Spiel mit dem Auge

Barbara Flückiger: Visual Effects. Filmbilder aus dem Computer. Marburg: Schüren Verlag 528 Seiten, € 38
ISBN 978-3-89472-518-1

von Andreas Rauscher




Kaum ein anderes Thema erscheint so präsent in aktuellen Debatten über die Zukunft des Kinos und dennoch zugleich theoretisch so diffus wie die Diskussion über die Auswirkungen und Möglichkeiten des digitalen Kinos. Einerseits werden seit Jahren die gleichen kulturpessimistischen Bestandsaufnahmen vom Ende des Kinos gepflegt, die neben einer völlig nachvollziehbaren cineastischen Nostalgie, auch eine latente Sehnsucht nach jener Zeit verraten, als die Welt angesichts des digitalen „Terminator 2“ in farbenfrohem Cinemascope noch schön schwarzmalerisch unterging. Diese Überlegungen tendieren, wie die Filmwissenschaftlerin und Praktikerin Barbara Flückiger treffend anmerkt, häufig dazu, vom digitalen Bild an und für sich zu sprechen, ohne zu differenzieren oder überhaupt genauer auf die sehr unterschiedlichen Erscheinungsformen des thematisierten Gegenstands zu blicken.

Auf der Seite der praxisbezogenen Produktionsberichte, wie sie sich auf zahlreichen DVD-Special Editions und in Fachmagazinen finden, herrscht umgekehrt eine Fixierung auf die neuen Möglichkeiten der technischen Ausstattung vor. Innovative Problemlösungen für digital generierte Hintergründe und gescannte schauspielerische Leistungen werden ausgiebig dokumentiert und gewürdigt. Eine kritische Auseinandersetzung über die veränderte Ästhetik bleibt weitgehend aus oder tendiert, wie in einigen Neue Medien-Sammelbänden, zu Überakzentuierungen, die dem Fatalismus der Kulturpessimisten eine unreflektierte Affirmation entgegensetzen, die besser in das goldene Zeitalter der Pulp-Science Fiction als in eine medientheoretische Analyse passt.

Die über fünfhundert Seiten umfassende und dennoch übersichtlich strukturierte Studie von Barbara Flückiger über die Geschichte der „Visual Effects“ vermeidet konsequent diese Sackgassen und widmet sich stattdessen auf kenntnisreiche Weise der Entwicklung der visuellen Effekte in den letzten Jahrzehnten und deren verschiedenen Einsatzgebieten. Im Unterschied zu meistens am Set selbst durchgeführten Special Effects bezieht sich der Begriff Visual Effects meistens auf die nachträgliche Bildbearbeitung und die Ausgestaltung der optischen Tricks. Der Übergang zwischen analogen Techniken wie Matte Paintings und digitalen Animationen, die zunehmend in Form der Animatics auch das klassische, comichafte Storyboard ersetzen, gestaltet sich überraschend fließend.

Schlüsselbegriffe wie Rendering, Keyframe-Animation und Motion Capturing, die von filmtheoretischen Grundsatzdebatten bis hin zu aktuellen Filmkritiken immer wieder auftauchen, werden anschaulich erläutert. Die Entwicklung der jeweiligen Effekttechniken lässt sich außerdem mit Hilfe des sorgfältig ausgewählten Bildmaterials gut nachvollziehen.

Nach ihrer ebenfalls in der Reihe Zürcher Filmstudien im Schüren Verlag veröffentlichten Arbeit über Sounddesign gelang Barbara Flückiger mit „Visual Effects“ eine weitere grundlegende Einführung zu einem viel diskutierten, aber zugleich auch theoretisch vernachlässigten Bereich der Filmtechnik, der maßgeblich die ästhetischen Umbrüche des digitalen Zeitalters prägt. Sowohl als informatives Nachschlagewerk wie auch als umfassende historische Einführung eignet sich das aufschlussreiche Buch, das sich vollkommen berechtigt zum Standardwerk entwickeln könnte.