"Mythos 007" - Der Name, die Nummer, das Buch

von Harald Mühlbeyer

Andreas Rauscher, Bernd Zywietz, Georg Mannsperger, Cord Krüger (Hrsg.):
Mythos 007. Die James-Bond-Filme im Fokus der Popkultur
Bender-Verlag, Mainz 2007. 280 Seiten, zahlreiche Abbildungen. Kommentierte Filmo- und Bibliographie. 15.90 Euro.



Ein James-Bond-Buch unter vielen, aber das einzige, das von Screenshotautoren und -redakteuren herausgegeben ist. Und eines der Besten, eines, das mehr bietet als Glamour/Gossip/Trivia/Fandom. Ein Buch vielmehr, das sich tief hineinstürzt in den Bond-Mythos, um von dort aus diese solitäre Filmreihe eingehend zu begutachten.
Dass hier so kenntnisreich und genau gearbeitet wurde, liegt auch daran, dass die Herausgeber und Autoren von „Mythos 007“, unter ihnen drei Screenshot-Redakteure, prädestiniert sind für die Action, den Humor, die Schurken und die Metamorphosen von James Bond.

Andreas Rauscher: Screenshot-Redakteur der ersten Stunde, unser Mann für die Auswüchse der Popkultur: Science-Fiction, Comics, Computerspiele und Musik. Themen, die sich in den James-Bond-Filmen überlagern, um eine ganz spezielle Schattierung des Actionfilmes zu bilden.
Mit seinen beiden Aufsätzen zu den Standardsituationen und Dramaturgien sowie zum postklassischen Actionfilm bildet Rauscher gewissermaßen das Rückgrat des vorliegenden Bandes. Er steckt die filmischen Möglichkeiten und Nachwirkungen der Bondfilme ab: Einmal innerhalb der über 40jährigen Geschichte der Serie, die ihre eigenen Klischees immer wieder so auffrischt, dass sie neu wirken. Zum Zweiten im Verhältnis zum Spionage- und Actiongenre, das die Bondfilme in den 60ern dramatisch verändert haben, das sie in den 70ern geschickt inkorporierten, dem sie sich in den 90ern neu stellen mussten unter den veränderten Bedingungen eines CGI-betonten Action- und Fantasy-Blockbusterkinos.
Dazu liefert Rauscher detaillierte Betrachtungen zu den 007-Soundtracks sowie zu Computerspielen, die auf der Grundlage, zumindest in Lizenz James Bond durch virtuelle Welten schicken, vom Atari-Spiel von Anfang der 80er bis zu Egoshootern der Gegenwart.

Bernd Zywietz, Screenshot-Redakteur, der Mann, der im Hintergrund die Fäden in der Hand hält, der alle Spionageromane der Welt auswendig kennt und sich auch in den obskursten Welten zurechtfindet, seien es dramaturgische Verwirrungen wie bei David Lynch oder intellektuelle wie bei Wim Wenders.
Zywietz weiß, warum James Bond funktioniert, warum er fasziniert, obwohl sich über die Jahrzehnte die Äußerlichkeiten verändert haben, obwohl er in immer neuen Verkörperungen auftritt, obwohl man immerzu weiß, dass er auch aus der aussichtslosesten Falle wieder mit Leichtigkeit entkommen wird. Bond trägt einen archetypischen Kern in sich, der viele Veränderungen verträgt, der nostalgisch auf die eigene Geschichte zurückblicken kann und dabei doch stets in die Zukunft hinausblicken wird: „James Bond will return“ lautet das Motto in jedem Abspann.
Ebenso kenntnisreich wie mit dem unbekannten, nie genannten Innenleben von Mr. Bond setzt sich Zywietz mit den Technologien seiner Gegner auseinander, die futuristisch- überdimensional den Größenwahn ihrer Schöpfer erkennen lassen. Die Technik zur Herstellung einer globalen Katastrophe wird meist ganz außerhalb des „normalen“ Weltsystems geschaffen, eine Parallelwelt, die die Menschheit bedroht – auch unter Wasser, auch im Weltall –, in die Bond eindringen muss, um sie auszuschalten – indem der Superschurke ausgeschaltet wird. Wobei stets klar ist: nicht die avancierte Technik, sondern ihr Missbrauch ist die Gefahr.

