Nippon 2010: „One Million Yen Girl“ - Die Geheimnisvolle wehrt sich

„One Million Yen Girl“, Japan 2009. Regie & Drehbuch: Yuki Tanada


In sehr klaren, einfach komponierten Einstellungen nähert sich „One Million Yen Girl“ seiner introvertierten Hauptfigur, der 21-jährigen Suzuko, die ihre Umwelt irritiert und in den Bann schlägt mit ihrer Aura des Geheimnisvollen, was sie zu einer optimalen filmischen Hauptfigur macht. Der Zuschauer verfolgt - genau wie die anderen Figuren im Film - fasziniert ihre Handlungen und versucht sich ein Bild zu machen, was hinter der undurchschaubaren Schale im Inneren vorgeht.

Angenehm geradlinig und ohne aufdringliche visuelle Spielereien lockt der Film uns in Suzukos Welt. Nichts ist da einfach: Der Versuch mit einer Freundin zusammenzuziehen missglückt, sie gerät in Konflikt mit der Justiz, muss eine Million Yen bezahlen und zieht durchs Land, um das Geld bei Aushilfsjobs zu verdienen. Sie arbeitet am Strand, bei der Pfirsich-Ernte usw.

Der Film hat also eine grundsätzlich episodische Struktur, wir verfolgen Suzukos Reise, die natürlich auch eine innere, seelische Reise und Entwicklung bedeutet. In den Begegnungen mit den Figuren am „Wegrand“ muss sie lernen, sich ihrer Haut immer besser zu erwehren. Hinter den höflichen Gesprächen mit Kunden, Arbeitgebern und Nachbarn verbirgt sich oft ein knallharter Überlebenskampf, in dem jeder seine heimlichen Interessen verfolgt, manche gar zu Tiefschlägen ansetzen. Immer deutlicher wird dabei das Bild einer jungen Frau, die mit zerbrechlicher Vorsicht und strahlender Ehrlichkeit jeder unangenehmen Situation begegnet.

Anhand eines Briefwechsels mit ihrem jüngeren Bruder erhält der Film eine Ebene, auf der Suzuko ihre Situation in Worte fassen und für sich, für uns und ihren Bruder reflektieren kann. So kann sie sich ganz langsam aus ihrer defensiven Haltung befreien, wagt dann auch die Beziehung zu einem Jungen.

Der Film ähnelt seiner Hauptfigur: So elegant einfach und gerade dadurch bewundernswert vielseitig, so komplex und doppeldeutig und auch so direkt und kompromisslos wie Suzuko ist auch die feinsinnige Regiearbeit der Regisseurin Yuki Tanada. Auf eleganteste Weise lässt sie die Ambivalenzen und Doppeldeutigkeiten in den menschlichen Beziehungen aufschimmern, lässt uns mitfiebern, ohne die großen ästhetischen Hämmer zu brauchen - im Gegenteil: Der Film wirkt entspannt, fast beiläufig und traut sich auch, vieles in Andeutungen zu lassen. Langsam steigert sich die Spannung und hält an bis zum Schluss - sogar darüber hinaus. Das letzte Bild gibt nämlich noch einmal Anlass zum Diskutieren …


Martin Urschel

„One Million Yen Girl“, Japan 2008.
Regie & Drehbuch: Yuki Tanada. Kamera: Kei Yasuda. Musik: Eiko Sakurai, Ko Hirano.
Darsteller: Yu Aoi, MiraiMoriyama, Ryusei Saito, Terunosuke Takezai, Takashi Sasano.
Länge: 121 Min.