Hof-Berichterstattung: Eröffnung mit "Parkour"

"Parkour", der Debütfilm von Marc Rensing, hat die diesjährigen Hofer "Filmdaage" (Heinz Badewitz) eröffnet. Das ist ein Eifersuchts-Psychose-Drama, das Rensing verknüpft mit einem Real-Life-Jump and Run-Sport: Parkour. Den üben die Freunde Richie, Nonne und Paule aus, sie hüpfen und springen und rennen über alle Hindernisse, die sie finden können, nehmen immen den schwierigsten Weg, quer durch die Industrielandschaft von Mannheim, über Löcher im Boden, Wände hoch in alten Fabrikhallen - das hat tatsächlich eine Dynamik wie in "Matrix", freilich in Realform, ohne Digitaltricks - hier empfiehlt sich Rensing als Inszenator von Bewegung, von Rasanz, von Action.

Das ist natürlich eine Metapher, und das Problem ist, dass diese Metapher über die erste Strecke des Films recht aufgesetzt wirkt, fast aufdringlich: Wie in seinem Freizeitsport legt sich Richie auch im wirklichen Leben ständig selbst Hindernisse im Weg, die eigentlich gar nicht da sind. Da wird zwanghaft ein nicht gerade alltägliches Hobby verbunden mit seiner verzweifelten Liebe zu Hannah, die zu Eifersucht, Misstrauen, Gewalt führt. Denn Richie hat sein Leben, sein Denken nicht mehr so richtig unter Kontrolle, und klar ist für ihn nur: Keiner soll ihn verarschen.

Die Action wird der Psychose beigegeben, offenbar vor allem, um mal was Bewegungsreich-Dynamisches zu zeigen; und so stehen die beiden Ebenen erstmal nebeneinander. Dazu kommen kleine Fehlerchen, wie sie einem Regiedebütanten halt unterlaufen: dass er offenbar noch nicht so richtig geschult ist in Schauspielerführung, Darsteller wie Nora von Waldstätten oder Constantin von Jascheroff hat man in anderen Filmen schon besser agieren sehen - Rensing muss noch lernen, aus seinen Darstellern das Richtige rauszukitzeln. Und wie Hannah aufs Mathe-Abi lernt: das ist nun wirklich ziemlich realitätsfern... zumal Nora von Waldstätten einfach fünf Jahre zu alt aussieht für eine Abiturientin...

Ist aber auch der Punkt für Richie: er selbst hat seinen Kumpel Nonne als Nachhilfelehrer bestellt, weil sonst der Stefan aus Hannahs Klasse immer so scharf auf sie ist. Und da setzt dann das Misstrauen auch gegen die Freunde ein, Richie steigert sich in einen Wahn hinein, der auch von einem seiner Mitarbeiter auf dem Bau angefeuert wird: Georg Friedrich, der Paradeösterreicher, hat seinen Auftritt als schneller Gerüstbauer, der weiß, wie die Frauen ticken, die sind nämlich alle gleich, hintergehen einen, wo sie nur können... Das wird selbst Richie zuviel, provoziert eine Kurzschlussreaktion, aber der Samen der Liebesparanoia ist gesät.

Hier nun wird der Film intensiver, hier geht er hinein in die Psychose von Richie, und das packt auch den Zuschauer. Wie er sich in wahnhaften Phantasien ergeht, die ihn tief im Inneren schmerzen und nach deren Unzüchtigkeit er nachgerade süchtig wird... Das hat zwar nicht die hypnotischen Qualitäten von Hans Weingartners "Das weiße Rauschen", und Hauptdarsteller Christoph Letkowki wird auch kein zweiter Daniel Brühl werden. Aber in seiner Konsequenz - sowohl der von Richie als auch der des Films - ist "Parkour" dennoch zwar nicht perfektes, aber ansehnliches und spannendes Kino.

Harald Mühlbeyer