DVD: „Alle Anderen“ – Im Urlaub allein

„Alle Anderen“, Deutschland 2009, Regie, Drehbuch: Maren Ade.


In einer sehr fragilen Idylle haben sich Gitti (Birgit Minichmayr) und Chris (Lars Eidinger) wie in einem Kokon eingenistet. Ihre kompakten Persönlichkeiten werden schon am Anfang des Films über Chris’ Nichte und Neffe, die sie einen Nachmittag lang betreuen, spielerisch vorgestellt: Der introvertierte, kompromisslose Architekt mit künstlerischen Ambitionen, Chris, kann bestens durch Laute mit dem Baby seiner Schwester umgehen, während seine Freundin, eine direkte, gesprächsbedürftige und Transparenz-fordernde PR-Agentin der Schwester des Kleinen die schonungslose Artikulierung der Gefühle zwecks Klärung der Position zueinander beibringt. Die ehrlichen Worte und ein Fingerschuss des Mädchens werden prompt von Gitti durch eine grandios gespielte Agonie des Sterbens belohnt.

Und diese Agonie wird zum Programm in Maren Ades Film: Durch diese Anfangsszene gekennzeichnet, erlebt man als Zuschauer von nun an nichts anderes als das Sterben einer Beziehung, so, wie sie bis dahin war. Der Sardinien-Urlaub des Paares wird zum Anlass der Konfrontation der Differenzen zwischen den beiden, und wie bereits nach dieser Anfangsszene metaphorisch angedeutet, mag Chris diese Konfrontation nicht angehen. Seine Kommunikationsutensilien sind zwar sehr variiert, verlassen aber nie den Bereich des Spiels, suchen sich immer ein indirektes Medium, wie etwa Schnappi, sein phallisches Ingwer-Alter-Ego, oder die Weite der Verallgemeinerung. Doch ein Nestchen innerhalb der Beziehung ist Gitti alles andere als gerecht, und früh im Film wird Chris’ Verschlossenheit zu einem Schatten über den idyllischen Spielen der Anfangsszenen. Ständig um ihn, um die Beziehung bemüht, sucht Gitti das Gespräch, versucht ihren Freund in seinen Lebensplänen und -krisen zu unterstützen und treibt ihn dadurch umso mehr in seine einsame Gedankenwelt.

Ins Extrem gerät die Situation, nachdem das Paar einen Kollegen von Chris und dessen Frau trifft und die Einladung dieser Bekannten annimmt. Spätestens durch Hans und Sana wird deutlich, dass Chris seine Aufmerksamkeit nicht auf die Beziehung richtet, sondern auf seine Zukunft. Während Gittis Beruf auf der Ebene des Erwähnten bleibt, treten bei Chris die Liebe, der eigene Erfolg und das Bedürfnis nach Halt und Sicherheit in eine immer enger werdende, immer bedrückenderen Konstellation zueinander, in welcher sich Gitti ständig der momentanen Situation anpassen muss.

Und das versucht sie auch, und müde wird sie. Denn ihre Gemeinsamkeiten als Paar, ihre Meinungen und Haltungen, schlicht alles, was ihre Beziehung ausmacht, beschmutzt und entwürdigt Chris in seinem verzweifelten Versuch, in Hans’ Art einen Leitfaden für das eigene Leben zu finden. Durch Hans und Sana konturiert sich auch die Beschränktheit der Möglichkeiten, die Gitti und Chris als Liebespaar bevorstehen. Zwischen der spielerischen Abwesenheit der Kommunikation und der von dem anderen Paar demonstrierten ernsten Ablegung der Persönlichkeit und Individualität, jede dieser beiden Alternative in den Hauptcharakteren Echos findend, gibt es nur ein Verlierer: die Beziehung der beiden. Das Ende bleibt offen.

Durch die leichte, dokumentierende Kameraführung, die die Bewegungen der Protagonisten umeinander und aneinander vorbei in ihrem Gleiten reflektiert, entsteht in „Alle Anderen“ ein in sich geschlossenes, von Außen mit wenigen Ausnahmen unbeeinflusstes Universum. Die Stimmungsintensität lässt alle Höhepunkte verschwinden.

Für die erschienene DVD zum Film wurden in den Extras die Protagonisten in zwei Montagesequenzen namens „Ein Sommer ohne Chris“ bzw. „Ein Sommer ohne Gitti“ getrennt. Entfallene Szenen ergänzen das Geschehen, und alles wird ausführlich von Birgit, Maren und Lars kommentiert. Dazu gibt es noch Interviews und ein umfangreiches Booklet.


Ciprian David


„Alle Anderen“
Regie, Drehbuch: Maren Ade. Kamera: Nernhard Keller. Produktion: Maren Ade, Janine Jackowski.
Darsteller: Birgit Minichmayr, Lars Eidinger
Verleih: Prokino
Länge: 119 Min.
Veröffentlichung: 11.03.2010


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