“Powder Blue” - Lost Angels in the City of Night

von Ciprian David

Regie, Drehbuch: Timothy Linh Bui. Kamera: Jonathan Sela. Musik: Didier Lean Rachou. Produktion: Forest Whitaker
Darsteller: Jessica Biel, Forest Whitaker, Patrick Swayze, Ray Liotta.
Länge: 102 Min
Verleih: Sunfilm Entertainment www.sunfilm.de
DVD Start: 16.10.2009



Mit „Powder Blue“ schafft es Regisseur Timothy Linh Bui, das Leben als eine existenzialistische Kette von Ereignissen darzustellen. Der Film lässt Los Angeles zum düsteren Schauplatz der Misere im Leben mehrerer Charaktere aus der amerikanischen Mittelschicht werden. Ähnlich wie in „L.A. Crash“ entfalten sich in Powder Blue mehrere Handlungsstränge, mit dem Unterschied, dass, während der Film von Tom Haggis die Handlung um Zufälle und mehr oder weniger grob skizzierte Charaktere entstehen lässt, „Powder Blue“ den Akzent auf die Protagonisten und deren Ringen um ein besseres Leben setzt.

Es lassen sich zwei grobe und lose miteinander verbundene Handlungsstränge erkennen, um zwei Protagonisten organisiert, die eine Reihe von Nebenhandlungen um sich sammeln. Alles geschieht in einem bunten, schrillen, jedoch nie glamourös inszenierten Los Angeles. Die Schauplätze, die sich die Touristen zu Eigen gemacht haben, werden vermieden, stattdessen werden die Seitenstraßen, das Gebiet der Einheimischen als Kulisse genommen. Diese dunklen Orten schaffen für die Filmwelt von „Powder Blue“ eine Stimmung, wo helles Licht zu einem Störfaktor wird, wo prägnante Farben, wie Rot in einem Transvestiten-Club oder das Blaue eines Strip Clubs stimmungsvoller wirken als das helle Gelb eines Diners oder Imbisses, wo der Tag näher dem Tod steht als die Nacht.

Die erste Handlungsebene, im Zentrum Rose Johnny (Jessica Biel), zeigt uns eine junge, alleinstehende Mutter eines todkranken kleinen Sohnes, die in einem Strip Club arbeitet, um die Behandlung ihres Kindes bezahlen zu können. Ihr ewiger Versuch, einen Partner zu finden, der gleichzeitig Zuneigung, Stütze, und Gegenmittel für ihre Drogensucht sein könnte, wird mit einer Intensität und mit einer Unehrlichkeit sich selbst gegenüber getrieben, dass sie sofort die Sympathie des Zuschauers erobert. Ihr Name und ihre Präferenz, von den meisten Männern Johnny genannt zu werden, entfaltet ihre Sehnsucht nach Standfestigkeit, nach Unabhängigkeit von der Männerwelt, in der sie durch die Umstände leben muss. Denn ihre Aufgabe ist, für namenslose einsame Männer mehr oder weniger bekleidet und intim in Velvet Larrys Club als eine Art Schutz vor deren Einsamkeit zu tanzen.

So wird Patrick Swayze in seiner letzten Rolle als Guru der einsamen Männer, als Inhaber dieses Strip Clubs inszeniert. Sein Charakter schafft es durch Kleidung, Verhalten und geschäftsorientierte Denkweise die Personifikation der Ausbeutung der Einsamkeit anderer darzustellen, und seine Ankündigungen vor den Tänzen seiner besten Angestellten, Rose, deklamieren auf eine nackte, unverschämte Weise, inwieweit er sich dessen bewusst ist.

