum Glück passt alles zusammen: die Einfachheit des Plots, die Überschaubarkeit der Schauplätze, die Qualität der Schauspieler, die unchoreographierten Kämpfe – und die dufte Synchronisation.

Gleich zu Anfang, im Weinkeller: Da ist das Schwarzgeld der Mafia in einer Kiste versteckt, hydraulisch in einer Weinpresse versenkt; als sie auftaucht, kann es einer der Fuzzis nicht lassen: „Da geht doch die Caprisonne auf!“ Der weitere Verlauf dieses hochkomischen Karate-Blaxploitation-Verschnitts lässt sich locker anhand der Filmdialoge aufzeigen: „Die haben einen auf großen Otto gemacht, aber wir haben ihnen vor den Koffer geschissen“ – über den missglückten Überfall auf die Karateschule. Ein „kaffeebraunes Mäuschen“ taucht auf, nämlich Sydney, die Nichte von Papa Byrd, der der Karateschuppen überschrieben wurde, und sie ist ein Haudrauf: „Ein Weib hat hier gehaust? Der werden wir mal auf die Titten klopfen müssen!“ Die Mafiosi lassen Verstärkung kommen, hässlich aussehende Schläger aus L.A., genannt die Bogard: „Bogards? Ich kenn nur Gokarts.“ Dann wird des Öfteren „das Krause aus dem Haar“ bzw. „die Schwärze aus dem Arsch“ gehauen, am Ende kapern Black Belt Jones und Sydney einen roten Sportwagen, „Trabt vom Gehöft!“, werden die Besitzer weggejagt, der Wagen wurde ausgesucht, weil die Farbe zu Sydneys Unterhose passt. Das Finale ist spritzig: In einer Waschanlage für Müllautos unter meterhohem Schaum werden die Bösen endgültig verkloppt, irgendwo zwischen einer Peter-Sellers-Party und einem Rolling Stones-Rock’n’Roll-Video. Ein grandioser Streifen, wie man ihn sich schlechter (=besser) nicht wünschen kann.

Harald Mühlbeyer