Belgien, goldenes Land - "Eldorado" von Bouli Lanner

von Elisabeth Maurer

Eldorado
Belgien, Frankreich 2008. Buch, Regie: Bouli Lanner. Kamera: Jean-Paul de Zaeytijd. Musik: Renaud Myeur, An Pierle, Koen Gisen. Produktion: Jacques-Henri Bronckart.
Mit: Bouli Lanners (Yvan), Fabrice Adde (Didier), Francoise Chichery (Didiers Mutter).
Verleih : Kool Film.
Länge : 81 Minuten.
Start : 14. Mai 2008.

Auf der Suche nach dem sagenhaften Goldland Eldorado wurde Südamerika jahrhundertelang durchstreift. Der für den César als bester ausländischer Film nominierte ELDORADO von Bouli Lanners spielt allerdings in Belgien. Das Land gilt allgemein wohl eher als wenig exotisch, es ranken sich keine Legenden von verborgenen Schätzen um seine Geschichte. Als irgendwie bemerkenswert an Belgien sind fürs Ausland vermutlich hauptsächlich seine selbst vom Weltraum aus zu sehenden beleuchteten Autobahnen. Doch gerade diese meidet das Road Movie.
Yvan, Importeur von amerikanischen Autos, entdeckt in seinem Haus eines Abends einen Einbrecher, den jungen Junkie Didier. Aus Mitleid fährt Yvan den seit zwei Wochen cleanen Didier zu dessen Eltern, die kurz vor der französischen Grenze leben. Auf dem Weg erleben sie einige merkwürdige Begegnungen und freunden sich langsam an. So gesteht Yvan Didier denn auch, dass sein Bruder vor einem Jahr an einer Überdosis starb und er seitdem Schuldgefühle hat. Nach dem Besuch der Eltern fahren sie zurück, doch als sie sich der Stadt näher, aus der Didier kommt, wird ihr aufkeimendes Vertrauen auf eine schwere Probe gestellt.

Lanners, der neben Drehbuch und Regie auch die Hauptrolle des Yvan übernahm, findet bei der Fahrt durch sein Heimatland unerwartet weite und leere Blicke auf die Landschaft. Vor allem Felder und Wiesen umgeben die leeren Landstraßen, die der Chevrolet befährt. Es ist offensichtlich, daß sich Lanners an amerikanischen Road Movies orientiert. Dadurch unterstreichen die Bilder die Einsamkeit und auch Traurigkeit der Figuren. Die kurzen Begegnungen, oftmals skurril bis absurd, stellen einerseits ein Spiel mit den Genrekonventionen dar, da Road Movies immer von den unerwarteten Situationen der Reise handeln, vor allem schweißen sie die beiden Hauptcharaktere aber aneinander. Die Einsamkeit und die Abwesenheit von Liebe und Beziehungen wird auch dadurch unterstrichen, daß die einzigen Frauen, die im Film zu sehen sind, eine Prostituierte und die zur Untätigkeit verdammte Mutter Didiers sind.

Ungewöhnlich für ein Road Movie ist die Tatsache, daß die Protagonisten den Weg wieder zurückfahren – beide müssen sich den Problemen ihrer Vergangenheit stellen. Der Film wurde im Sommer gedreht, oftmals entstanden die Aufnahmen zur sogenannten goldenen Stunde des Tages, wenn die Sonne kurz vorm Untergang ist und das Land in ein schmeichelndes, gelbes Licht taucht. Dadurch sieht Belgien zeitweise selbst aus wie ein verwunschenes Goldland. Innerlich sind beide Männer auf einer Suche, ihr Eldorado wäre die Erlösung von ihrer Vergangenheit. Didier muß endgültig von den Drogen loskommen und sich mit seinen Eltern aussöhnen. Yvan könnte durch die Hilfe, die er Didier zukommen läßt, seine Schuldgefühle seinem toten Bruder gegenüber verlieren. Die gemeinsame Fahrt könnte beiden ihren Wunsch in Erfüllung bringen.
Doch gibt es in der schönen Landschaft mehrfach Vorausdeutungen auf einen schlechten Ausgang. Die Abendstimmung verweist auf ein nahes Ende. Am Wegesrand wachsen viele Mohnblumen, ein klassisches Todessymbol. Mehrfach schlägt das Wetter um und es kommt zu starken Regenfällen. Im Gegensatz zu vielen Road Movies sind die Aufnahmen meist statisch, dies steht für Stillstand trotz ihrer Bewegung durch das Land. Sie müssen die farbenprächtige, leuchtende Landschaft verlassen und in die als Ort des Bösen inszenierte Stadt zurückfahren. Dort ist ein sterbender Hund mit gebundenen Pfoten das Symbol für die Unvermeidlichkeit des weiteren Geschehens, für die Unmöglichkeit ihrer Erlösung.