Auf der Such nach Rose ist ihr Vater Jack (Ray Liotta), getrennt von ihr durch 25 Jahre Haft. Der Film schafft es, die Haftzeit in einer prägnanten Metapher gleich am Anfang des Films wiederzugeben: Jacks erste Station nach seiner Entlassung ist ein Strand am Ozean, wo er die Last der Vergangenheit und die Sehnsucht nach Freiheit erfolgslos versucht durch einen Bad, durch eine metaphorische Taufe zu verwerfen, um eine neues Leben anzufangen. Das Treffen zwischen den beiden erfolgt als ein Treffen zwischen Mann und Frau, im Strip Club, und Jack wird gleich am nächsten Tag zu einem potentiellen guten Freund, der Rose Sehnsucht nach einer anderen Lebensart zu verstehen scheint. Leider wird diese Beziehung am gleichen Abend durch Jacks Geständnis der Wahrheit, die sie verbindet, einfach weggefegt. So sucht Jack die Verbindung zum unbewusst im Krankenhaus liegenden Enkel, und opfert schließlich sein Leben im Versuch, Rose vom unmittelbar bevorstehenden Tod des Jungen zu benachrichtigen.

Der zweite Handlungsstrang des Films kreist um den Ex-Pfarrer Charlie (Forest Whitaker), der sein Amt zugunsten der Liebe für eine Frau aufgegeben hat. Ein Autounfall am Tag der Hochzeit ließ ihn somit ohne Anhalt oder Glauben mitten im Leben. Seitdem besteht sein Leben hauptsächlich darin, jemanden zu finden, der willig ist, ihm gegen Bezahlung in die Brust zu schießen, um den Schmerz wegzufegen, und endlich die Vereinigung mit der Geliebten zu ermöglichen.

So trifft er auf Querty Doolittle (Eddie Redmayne), einen jungen, einsamen und in Schulden begrabenen Bestattungsunternehmer, selbst weniger lebendig aussehend als die Toten, um die er sich kümmert, und auf Lexus (Alejandro Romero), einen Mann, der sich aus Liebe für einen anderen Mann eine Geschlechtsänderung durch Prostitution zu bezahlen versucht. Lexus erweist sich als eine labile Persönlichkeit, stets auf der Suche nach Zuneigung, der sogar Charlie Auto und Geld raubt, nur um ihm näher zu kommen. Das Misslingen dieser Tat bringt Lexus dazu, sich umzubringen und veranlasst bei Charlie eine Vision, die ihn zurück in den Reihen der Priester holt.

Ironischerweise erweist sich Querty Doolittle als die Verbindung zwischen den Handlungen in „Powder Blue“. Ironisch, weil sein Name auf einen Beliebigen hin deutet, bestehend aus den ersten sechs Buchstaben auf der englischen Tastatur, ein Charakter, wofür sich der Drehbuchautor nicht mal einen richtigen Namen einfallen ließ. Somit werden die Ereignisse und die Beziehung zwischen Rose und Querty ins Chaos der Namenlosigkeit, des Beliebigen geschmissen. Wichtig bleibt, dass zwei genügend einsame Personen aufeinander treffen, so dass deren Bedürfnisse nach einer Umarmung mit gleicher Intensität von beiden schon in den ersten Minuten erlebt werden. Der Kontrast zwischen den Erscheinungen von Querty als anämische Manifestation der Einsamkeit und Rose als Objekt der sexuellen Begierde wird meisterhaft in einem Gegenübertreten der beiden im Strip Club umgesetzt, wo Rose während ihres letzten Tanzes heißes Wachs auf ihren Körper peitscht, während Querty vor ihr wortlos und weinend steht.
Die masochistische Ader gequälter Existenzen ist die Zentralaussage des Films; die auftretenden Protagonisten bewegen sich auf einen Tod zu, der sie vom Schmerz des Lebens endlich losreißen könnte, jedoch will keiner von ihnen diese Erlösung genießen, sondern beißt sich verbittert in einem existenzialistischen Kampf um das unmögliche, um das idealistische.

Zusätzlich zum Hauptfilm bietet die DVD Audiokommentar, Making of, Fotogalerie und Trailer.


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