Gerade im Kino: " The Doors - When You're Strange"

Auf der Berlinale 2009 hat Redakteur Harald Mühlbeyer Tom DiCillos großartig zusammengestellte Geschichte der Doors gesehen - jetzt läuft der Film in den deutschen Kinos, und Sie sind ja wohl dabei, oder?

Hier ein Ausschnitt aus Mühlbeyers Berlinale-Bericht:


Tom DiCillos Dokumentarfilm über die Doors ist ganz aus zeitgenössischem Film-, Foto- und Audiomaterial zusammengestellt – plus des ordnenden Voice-Over-Kommentars von DiCillo selbst (der freilich demnächst durch eine von Johnny Depp gesprochene Version ersetzt werden soll). In seltenen, bisweilen obskuren, meist ganz fantastischen und ungesehenen Filmclips von Privat-, Konzert- und Backstageaufnahmen verfolgt er die Geschichte einer der einflussreichsten, populärsten und besten Bands überhaupt. Bis zum Tod von Jim Morrison 1971. Gerahmt wird sein Film durch Ausschnitte aus Morrisons 50minütigem Film HWY – AN AMERICAN PASTORAL von 1969.

Tom DiCillo erklärte vor der Vorführung, sein Film werde die Doors-Fans im Publikum vielleicht etwas vor den Kopf stoßen, weil er den Mythos um die Band und ihren charismatischen und im genau richtigen Alter von 27 Jahren verstorbenen Frontman aufbreche. Was WHEN YOU’RE STRANGE freilich nicht leistet. Das meiste, was darin vorkommt, war schon zuvor in fiktionalisierter Form in Oliver Stones DOORS-Film zu sehen, der mit den Mitteln der Hyperstilisierung, der semiotischen Hypertrophie ziemlich genau hineinstößt in die Aura, die die Doors um sich selbst herum gebildet haben. Tote Tiere auf dem Highway: ein Motiv, das mitten in der Schnittmenge von Morrison-Mythos und Stone-Stil liegt.

Vom Stone-Film allerdings will DiCillo nur drei Minuten gesehen haben, länger habe er es nicht ausgehalten. Und irgendwie hielt er auch im Q&A nach der Filmvorführung einige Fragen nicht aus. Auf die Frage aus dem Publikum, wie der Film nun weiter vertrieben werde, antwortete er sehr schnippisch, gar höhnisch, dass dies ja wohl kaum die einzige Vorführung sein werde. Empfindlich reagierte er auch auf den Hinweis, dass die offizielle Bandgeschichte ja eigentlich nicht mit dem Tod Morrisons geendet habe; die verbliebenen Bandmitglieder Manzarek, Krieger und Densmore haben schließlich als The Doors noch zwei weitere Alben herausgebracht: „Other Voices“ (1971) und „Full Circle“ (1972). Was ja, wenn es um die Demythologisierung der Doors geht, auch eine Erwähnung wert gewesen wäre.

DiCillo jedenfalls findet es eine ausreichende Aushöhlung der von ihm behaupteten allfälligen Doors-Vergötterung, wenn in seiner Doku deutlich gesagt wird, dass „Light My Fire“ aus der Feder von Robby Krieger stammt und nicht von Morrison (was halt inzwischen doch ein weithin bekannter Fakt ist; hätte er doch Oliver Stone etwas länger zugesehen!), und wenn er das Audiomaterial des legendären Miami-Konzerts von 1969 (bei dem sich Morrison angeblich entblößt haben soll) benutzt. Da hat einer inmitten des Chaos’ auf der Bühne dem offenbar betrunkenen Morrison ein Lamm in die Arme gelegt, was der sogleich kommentierte: „I’d fuck her, but she’s to young.“ Was allerdings eigentlich nur beweist, dass Morrison exzessiv war und einem verdrehten Sinn für Humor hatte (siehe auch das „Hitler Poem“, das offiziell veröffentlicht wurde). Und damit eben gerade wiederum den Morrison-Mythos zwischen Heiligem und Hurenbock zementiert.

Das alles freilich ist eher die Fehlinterpretation des Regisseurs über seinen eigenen Film, vielleicht auch eine PR-Masche. Abgesehen davon – denn zum Glück wird ja Tom DiCillo nicht bei allen künftigen Filmvorführungen anwesend sein – hat WHEN YOU’RE STRANGE seinen ganz eigenen Wert, der ihm nicht genommen werden kann.


Und weil der Film so gut ist, wollen wir auch den Kinowelt-Verleih beim Marketing unterstützen: Wer den Film in seiner Stadt sehen möchte, kann das auf der "When You're Strange"-Facebook-Seite einfordern; und wenn's genug Unterstützung im Social Network ist, findet eine Kopie auch den Weg dahin; vielleicht; hoffentlich.