Cord Krüger, Screenshot-Redakteur mit der Lizenz zum Blödeln. Er kennt jedes TV-Spielfilm-Covermädchen der letzten 1.000 Jahre, in „Mythos 007“ jedoch beschäftigt auch er sich mit den Bösewichtern. Diese ordnet er Kategorien zu, vom gewöhnlichen Kriminellen zum Apokalyptiker, und er betrachtet eingehend und mit Lust, gleichwohl aus ironischer Distanz ihre Pläne, ihre Charaktere, ihre Gemeinsamkeiten wie auch ihre Unterschiede. Wobei sich zeigt, dass gerade ihre außerstaatlichen Verbrechens- und Terrorsyndikate die globale Bedrohlichkeit ausmachen: kein Krieg, sondern nur der Einsatz eines Agenten mit der Lizenz zum Töten kann hier Abhilfe schaffen, weil die Organisation des Schurkens gänzlich international globalisiert, das heißt nicht konventionell-staatlich strukturiert ist. Und weil sich das Überdimensionale der Schurken nicht nur auf ihre Überstaatlichkeit bezieht, die sich an keine Nation mehr gebunden fühlen, sondern auch auf ihren maßlosen Lebensstil und ihre maßlosen Pläne mit maßloser Technologie, bedingt diese Konstellation zwingend eine Figur von maßloser Übermenschlichkeit wie James Bond, der allein sich dem ungeheuer Bösen stellen kann.

Georg Mannsperger, Screenshot-Autor und ausgewiesener James-Bond-Experte, der über 007 seine Magisterarbeit wie seine Promotion geschrieben hat, beschreibt einerseits die bisherigen sechs Bonddarsteller mit ihren je eigenen Charakterisierungen der Figur, vom Arbeitertypen eines Sean Connery über den Aristokraten Roger Moore und den bürgerlichen Kämpfer Timothy Dalton bis zum postmodern-ironischen Pierce Brosnan, der so vieles in sich vereinigt – was zur neuen Härte unter Daniel Craig führte. Andererseits widmet sich Mannsperger dem Production Design der Bond-Filme, das besonders durch den langjährig für die Reihe arbeitenden Filmarchitekten Ken Adam geprägt wurde. In den 60ern war es vor allem das überdimensionale Setdesign, das die Bondfilme heraushob aus vielen, meist europäischen Plagiaten – und das mit seiner perfekten Symbiose aus Form und Inhalt – mit der Überdimensionalität des Raumes wie der Plots wie der Charaktere als gemeinsamem Nenner – neue Standards für das populäre Kino insgesamt setzte.

Zudem beschäftigt sich Ivo Ritzer mit dem Verhältnis von Wissenschaft und Pop in den 60er Jahren. Vor allem in Bezug auf George Lazenbys einmaligem 007-Abenteuer „On Her Majesty’s Secret Service“ beschreibt er den Zeitgeist optimistischer Modernität, der sich in einer ausgesprochenen Wissenschaftseuphorie ausdrückte, und der sich wandelnden Popkultur, die sich in Mode, Musik und Weltanschauung ausdrückte. Und sieht beide Phänomene miteinander vereinigt in den Bond-Filmen zu einem eigenen Standpunkt im gesellschaftlichen und ideologischen Diskurs formuliert.
Norbert Grob wiederum wählt einen ganz persönlichen Ansatz in seinem Vorwort: Er berichtet von seiner ersten Bond-Erfahrung, in der Erinnerung untrennbar verbunden mit dem Wallace-Film „Der Frosch mit der Maske“ – „ein Tag der Initiation“.

Die Autoren und ihre verschiedenen Ansätze, ihre verschiedenen Ansichten und Erfahrungen ergänzen sich unabdingbar, als hätte es nie anders sein können – nicht als ultimative Zusammenstellung absoluter Wahrhaftigkeiten, sondern als fundierte Meinungen zu 007, zur Popkultur, zur Filmgeschichte, nicht als Teil des affirmativen Bond-Hypes, sondern als faktenreiche Beiträge, die sowohl dem privaten Lesegenuss als auch als Teil des (pop)wissenschaftlichen Diskurses dienen können. Allein die ausführliche kommentierte und durchaus kritische Filmographie ist den Kauf des Buches wert.


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