Filmfest München: Eissturm im Wasserglas - "Lymelife"

Nicht zuletzt durch die exzessive Einkaufspolitik von Verleihen wie Miramax in den 1990er Jahren hat die US-Independent-Szene rund um das Sundance Festival inzwischen ihre eigenen Konventionen und Standardsituationen herausgebildet. Diese markieren im zwischen Nische und Hollywood changierenden Indiestream das Äquivalent zur ewigen Heldenreise im Mainstream-Kino. Das Spektrum reicht von dysfunktionalen Feel-Good-Movies wie „Little Miss Sunshine“, bei denen man sich fragt, wo überhaupt noch der Unterschied zu gewöhnlichen Hollywood-Komödien bestehen soll, bis hin zur autobiographischen Suburbia-Reflexion, die sich meistens in spontanen „American Beauty“-Remix-Contests verliert.

Lymelife“ (USA 2008), das von Martin Scorsese produzierte Debüt der Brüder Derick und Steven Martini zählt zu letzterer Kategorie. Von anderen Suburbia-Portraits unterscheidet sich der streckenweise sympathische, gut besetzte, letztendlich aber dramaturgisch zu routiniert geratene Film durch den Zeitkontext der 1970er Jahre. Doch abgesehen von ein paar neckischen Anspielungen auf „Star Wars“, wie ein in einem intimen Moment störendes Millenium Falcon-Modell und einigen Reminiszenzen an Ang Lees „Ice Storm“ wird dieser Bezug nicht wirklich genutzt. „Lymelife“ hätte eine Art Prequel über all jene enttäuschten Hoffnungen und vorstädtischen Lebenslügen werden können, die in den Filmen der 1980er und 1990er Jahre thematisiert wurden. Stattdessen wurde daraus eine passable „Ice Storm“-Variation mit einem zu bemühten und in dieser Hinsicht dann doch relativ konventionellen Schluss. Den Sieg beim diesjährigen „American Beauty“-Remix-Contest haben die Brüder Martini allerdings souverän für sich verbucht.

- Andreas Rauscher